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VwGH vom 17.03.1997, 97/17/0087

VwGH vom 17.03.1997, 97/17/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom , Zl. A 8-K 1110/1996-2, betreffend Kanalisationsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Magistrates Graz vom , Zl. A 10/2-31301/1994-2, wurde die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft L-Straße 208, 8041 Graz, bzw. der darauf befindlichen Bauwerke gemäß § 4 des Gesetzes über die Ableitung von Wässern in bebautem Gebiet für das Land Steiermark (Kanalgesetz 1955, LGBl. Nr. 70, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 79/1988) dazu verpflichtet, die Liegenschaft mit einer Hauskanalanlage zu versehen und sie an die öffentliche Kanalanlage anzuschließen. Dieser Verpflichtung kam die Beschwerdeführerin - nach ihren Angaben - nach.

Mit Bescheid des Magistrates Graz vom , Zl. A 10/2-K-31301/1996, KAB: 96-298, wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 2 und 4 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. Nr. 71, in der Fassung der Landesgesetze LGBl. Nr. 40/1971 und 80/1988, für den Anschluß der Liegenschaft an den öffentlichen Kanal ein Kanalisationsbeitrag in der Höhe von insgesamt S 63.741,70 vorgeschrieben.

Auf Nebengebäude entfiel dabei ein Betrag von S 18.891,40. Hinsichtlich dieses Teiles des Abgabenbescheides erhob die Beschwerdeführerin Berufung und begründete diese im wesentlichen damit, daß das Nebengebäude weder eine Wohnung noch eine Betriebsstätte sei und daß keinerlei Entwässerung des Nebengebäudes durch die Kanalanlage erfolge.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung abgewiesen. Aufgrund des Vorlageantrages der Beschwerdeführerin erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abwies.

In der Beschwerde wird ausgeführt, daß zwischen der Behörde und der Beschwerdeführerin die Auslegung des § 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955 insofern strittig sei, als die belangte Behörde davon ausgehe, daß Wirtschaftsgebäude gemäß § 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955 ungeachtet des Umstandes, ob sie in die Kanalanlage entwässert werden, bei der Berechnung der Kanalabgabe zu berücksichtigen seien (insoweit dürfte die Beschwerdeführerin der Verpflichtung, auch die Nebengebäude an den Kanal anzuschließen, nicht entsprochen haben). Die Beschwerdeführerin vertrete hingegen die Auffassung, daß im Wege der Analogie das Erfordernis der Entwässerung durch die Kanalanlage nicht nur auf Hofflächen, sondern auch auf Wirtschaftsgebäude zutreffen müsse, damit diese in die Berechnung des Kanalisationsbeitrages miteinfließen könnten.

Dies ergebe sich nicht nur daraus, daß die Regelung über Wirtschaftsgebäude und Hofflächen in einem einzigen als Einheit zu verstehenden Satz abgehandelt werde, sondern vor allem auch aus dem Zweck des Kanalisationsbeitrages.

Der Kanalisationsbeitrag könne schon begrifflich und bei richtiger Anwendung des Äquivalenzprinzips nur für solche Gebäude entstehen, die durch die Kanalanlage entwässert werden. Nicht umsonst entstehe gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. die Beitragspflicht "mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit". Mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit komme es zu einer erstmaligen Benützung der Kanalanlage und damit zum Entstehen der Belastung für die öffentliche Hand. Von einem Wirtschaftsgebäude, dessen Entwässerung nicht durch die Kanalanlage erfolgt, weil in diesem Wirtschaftsgebäude überhaupt keine Anschlüsse vorhanden seien, könne ebenso wie von einer Hoffläche mit den gleichen Voraussetzungen keine Belastung der öffentlichen Hand ausgehen, weswegen die Einhebung eines Kanalisationsbeitrages für derartige Wirtschaftsgebäude "völlig richtig vom Gesetzgeber nicht vorgesehen" worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71/1955,

zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 80/1988,

lautet:

"Ausmaß

§ 4

(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden; Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet."

Wie sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955 eindeutig ergibt, bezieht sich der Relativsatz "deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt" auf die in § 4 Abs. 1 genannten Hofflächen. Dies hat an sich auch die Beschwerdeführerin erkannt, geht sie doch davon aus, daß ihre Rechtsauffassung nur im Wege der Analogie abgeleitet werden kann.

