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VwGH vom 28.02.1995, 95/14/0016

VwGH vom 28.02.1995, 95/14/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl 30.939-3/94, betreffend Einkommensteuer 1987 und 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein die Rechtsfrage strittig, ob Aufwendungen des Beschwerdeführers, welche letztlich aus einer schlagend gewordenen Bürgschaftserklärung über S 500.000,-- für einen Kredit seines Bruders entstanden sind, als außergewöhnliche Belastung anzusehen sind. Zur Abgabe der Bürgschaftserklärung am habe sich der Beschwerdeführer verpflichtet gesehen, weil in diesem Jahr nach Abschluß des ersten Bauabschnittes einer im Jahr 1979 begonnenen Errichtung eines Gästehauses festgestellt worden sei, daß eine rentable Betriebsführung nicht möglich sei. Es sei daher die Ausführung eines zweiten Bauabschnittes durch Ausbau und Einrichtung weiterer Gästezimmer erforderlich gewesen. In dem ohne Bürgschaft drohenden unterbleiben der Ausführung des zweiten Bauabschnittes sei eine existenzbedrohende Notlage des Bruders des Beschwerdeführers gelegen gewesen.

In dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß sich der Bruder des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung des Beschwerdeführers in keiner existenzbedrohenden Notlage befunden habe. Nach den Akten des im Jahr 1986 abgewickelten Zwangsversteigerungsverfahrens seien dem Bruder des Beschwerdeführers im August 1981 und im November 1981 Kredite von über 4 Mio Schilling zugezählt worden, deren Tilgung ab Februar bzw April 1982 beginnen sollte. Zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme habe daher keine Rückzahlungsverpflichtung bestanden und die Behauptung einer Existenzbedrohung durch ein Insolvenzverfahren sei nicht nachgewiesen worden. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer durch die Bürgschaftsübernahme in einem Ausmaß verschuldet, welches zu seinem Einkommen und Vermögen nicht im Verhältnis stehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1972 werden auf Antrag außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Außergewöhnlich ist eine Belastung, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (§ 34 Abs 2 leg cit). Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs 3 leg cit).

Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um Zahlungen aus Anlaß eingegangener Bürgschaften, so muß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zwangsläufigkeit schon für das Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung gegeben gewesen sein (vgl etwa das hg Erkenntis vom , 90/14/0063). Der Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich der strittigen Frage in ständiger Rechsprechung folgendes ausgeführt:

1. Es ist erforderlich, daß der Steuerpflichtige glaubt, durch die Übernahme von Bürgschaften eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können.

2. Eine existenzbedrohende Notlage liegt nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können.

3. Die besicherten Kredite dürfen nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln.

4. Es besteht keine sittliche Verpflichtung eines Steuerpflichtigen zur Übernahme von Bürgschaften für Schulden, die ein naher Angehöriger ohne besondere Notwendigkeit eingegangen ist.

5. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme von Bürgschaften nicht entziehen kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, daß das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten.

Der Beschwerdeführer bezeichnet nach Wiedergabe der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach sein Bruder im August 1981 vom Kreditinstitut A und im November 1981 vom Kreditinstitut B Kredite von über 4 Mio Schilling erhalten habe, und nach Wiedergabe des Datums des Bürgschaftsvertrages mit dem Kreditinstitut A mit die Ansicht der belangten Behörde als "schlichtweg falsch", daß sich sein Bruder in keiner existenzbedrohenden Notlage befunden habe. Er begründet dies jedoch nur allgemein damit, daß zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme der Rohbau und der Ausbau des Parterre und des ersten Stockes fertiggestellt gewesen sei. Durch die unerwarteten Baukosten habe sein Bruder für den Ausbau des zweiten Stockes und des Dachgeschoßes weitere Kredite benötigt. Auf den Umstand, daß sein Bruder solche Kredite von zwei verschiedenen Kreditinstituten im August und November 1981, somit VOR Abschluß des Bürgschaftsvertrages erhalten hat, geht der Beschwerdeführer ebensowenig ein, wie auf die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, daß im Jahr 1981 hinsichtlich dieser Kredite noch KEINE Rückzahlungen fällig waren. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, daß der Bürgschaftsvertrag Voraussetzung dafür gewesen sei, daß sein Bruder vom Kreditinstitut A einen Kredit bekommt, legt aber substantiiert nicht dar, welches Schicksal der Kredit vom August 1981 des Kreditinstitutes A erfahren hätte, wenn die Bürgschaftserklärung im Dezember 1981 nicht abgegeben worden wäre. Hinsichtlich des Kredites des Kreditinstitutes B, fehlt überhaupt jeder Bezug zu der Bürgschaftserklärung gegenüber dem Kreditinstitut A.

