VwGH vom 24.10.2001, 97/17/0102

VwGH vom 24.10.2001, 97/17/0102

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des JG in M, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 7 - 481 - 85/96 - 2, betreffend Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Modriach, vertreten durch den Bürgermeister, 8583 Modriach), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer anschlusspflichtigen Liegenschaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde unter teilweiser Stattgebung der Berufung und Abänderung des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides ein einmaliger Kanalisationsbeitrag in der Höhe von S 17.527,95, einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer, zur Zahlung vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom (anwaltlich vertreten) eine Vorstellung, in welcher bei der Angabe betreffend die "Verwaltungssache" der Name des Beschwerdeführers und der Beschwerdevertreter und unter der Rubrik "wegen:" die Angabe "Kanalanschlußverpflichtung" enthalten war. Als Bezeichnung trägt der Schriftsatz weiters auf der ersten Seite die Formulierung:

"VORSTELLUNG

gegen den Bescheid vom ".

Die Vorstellung wurde bei der Gemeinde eingebracht.

In der Vorstellung wurde auf Blatt 2 ausgeführt, dass der Beschwerdeführer "in außen bezeichneter Verwaltungssache" Vorstellung "gegen den Bescheid des Gemeinderates Modriach vom , (ohne GZ), zugestellt am ", erhebe.

Unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens machte der Beschwerdeführer in der Vorstellung die Verletzung des Parteiengehörs geltend, der Bescheid sei im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG unbestimmt. Die Liegenschaftsteile seien nicht genau bezeichnet. Es könne nicht entnommen werden, welche Einlagenzahl, welches Gebäude und welches Grundstück betroffen seien. Die Berufungsbehörde sei ganz offenkundig davon ausgegangen, dass sowohl das Gasthaus des Beschwerdeführers und die damit verbundene Landwirtschaft als auch das Wohnhaus mit Garage auf einem näher bezeichneten Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde liege. Dies sei jedoch offenkundig unrichtig. Der Beschwerdeführer habe bereits in der Berufung vorgebracht, dass er eine bestimmte Menge Gülle pro Jahr zur Düngung seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen benötige, was bei der in der Gemeinde herrschenden Wasserknappheit besondere Bedeutung habe. Es bestehe für die Landwirtschaft eine bewilligte Sammel- und Kläranlage, die aus drei Kammern bestehe. Der Beschwerdeführer könne daher gewährleisten, dass eine schadlose Entsorgung der auf seiner Liegenschaft anfallenden Abwässer erfolge, wie dies auch in den letzten 100 Jahren geschehen sei. Die Berufungsbehörde habe sein Vorbringen unbeachtet gelassen, keine Erhebungen durchgeführt und ihn nicht zur Stellungnahme aufgefordert, unrichtige Tatsachenfeststellungen bzw. mangelhafte Tatsachenfeststellungen getroffen und habe daher von vornherein zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangen müssen.

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wurde in der Vorstellung geltend gemacht, die Berufungsbehörde sei zu Unrecht zum Schluss gekommen, dass die Kanalanschlussverpflichtung für die Liegenschaft des Beschwerdeführers gegeben sei. Mit dem formal mangelhaften Bescheid werde "nunmehr beachtlicherweise auch ein Bauauftrag verbunden, dies, obwohl kein Bauverfahren durchgeführt wurde".

Die Berufungsbehörde habe, obwohl nicht Berufungsgegenstand, nunmehr mit Bescheid festgesetzt, dass der Beschwerdeführer zur Errichtung und zum Anschluss einer Hauskanalanlage an das öffentliche Kanalnetz verpflichtet werde. Er hätte binnen einer Frist von vier Wochen einen Bauentwurf über die Errichtung der Hauskanalanlage und deren Anschluss an die öffentliche Kanalanlage zur Genehmigung beim Gemeindeamt Modriach einzubringen. Bei Verzug werde auf seine Kosten und Gefahr die Erstellung eines Bauentwurfes und die Errichtung des Anschlusses in Auftrag gegeben.

