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VwGH vom 28.06.2001, 2001/11/0134

VwGH vom 28.06.2001, 2001/11/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. VI-30, betreffend Ladungsbescheid in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einer Strafanzeige des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom wurde der Beschwerdeführer als verdächtig bezeichnet, im "Zeitraum 1998 bis Dezember 1999" gemeinsam mit A. und M. eine unbekannte Menge Kokain konsumiert zu haben, überdies im "Zeitraum 1996 bis Herbst 1999" eine unbekannte Menge Cannabiskraut konsumiert zu haben. Als Beweismittel werden in der Anzeige niederschriftliche Aussagen von A. und M. angeführt. Der Beschwerdeführer sei am telefonisch zur Einvernahme vorgeladen worden, sein Rechtsvertreter habe jedoch mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer den Einvernahmetermin nicht einhalten werde. Beigeschlossen sind der Anzeige die mit A. und M. aufgenommenen Niederschriften.

A. gab in der Niederschrift an, den Beschwerdeführer bereits seit "ca. 1996/1997" zu kennen, der Beschwerdeführer habe "damals Cannabis geraucht". Im Jahr 1998 sei es gemeinsam mit dem Beschwerdeführer zu Kokainkonsum gekommen. Der letzte gemeinsame Konsum habe "im Dezember 1999" stattgefunden. Zwar habe auch im Jahr 2000 noch Kontakt zum Beschwerdeführer bestanden, A. habe aber mit dem Beschwerdeführer kein Suchtgift mehr zusammen konsumiert.

M. gab in seiner Einvernahme an, im Herbst 1999 vom Beschwerdeführer Kokain geschenkt erhalten zu haben und gemeinsam mit ihm "eine Nase Kokain konsumiert" zu haben.

Die Anzeige langte am bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz ein.

Unter Verwendung des Formulars 2 zu § 19 AVG (Ladungsbescheid an Beteiligte) erging daraufhin ein mit datierter Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz an den Beschwerdeführer. Als von der Behörde zu bearbeitende Angelegenheit, an der der Beschwerdeführer beteiligt sei, ist "Verdacht des Vergehens gemäß § 12 Suchtmittelgesetz" angeführt. Angekreuzt ist schließlich diejenige Rubrik, wonach es notwendig sei, dass der Beschwerdeführer persönlich zur Behörde komme. Die Ladung erfolgte für den um 10.30 Uhr. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die zwangsweise Vorführung angedroht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Im vorliegenden Fall sei auf Grund der am bei der Behörde eingegangenen Strafanzeige die Annahme gerechtfertigt gewesen, der Beschwerdeführer missbrauche Suchtgift, wie dies im § 12 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes (SMG) als Voraussetzung umschrieben sei. Es möge zwar zutreffen, dass der Cannabis- und Kokain-Konsum auf Grund der Anzeige bereits länger als 15 Monate zurückgelegen habe. Einerseits habe die Gesundheitsbehörde jedoch erst im Zuge der Strafanzeige im Februar dieses Jahres davon erfahren, andererseits sei es gerade auch Zielsetzung der amtsärztlichen Begutachtung, den tatsächlichen Bedarf an gesundheitsbezogenen Maßnahmen für den Betroffenen abzuklären.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, lauten (auszugsweise):

"2. Abschnitt

Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmissbrauch

§ 11. (1) Personen, die wegen Suchtgiftmissbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar

aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. ... .

(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind


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1.
die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands,
2.
die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,
3.
die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,
4.
die Psychotherapie sowie
5.
die psychosoziale Beratung und Betreuung
durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen.
...

§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine Person Suchtgift missbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammen zu arbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.

(2) Ergibt die Begutachtung, dass eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, dass sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar

aussichtslosen Maßnahmen unterzieht. ... .

...

§ 14. (1) Steht eine Person, die Suchtgift missbraucht, im Verdacht, eine nach § 27 Abs. 1 mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die Person den notwendigen, zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 nicht unterzieht.

... .