Der Gerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, inwiefern - vorerst abgesehen von der Frage, ob zum überhaupt eine existenzbedrohende Notlage vorlag - eine solche allenfalls existenzbedrohende Notlage durch Abgabe der Bürgschaftsverpflichtung abgewendet werden hätte können. Die Beschwerdeausführungen sind aber auch nicht geeignet, die Ansicht der belangten Behörde, der Bruder des Beschwerdeführers hätte sich zum in keiner existenzbedrohenden Notlage befunden, als verfehlt erscheinen zu lassen. Die Beschwerdebehauptung, "die Bank" hätte für den Fall, daß der Beschwerdeführer die Bürgschaft nicht übernommen hätte, "sofort" einen Konkursantrag gestellt, ist unter Berücksichtigung des Umstandes, daß unbestritten im August und November 1981 Kredite im Ausmaß von über 4 Mio Schilling eingeräumt wurden und im Jahre 1981 - ebenso unbestritten - noch keinerlei Rückzahlung fällig war, nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde entgegen den Beschwerdeausführungen in keiner Weise behauptet hat, daß "das Insolvenzverfahren am beantragt" worden sei. Mit der diesbezüglichen Annahme hat der Beschwerdeführer offenbar die gerade das Gegenteil ausdrückenden Ausführungen der belangten Behörde mißverstanden, wonach die Behauptung (des Beschwerdeführers), die "Sparkasse hätte das Insolvenzverfahren beantragt (), nicht belegt werden konnte".

Da die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgehen durfte, daß eine existenzbedrohende Notlage des Bruders des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht vorlag, somit schon deswegen von einer Zwangsläufigkeit der strittigen Aufwendungen im Sinn des § 34 EStG 1972 nicht gesprochen werden kann, erübrigt sich ein Eingehen auf die Beschwerdebehauptung, daß die Bürgschaftsübernahme durchaus im Verhältnis zum Einkommen und (Liegenschafts-)Vermögen des Beschwerdeführers gestanden sei.

Auch die Beurteilung der Frage, ob eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Bürgschaft für einen Bankkredit bestand, welcher dem Bruder des Beschwerdeführers die Fertigstellung und Eröffnung des Betriebes des Gästehauses ermöglichen sollte, kann dahinstehen. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen, wonach die "Notlage" des Bruders deswegen herbeigeführt worden sei, weil die Schätzungen der Baukosten falsch gewesen seien und für den restlichen Ausbau des Gebäudes kein Geld mehr zur Verfügung gestanden sei, erweisen sich nämlich unter Berücksichtigung der unbestritten vor der Übernahme der Bürgschaft erhaltenen Kredite, welche überdies den Betrag, für welchen die Bürgschaft übernommen wurde, mehrfach überstiegen, als unrichtig.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es verabsäumt, angebotene Auskünfte über den nicht mehr vorhandenen Finanzierungsplan und die ebenfalls nicht mehr vorhandenen Rentabilitätsberechnungen einzuholen, ist abgesehen davon, daß die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde bei auf die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen gerichteten Verfahren in den Hintergrund tritt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 91/14/0139), zunächst darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde nicht bezweifelt hat, daß ein Finanzierungsplan und Rentabilitätsberechnungen, welche den "zweiten Bauabschnitt" erforderlich erscheinen ließen, ursprünglich vorlagen. Da solche Unterlagen aber nur die Notwendigkeit aufzeigen können, daß allenfalls mehr als ursprünglich geplante Mittel zur Fertigstellung des Gästehauses aufzuwenden waren, grundsätzlich aber nicht geeignet sind, eine existenzbedrohende Notlage nachzuweisen, kann der belangten Behörde auch deshalb nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente nicht ermittelt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.