Mit Hinweis auf die Verwendung der Stallabwässer bzw. die "kleine Menge der Hausabwässer in meinem landwirtschaftlichen Betrieb" resümierte der Beschwerdeführer, dass eine Ausnahme von der Anschlussverpflichtung gemäß § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 vorliege. Die Berufungsbehörde habe sich aber damit nicht auseinandergesetzt und daher unter Verletzung seiner Rechte einen nicht überprüfbaren Bescheid erlassen. Die Berufungsbehörde habe es nicht dabei bewenden lassen, gegen die Gesetzeslage die Anschlussverpflichtung für das Gasthaus und das Bauernhaus, weiters für ein daneben befindliches Garagengebäude, welches unrichtigerweise als Wohnhaus bezeichnet werde, anzunehmen. Es sei unter einem ein Bauauftrag offenkundig im Sinne des § 70 Steiermärkische Bauordnung erlassen worden, ohne dass ein bezughabendes Verfahren durchgeführt worden sei. Als Vorstellungsantrag wurde formuliert, das Amt der Steiermärkischen Landesregierung möge als Vorstellungsbehörde der Vorstellung Folge geben, den angefochtenen Bescheid des Gemeinderates Modriach vom (ohne GZ.) wegen Verletzung von Rechten des Vorstellungswerbers aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an die Gemeinde Modriach verweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück, da eine unrichtige Bezeichnung des bekämpften Bescheides (es gebe keinen Bescheid betreffend die Anschlussverpflichtung vom ) vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 104 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115,

lautet:

"§ 104

Verfahren vor der Aufsichtsbehörde

(1) Für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde, ausgenommen jenes nach § 100, finden ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes Anwendung."

Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass auch im Verfahren über eine Vorstellung gegen einen Abgabenbescheid das AVG anzuwenden ist (es braucht daher im Beschwerdefall nicht der Frage nachgegangen werden, welche Rechtsvorschrift anzuwenden ist, wenn bei Bekämpfung von Abgabenbescheiden etwa die LAO anwendbar wäre, dem äußeren Anschein nach aber - wie im Beschwerdefall - ein Baubescheid bekämpft wird).

Die Vorstellungsbehörde hatte jedenfalls das AVG anzuwenden.

Nach § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 war die Behörde bei formellen Mängeln von Anträgen verpflichtet, das Anbringen zur Verbesserung zurückzustellen. Für inhaltliche Mängel war kein derartiger Verbesserungsauftrag vorgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Bezeichnung des bekämpften Bescheides ein inhaltliches Erfordernis einer Berufung ist. Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausgeführt hat, ist der Verwaltungsgerichtshof weiters für den Fall einer Fehlbezeichnung des bekämpften Bescheides ebenfalls vom Vorliegen eines nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangels ausgegangen. Der Verwaltungsgerichtshof ist aber weiters davon ausgegangen, dass für das Vorliegen einer zulässigen Vorstellung ausschlaggebend sei, ob für die Vorstellungsbehörde auf Grund der (wenn auch knappen) Angaben in der Vorstellung erkennbar ist, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung richten möchte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/06/0226, und vom , Zl. 97/06/0063).

Streitentscheidend ist somit, ob die Bezeichnung des mit Vorstellung bekämpften Bescheides in der Vorstellung vom ausreichend und ob für die belangte Behörde erkennbar war, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung richten sollte.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung jene Grundsätze, die für die Beurteilung von Berufungen nach § 63 Abs. 3 AVG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) entwickelt wurden, auch für die Beurteilung, ob eine mängelfreie und ausreichende Vorstellung vorliegt, angewendet hat (vgl. neben dem genannten Erkenntnis vom etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0133). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof an die inhaltlichen Erfordernisse einer Berufung insbesondere im Hinblick auf die Erkennbarkeit des bekämpften Bescheides unterschiedliche Maßstäbe angelegt hat, je nachdem, ob die Berufung bei der Behörde erster Instanz oder aber bei der Berufungsbehörde eingebracht wurde. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0377, ausgesprochen, dass der Name des Berufungswerbers bei mittels ADV erstellten Bescheiden zur Identifizierung genügen könne, wenn in der in Betracht zu ziehenden Zeit vor der Einbringung der Berufung nur ein Bescheid (Straferkenntnis) an die betreffende Person ergangen sei, jedoch nur dann, wenn die Berufung bei der Erstbehörde eingebracht worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0296). Wurde die Berufung bei der Berufungsbehörde eingebracht, entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 92/03/0268, und vom , Zlen. 92/03/0237, 0245), dass die Bezeichnung des bekämpften Bescheides allein mit seiner Geschäftszahl nicht dem Erfordernis des § 63 Abs. 3 AVG entspreche.

Die beschwerdegegenständliche Vorstellung wurde entsprechend § 94 Abs. 2 Stmk. Gemeindeordnung 1967 in der Fassung LGBl. Nr. 9/1973 bei der Gemeinde eingebracht. Sie wurde mit Schreiben der mitbeteiligten Gemeinde vom mit den "Originalakten (laut angeschlossenen Aktenverzeichnissen)" gemeinsam mit der Vorstellung eines anderen Abgabepflichtigen (vgl. das Verfahren zur hg. Zahl 97/17/0103) der belangten Behörde vorgelegt. Im Vorlageschreiben werden als "Ggst." "Einmaliger Kanalisationsbeitrag" und die Namen des jeweiligen Vorstellungswerbers (des Beschwerdeführers bzw. des Beschwerdeführers zur hg. Zahl 97/17/0103) angeführt.

