VwGH vom 09.09.1993, 92/16/0131
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger, Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der B GesmbH in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Wels vom , Zl. Jv 1203-33a/92, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende GesmbH (Beschwerdeführerin) als klagende Partei und die von ihr im Verfahren des Bezirksgerichtes Wels beklagte Partei haben am einen Vergleich mit nachstehendem Inhalt geschlossen:
"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich bei Exekution, der klagenden Partei den Betrag von S 6.833,60 samt 12 % Zinsen seit bis zu bezahlen.
2. Von der zu Punkt 1. genannten Verpflichtung kann sich der Beklagte dadurch befreien, daß sie im Zeitraum vom bis beim Kläger Waren im Nettowert von mindestens
S 100.000,-- einkauft und die dazugehörigen Rechnungen innerhalb der auf der Rechnung genannten Frist bezahlt.
3. Im Falle der Einhaltung der zu Punkt 2. genannten Lösungsbefugnis wird für diese im Punkt 2 genannten Fakturen ein Bonus von 2 % vom jeweils tatsächlich bezahlten Betrag vereinbart. Der Bonus wird nach Beendigung des Geschäftsjahres 1991 verrechnet.
4. Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Kosten S 5.829,80 (darin S 846,64 an 20%iger Ust enthalten und S 750,-- Barauslagen) zu bezahlen."
Der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Wels hat mit Zahlungsauftrag vom der Beschwerdeführerin neben der Einhebungsgebühr nach § 6 GEG in der Höhe von S 50,--, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 100.000,-- eine restliche - die Klage im Mahnverfahren ist mit S 50,-- Gerichtskostenmarken vergebührt worden - Pauschalgebühr nach TP 1 von S 1.450,-- zusammen S 1.500,-- zur Zahlung vorgeschrieben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Kreisgerichtes Wels den Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die in Punkt 2 des Vergleiches festgehaltene Lösungsbefugnis des Beklagten stelle vorerst nur eine Option dar, werde aber insoferne dann eine "Verpflichtung", wenn der Beklagte im Rahmen seiner ihm durch die getroffenen Vereinbarungen zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten die Alternative des Punktes 2 in Anspruch nehme. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er verpflichtet, sich an die getroffene Vereinbarung zu halten und dem Kläger eben die genannte Warenmenge im Wert von S 100.000,-- abzunehmen. Da es für die Entstehung der Vergleichsgebühr ohne Einfluß sei, ob die Erfüllung der vereinbarten Leistung oder einer Verpflichtung von einem Ereignis - hier Verzicht auf die Wahlmöglichkeit des Punktes 1 des Vergleiches und Inanspruchnahme des Wahlrechtes wie in Punkt 2 vereinbart - abhängig gemacht werde, dessen Eintritt ungewiß sei oder nicht, sei der Punkt 2 des gegenständlichen Vergleiches für die Gebührenberechnung und Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Kostenbeamten relevant. Dies ergebe sich auch aus der Anmerkung 3 zu TP 4 des Tarifes zum vormaligen GJGebGes. 1962, welche auch für solche Vergleiche noch von Bedeutung sei, die erst nach Inkraftreten des derzeit gültigen GGG abgeschlossen worden seien, weil sich zwar in gebührenrechtlicher Hinsicht, nicht aber an der rechtlichen Eigenschaft des Vergleiches etwas geändert habe. Die Änderung in gebührenrechtlicher Hinsicht bestehe auch nur darin, daß aus der damaligen Vergleichsgebühr nun eine allenfalls höhere "Pauschalgebühr" geworden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf richtige Anwendung des Gerichtsgebührengesetzes verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Streitentscheidend ist im Beschwerdefall die Beantwortung der Frage nach der Höhe der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Pauschalgebühr nach TP 1 des Tarifes für den in Rede stehenden Vergleich, in dessen Punkt 2 eine sogenannte "Lösungsbefugnis" des Beklagten enthalten ist.
Nach Anmerkung 1 zu TP 1 des aufgrund des § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifes unterliegen der Pauschalgebühr alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Börsenschiedsgerichte, Bestandverfahren und Verfahren über Beweissicherungsanträge.
Nach § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.
Erbietet sich der Kläger, an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen, mehr oder stellt erein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist gemäß § 56 Abs. 1 JN die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§ 7 a) maßgebend.
Bei Vergleichen ist unter dem Wert des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wird, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Wert der Leistung zu verstehen, zu der der Vergleich verpflichtet (hg. Erkenntnis vom , Zl. 1403/58, Slg. Nr. 2225/F, zu TP 4 GJGebGes. 1962, hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0150, samt weiterer Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall hat sich - unbestritten - die beklagte Partei im Punkt 1 des Vergleiches bei Exekution verpflichtet, der Beschwerdeführerin den Betrag von S 6.833,60 samt 12 % Zinsen seit bis zu bezahlen. Von dieser Verpflichtung kann sich die beklagte Partei unter den in Punkt 2 des Vergleiches enthaltenen Voraussetzungen befreien. Wenn nun die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß die im Vergleich festgehaltene Lösungsbefugnis insoferne dann eine Verpflichtung werde, wenn der Beklagte die Alternative des Punktes 2 des Vergleiches in Anspruch nehme und er spätestens zu diesem Zeitpunkt verpflichtet sei, sich an die getroffene Vereinbarung zu halten, dann kann dieser Auffassung nach der Formulierung des Vergleiches, wodurch für den Beklagten eine sogenannte Lösungsbefugnis begründet wurde, aus der sich keine Verpflichtung zur Leistung ergibt, nicht gefolgt werden (siehe Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I9, 219). Nach Punkt 2 des Vergleiches besteht keine Verpflichtung des Beklagten von der Möglichkeit der Befreiung von Punkt 1 des Vergleiches Gebrauch zu machen. Kauft er innerhalb des festgelegten Zeitraumes Waren in dem im Vergleich genannten Umfang, dann befreit er sich dadurch von der Verpflichtung nach Punkt 1 des Vergleiches. Erfüllt der Beklagte Punkt 1 des Vergleiches nicht, so ist er nicht verpflichtet, deswegen Punkt 2 des Vergleiches zu erfüllen; die Beschwerdeführerin hat auch in diesem Fall keinen Anspruch auf Erfüllung des Punktes 2 des Vergleiches - was im übrigen aufgrund der in den Punkten 1 und 2 des Vergleiches vereinbarten Fristen nicht mehr möglich wäre. Wird vom Beklagten sowohl Punkt 1 als auch Punkt 2 des Vergleiches nicht erfüllt, dann kann die Beschwerdeführerin nur die im Punkt 1 des Vergleiches genannte Verpflichtung einfordern. Bei einem solchen Vergleichsinhalt befindet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Auffassung im Recht, die vereinbarte Lösungsbefugnis gemäß Punkt 2 des Vergleiches könne nicht als Verpflichtung ausgelegt werden. Als Wert des Streitgegenstandes war daher - auch unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogenen Anmerkung 3 zu TP 4 des Tarifes zum GJGebGes. 1962 - die im Punkt 2 des Vergleiches enthaltene, in keiner Weise verpflichtende Befreiungsmöglichkeit des Beklagten nicht heranzuziehen. Der Fall einer facultas alternativa im Sinne des § 56 Abs. 1 JN liegt nicht vor.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur in dem gesetzlich vorgesehenen Ausmaß zuzusprechen.