Unabhängig davon, welchen methodischen Ansatz bei der Auslegung man verfolgt, ergibt sich für den Beschwerdefall - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat -, daß kein Raum für eine vom Wortlaut abweichende Interpretation bleibt. Auch wenn man die Analogie nicht auf den Fall des Vorliegens einer echten Lücke eingeschränkt als zulässig ansieht (vgl. Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, System, 1971, 95) und im Einzelfall auch im Hinblick auf die Annahme eines Vorrangs des Willens des Gesetzgebers einer Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes den Vorzug gibt (vgl. die Hinweise auf die hg. Rechtsprechung bei Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 59), müssen gute Gründe vorliegen, um eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut einer Bestimmung vornehmen zu können. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, beruht die vorliegende Bestimmung jedoch auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers (Beilage Nr. 71 zu den stenographischen Berichten des Stmk Landtages, III. Periode, 5 ("Wirtschaftsgebäude und Hofflächen werden nach ihrem Flächenausmaß in die Berechnung einbezogen, letztere nur dann, wenn deren Entwässerung tatsächlich durch die Kanalanlage erfolgt")). Auch unter der Annahme eines Vorranges des Willens des Gesetzgebers ergibt sich damit im Beschwerdefall, daß bei der Berechnung der Abgabe Wirtschaftsgebäude (für die der Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung insofern geschaffen hat, als sie lediglich hinsichtlich der Grundfläche des Gebäudes, ungeachtet der Geschoßzahl einzurechnen sind) jedenfalls und ungeachtet der Frage, ob sie tatsächlich an den Kanal angeschlossen sind, zu berücksichtigen sind.

Wenn auch der Beschwerdeführerin zuzugestehen ist, daß verfassungsrechtliche Überlegungen bei der Auslegung einer Bestimmung zum Tragen kommen müssen (die Ausführungen zum Äquivalenzprinzip sind als derartiger Hinweis auf eine allfällige verfassungskonforme Interpretation zu verstehen), so ist im vorliegenden Zusammenhang festzuhalten, daß einerseits nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auch die verfassungskonforme Interpretation ihre Grenze am Wortlaut der Norm findet und der Verfassungsgerichtshof sich darüber hinaus mehrfach mit der Berechnungsmethode des Kanalisationsbeitrages nach dem Kanalabgabengesetz 1955 auseinandersetzen mußte und die schematische Art der Berechnung des Kanalisationsbeitrages dabei stets als verfassungskonform erachtet hat. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlaßt, einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955 zu stellen. Auch unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes ist im vorliegenden Fall keine - sowohl den äußersten Wortsinn überschreitende, als auch den aus den Materialien zum Gesetz ableitbaren Willen des Gesetzgebers außer acht lassende - andere Auslegung geboten. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aus dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht zu erkennen - in der Beschwerde wird hiezu nichts ausgeführt -, im Vergleich zu welchen Abgabepflichtigen die Beschwerdeführerin durch die angewendeten Rechtsvorschriften in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zur Abgabenleistung unverhältnismäßig herangezogen würde (insbesondere etwa im Verhältnis zu anderen Eigentümern von Wirtschaftsgebäuden).

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid schließlich zutreffend festgestellt hat, ist die Verpflichtung zur Entrichtung eines Kanalisationsbeitrages im Falle des Bestehens der gesetzlichen Anschlußpflicht grundsätzlich unabhängig davon gegeben, ob die Liegenschaft an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen ist oder nicht. Die belangte Behörde weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0100, hin. Die rechtskräftige Erlassung des Bescheides betreffend die Anschlußverpflichtung wird auch von der Beschwerdeführerin außer Streit gestellt. Gemäß § 4 Abs. 1 Kanalgesetz 1988, LGBl. Nr. 79, sind die Eigentümer von bebauten Grundstücken in Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben werden, verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die näheren in § 4 genannten Voraussetzungen vorliegen und keine gesetzliche Ausnahme eingreift. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf Bauwerke desselben Grundstückseigentümers, die mit dem anschlußpflichtigen Bauwerk in unmittelbarer baulicher Verbindung stehen oder ihm eng benachbart sind und wenn Schmutz- oder Regenwässer anfallen (Hof- und sonstige Nebengebäude). Die Anschlußverpflichtung hinsichtlich der auf dem Grundstück befindlichen Bauwerke (Nebengebäude) wurde mit dem eingangs genannten Bescheid vom ausgesprochen. Dieser Bescheid ist - auch nach den Beschwerdeausführungen - in Rechtskraft erwachsen. Es besteht daher umso weniger Veranlassung, bei der Berechnung des Kanalisationsbeitrages gemäß § 4 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955 das Nebengebäude der Beschwerdeführerin, auf welches sich auch die Anschlußpflicht erstreckt, - entgegen dem Wortlaut - nicht in die Berechnung miteinzubeziehen (weil ein Anschluß noch nicht erfolgt sei).

Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Da dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde zu erkennen ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.