(2) Die Sicherheitsbehörden haben der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer nach den §§ 27 oder 28 mit Strafe bedrohten Handlung an die Staatsanwaltschaft erstatteten Anzeigen unverzüglich mitzuteilen."

§ 19 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen

nötig ist, vorzuladen. ... .

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung von Zwangsstrafen für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um einen Ladungsbescheid im Sinn des § 19 AVG handelt. Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig, weshalb die vorliegende Beschwerde zulässig ist.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zwar ist der belangten Behörde einzuräumen, dass die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0326), grundsätzlich der Behörde obliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters im Zusammenhang mit der Vorgängerbestimmung des § 12 SMG, nämlich § 9 des Suchtgiftgesetzes, die Auffassung vertreten, dass dann, wenn der Verdacht gegeben sei, eine Person missbrauche Suchtgift, im Hinblick auf allenfalls zu setzende ärztliche Maßnahmen Raschheit geboten sei. Im Regelfall könne daher nicht gesagt werden, dass es gleichgültig sei, ob der Betreffende früher oder später bei der Behörde erscheine, weshalb der Behörde eine Überschreitung des Auswahlermessens hinsichtlich der Form der Ladung nicht vorzuwerfen sei, wenn sie sich für einen Ladungsbescheid entscheidet.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheides zur Verfolgung der im § 12 Abs. 1 SMG umschriebenen gesundheitspolizeilichen Zwecke ist freilich, dass bestimmte Tatsachen zur Annahme zwingen, dass "eine Person Suchtgift missbraucht", wobei im Hinblick auf den Regelungsgegenstand - ärztliche Begutachtung - als tatbestandsmäßig anzusehen ist, dass der Suchtgiftmissbrauch in der Person des Betreffenden selbst gelegen sein muss. Das Vorhandensein derartiger "bestimmter Tatsachen" muss im Zeitpunkt der Ladung (hier: im Zeitpunkt der Erlassung des Ladungsbescheides) gegeben sein (vgl. zu § 9 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/09/0071). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift ausschließlich auf die ihr offenbar gemäß § 14 Abs. 2 SMG zugegangene Strafanzeige. In dieser ist zwar, wie oben wiedergegeben, unter anderem von einem Suchtgiftkonsum des Beschwerdeführers die Rede, zuletzt freilich Ende 1999. Der vorgelegte Verwaltungsakt bietet ebenso wenig wie die Gegenschrift einen Hinweis darauf, dass der belangten Behörde auch Anhaltspunkte für einen späteren Suchtgiftkonsum des Beschwerdeführers vorgelegen wären. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestanden für die belangte Behörde daher - das Zutreffen der niederschriftlichen Angaben von A. und M bereits vorausgesetzt - Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bis Ende 1999 mehrere Male Suchtgift konsumiert hatte. Diese Faktenlage bot der belangten Behörde entgegen ihrer Auffassung keine ausreichende Grundlage, um annehmen zu müssen, der Beschwerdeführer missbrauche auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - oder kurze Zeit zurückliegend - Suchtgift, weil ein bereits 15 Monate zurückliegendes Konsumverhalten ohne hinzutretende Indizien den Schluss auf aktuellen Missbrauch nicht gestattet.

Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid auch nicht den Vorschriften des § 19 Abs. 2 AVG entspricht. Da § 12 SMG gar keine Vergehen regelt, ist auch die Angabe eines Verdachtes des Vergehens gemäß § 12 SMG, wie im Ladungsbescheid ausgewiesen, als Gegenstand der Amtshandlung völlig verfehlt. Die gewählte Ausdrucksweise macht nicht, wie es gesetzlich geboten ist, zweifelsfrei klar, dass der Behörde die Zuführung des Beschwerdeführers zu einer ärztlichen Begutachtung vorschwebte. Dies hätte aber in der Bezeichnung der Angelegenheit zum Ausdruck gebracht werden müssen (vgl. zur Verpflichtung der Behörde, im Ladungsbescheid den konkreten Gegenstand der Amtshandlung kurz und deutlich zu bezeichnen, die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2850/79, 290/80, und vom , Zl. 90/04/0309).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am