Wenngleich die vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung insofern mangelhaft abgefasst war, als sie im Rubrum zur Bezeichnung der Verwaltungssache die Angabe "wegen:

Kanalanschlussverpflichtung" enthielt, musste für die belangte Behörde auf Grund der Angaben der vorlegenden Gemeinde und des Hinweises auf Blatt 1 und Blatt 2 oben der Vorstellung auf den Bescheid vom klar sein, dass sich die Vorstellung gegen den Abgabenbescheid vom richtete. Dies umso mehr, als der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung keine Geschäftszahl des angefochtenen Bescheides angeben konnte, darauf zurückzuführen ist, dass der Bescheid des Gemeinderates, der mit Vorstellung bekämpft wurde, keine Geschäftszahl aufweist. Dass etwa dieser Bescheid von der mitbeteiligten Gemeinde nicht vorgelegt worden wäre und daher für die belangte Behörde nicht ersichtlich gewesen wäre, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung gerichtet hätte, wird auch von der belangten Behörde nicht behauptet. Dies umso mehr, als der Bescheid hinsichtlich der Anschlussverpflichtung rund ein Jahr zuvor (am ) ergangen war und vom Beschwerdeführer damals mit Vorstellung bekämpft worden war. Über diese Vorstellung war der Bescheid der belangten Behörde vom ergangen, der vom Beschwerdeführer mit der zur hg. Zl. 96/06/0263 protokollierten Beschwerde bekämpft worden war. Jene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen. Auch der Umstand, dass in der Vorstellung im abschließenden Antrag - anders als auf Blatt 1 und 2 - der Bescheid vom " (ohne GZ)" genannt wurde, bedeutet bei dem hier vorliegenden Verfahrensgeschehen daher nicht, dass der belangten Vorstellungsbehörde nicht erkennbar gewesen wäre, welcher Bescheid bekämpft werden sollte.

Der Umstand, dass in der Vorstellung vom nahezu ausschließlich die Frage der Anschlusspflicht behandelt wird, mag allenfalls dazu führen, dass die Vorstellung inhaltlich abzuweisen gewesen wäre. Eine nicht ausreichende Begründung der Vorstellung führt jedoch nicht zu ihrer Unzulässigkeit. Die Angabe des Datums des Bescheides ("") war im vorliegenden Fall in Verbindung mit der Vorlage der Akten durch die Gemeinde ausreichend, die Erkennbarkeit des mit Vorstellung bekämpften Bescheides zu gewährleisten. Es würde einen übertriebenen Formalismus bedeuten, wollte man aus der irrtümlichen Angabe "Kanalanschlussverpflichtung" in Verbindung mit dem Umstand, dass am kein Bescheid zur Kanalanschlussverpflichtung ergangen ist, ableiten, dass der Fehlbezeichnung der Angelegenheit insoweit ausschlaggebende Bedeutung zukäme, als es bei der Beurteilung, ob eine ausreichend spezifizierte Vorstellung vorliegt, auch bei der Einbringung der Vorstellung bei der Gemeindebehörde darauf ankäme, ob der belangten (Aufsichts-)Behörde die Feststellung, gegen welchen Bescheid sich die Vorstellung richtete, allein auf Grund der Angaben in der Vorstellung möglich ist oder nicht. Es liegt vielmehr im Beschwerdefall nicht ein Sachverhalt vor, wie er in jenen hg. Erkenntnissen zugrunde lag, in denen aus ungenügenden Angaben zum bekämpften Bescheid auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels geschlossen wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/06/0226, oder vom , Zl. 97/06/0063). Die Fälle, in denen eine ausreichende Angabe des bekämpften Bescheids verneint wurde, betrafen einerseits die Einbringung des Rechtsmittels bei der Rechtsmittelbehörde selbst, andererseits aber Rechtsmittel, aus denen auch der bescheiderlassenden Behörde ohne weitwendige Ermittlungen die Feststellung des angefochtenen Bescheides nicht möglich war. Dass die bescheiderlassende Gemeindebehörde nicht imstande gewesen wäre, den angefochtenen Bescheid zu bestimmen, behauptet jedoch auch die belangte Behörde nicht.

Die Zurückweisung der Vorstellung war daher rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Kostenersatzbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am