VwGH vom 30.03.1998, 97/16/0501
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des SL, vertreten durch MMag. Dr. Peter Pescoller, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maximilianstraße 3/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. I-4693/1997, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrats der Landeshauptstadt Innsbruck vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der B GmbH zur Haftung für - in den Jahren 1990 und 1991 entstandene - Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von S 137.898,03 herangezogen.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde unter anderem die Auffassung vertreten, durch die Forderungsanmeldung im Konkurs der B GmbH sei der Lauf der Einhebungsverjährung nur gegenüber dem Hauptschuldner unterbrochen worden. Gegenüber dem Beschwerdeführer sei die Abgabenbehörde erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist tätig geworden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde unter anderem die Auffassung, die Anmeldung der Abgabenforderungen im Konkurs der B GmbH vom habe die Einhebungsverjährung unterbrochen. Die Verjährung habe von neuem mit Ablauf des Tages zu laufen begonnen, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist. Diese Art der Unterbrechung bewirke die rechtiche Bedeutungslosigkeit der bis zur Anmeldung verstrichenen Frist und den Beginn eines neuen Fristenlaufes ab Beschluß über die Aufhebung des Konkurses. Mit der in der konkreten Rechtssache nach Abschluß des Insolvenzverfahrens erfolgten Heranziehung zur Haftung werde für den Haftungspflichtigen eine eigene Fälligkeit begründet, von der ausgehend die Einhebungsverjährungsfrist zu laufen beginne.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch in seinen Rechten verletzt, daß er nicht sofort nach Konkurseröffnung zur Haftung herangezogen worden ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Entrichtung der offenen Abgaben noch möglich gewesen wäre.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 186 Abs. 1 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984, verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Die im Beschwerdefall erfolgte Inanspruchnahme persönlich Haftender durch einen Haftungsbescheid (hier i.S.d. § 172 TirLAO) stellt nach ständiger Rechtsprechung eine Einhebungsmaßnahme dar. Sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung i.S.d. § 186 TirLAO nicht eingetreten ist.
Die belangte Behörde vertritt hinsichtlich der Verjährungsfrage im wesentlichen die Auffassung, die Erlassung eines Haftungsbescheides sei erst mit Abschluß des Konkursverfahrens rechtlich zulässig, sodaß erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist beginne. Mit dieser Auffassung verkennt die belangte Behörde aber die Rechtslage:
Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, daß der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0173, - in welchem Beschwerdefall die Frage der Verjährung keine Bedeutung hatte - ausgesprochen hat, es entspreche dem Gesetz, wenn die belangte Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis über das Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat. Aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses könne nicht zwingend auf die gänzliche Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Primärschuldner geschlossen werden. Dies bedeutet aber nicht, daß nicht aus anderen Gründen auf die gänzliche Uneinbringlichkeit der Abgaben geschlossen werden kann. Es ist auch nicht ausgeschlossen, während des offenen Insolvenzverfahrens durch entsprechende Erhebungen eine Sachverhaltsfeststellung dahin zu treffen, daß die Abgaben zu einem bestimmten Anteil (jedenfalls) uneinbringlich sind.
Die Auffassung aber, daß die Einhebungsverjährung gegenüber dem Vertreter i.S.d. §§ 60 ff TirLAO erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des über das Vermögen des Vertretenen geführten Konkursverfahrens beginnt, steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Daß die Einhebungsverjährung als solche für Steuerschuldner und Haftungspflichtige einheitlich zu betrachten ist, kann dabei insbesondere dem zur BAO ergangenen Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zlen. 91/13/0037, 0038, entnommen werden.
Da somit im Zeitpunkt der Erlassung des (erstinstanzlichen) Haftungsbescheides die Einhebungsverjährung der in Rede stehenden Abgabenschuldigkeit bereits eingetreten ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, waren im angesprochenen Ausmaß zuzuerkennen.