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VwGH vom 21.01.1998, 97/16/0418

VwGH vom 21.01.1998, 97/16/0418

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der HM in W, vertreten durch

Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 10 - 229/97, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz (im folgenden: Finanzamt) gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestand, daß sie vorsätzlich als abgabepflichtige Verkäuferin durch Unterlassen der Anzeige der Kaufvereinbarung vom mit Herrn K.L. betreffend die Liegenschaft EZ 364 KG Gersthof beim Finanzamt, die abgabenrechtliche Anzeige, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 152.250,-- (3,5 % von S 4,350.000,--) hinterzogen und somit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe. Das Finanzamt ging in seiner Begründung davon aus, daß am von der Beschwerdeführerin ein als Vereinbarung betiteltes Verkaufsanbot unterfertigt wurde, welches durch die am durch Setzung der Unterschrift vorgenommene Annahme seitens des K.L. zur rechtsverbindlichen und damit anzeigepflichtigen, grunderwerbsteuerpflichtigen Willenseinigung geworden war. Dieser Sachverhalt sei durch die am ergangene Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien rechtskräftig bestätigt worden. Da die Vereinbarung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist zur Anzeige gebracht worden sei, bestehe der Verdacht der vorsätzlichen Hinterziehung der Grunderwerbsteuer.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Administrativbeschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Sie ging dabei von nachstehendem Sachverhalt aus:

"Mit Schreiben vom hat die Beschwerdeführerin (Bf.) H M ihre Liegenschaft EZ 364 KG Gersthof, Haus in der W.Gasse 31, Herrn K. L. zum Kauf angeboten. Da der Genannte tatsächlich innerhalb der gesetzten Frist am dieses Angebot angenommen hatte, war dadurch eine bereits grunderwerbsteuerpflichtige und somit auch anzeigepflichtige Kaufvereinbarung in Optionsform verwirklicht worden.

Da die durch Setzen ihrer Unterschrift im Anbot bereits rechtlich verpflichtete Bf. sich jedoch plötzlich nicht mehr bereit finden wollte, diese Vereinbarung einzuhalten, vielmehr gegenständliche Liegenschaft zwischenzeitig an einen anderen Interessenten mittels rechtsförmlichen Kaufvertrages (BRP 37.439/90), welcher auch dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigt worden war, weiterverkauft hatte, sah sich K. L., der am bezüglich dieses Sachverhaltes Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern erstattete, genötigt, die Zuhaltung des Kaufvertrages beim LG f. ZRS Wien einzuklagen.

Diesem Klagebegehren wurde letztendlich rechtskräftig mit Berufungsentscheidung vom des OLG f. ZRS Wien zur Zl. 31 Cg 45/90 voll inhaltlich Folge gegeben und damit der steuerpflichtige Sachverhalt bestätigt."

Unter Heranziehung des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, daß sich der steuerpflichtige Sachverhalt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht bestätigt habe. Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 Z. 2 GrEStG, nämlich der Rückggängigmachung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorganges aufgrund eines Rechtsanspruches, würde nur K.L. als kaufwilligem Gläubiger zustehen; letzterer habe einen Rücktritt vom Vertrag weder ausdrücklich noch schlüssig erklärt. Dieser Sachverhalt rechtfertige nach dem derzeitigen Verfahrensstand den Verdacht des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung, wobei es nicht darum gehe, die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens voweg zu nehmen. Ob die Verdächtige das Finanzverfahren tatsächlich begangen habe, bleibe dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens genauso wie die Prüfung der Frage vorbehalten, ob Vorsatz anzulasten sei. Da die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer langjährigen einschlägigen Berufserfahrung im Immobiliengeschäft und den notwendigerweise damit verbundenen ständigen Zugang zum Recht das Wissen um die Anzeigepflicht der gegenständlichen Option zweifelsfrei besessen habe, sei die Rechtsmittelbehörde nach Überprüfung der Aktenlage zur Ansicht gelangt, daß im Zeitpunkt der Einleitung und nach dem derzeitigen Verfahrensstand ein begründeter Verdacht der Abgabenhinterziehung vorliege, weshalb die Einleitung des Finanzstrafverfahrens zu Recht erfolgt sei.

Mit der vorliegenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, daß gegen sie ein Finanzstrafverfahren nicht eingeleitet werde, wenn kein hinreichender Verdacht dafür bestehe. Es wird die Aufhebung des bekämpften Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 bis 81 leg. cit. zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.

Ein solcher im Sinne des § 82 FinStrG erforderlicher Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinne des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, geht es nicht darum, schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen. Ob der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach dem §§ 114 f FinStrG vorbehalten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0287 m.w.N.).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Verdachtlage in bezug auf die objektive Tatseite. Es hätte aber geprüft werden müssen, ob die Beschwerdeführerin schuldhaft in der Form der Vorsätzlichkeit einen Kaufvertrag abgeschlossen habe und nicht zur Bemessung der Grunderwerbsteuer vorgelegt habe. Es sei ja keine schriftliche Urkunde errichtet worden, die Beschwerdeführerin habe die Liegenschaft an einen Dritten veräußert und in ihrem Verfahren gegen K.L. vorgebracht, daß ihrer Meinung nach kein Kaufabschluß zustandegekommen sei. Dazu legt die Beschwerdeführerin - erstmals mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, obwohl dies auch im Administrativverfahren noch möglich gewesen wäre - ein Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom vor, mit welchem (u.a.) ein dem Schadenersatzbegehren des K.L. gegen die Beschwerdeführerin stattgebendes Ersturteil aufgehoben worden war. Dort heißt es u.a.

"Ob grobes Verschulden der Beklagten im Hinblick auf die Nichteinhaltung des Vertrages mit dem Kläger vorliegt, wird erst nach Ergänzung des Beweisverfahrens zu beurteilen sein. Die bisherigen Feststellungen des Erstgerichtes erlauben keine abschließende Beurteilung des Anspruches des Klägers auf entgangenen Gewinn, weshalb das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, aus welchen Gründen der Vertrag vom Beklagten nicht eingehalten wurde und ob bei oder nach Vertragsabschluß mit dem Kläger Umstände vorlagen, die die Beklagte veranlassen konnten, am Zustandekommen eines Vertrages zu zweifeln oder sich nicht an diesen gebunden zu erachten."

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß sich der für die Einleitung erforderliche Verdacht sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken muß (siehe beispielsweise das oben genannte Erkenntnis vom . Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid aber sehr wohl begründet, warum sie auch diesen Verdacht für gegeben erachtet:

§ 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG stellt allein auf den Abschluß eines Kaufvertrages, nicht aber auf die Errichtung einer einverleibungsfähigen Urkunde ab. Zu prüfen war hier nur, ob der Verdacht besteht, daß sich die Beschwerdeführerin der erforderlichen Merkmale - und insbesondere der nichterforderlichen Merkmale - eines Erwerbsvorganges im Sinne dieses Gesetzes bewußt war; es kann nun der belangten Behörde darin nicht entgegentreten werden, daß sie im Hinblick auf die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Realitätenvermittlerin den Verdacht eines derartigen Bewußtseins bejahte.

Das zuletzt genannte Urteil des Oberlandesgerichtes Wien entfaltet selbstverständlich keinerlei Bindungswirkung für die Frage, ob ein Strafverfahren einzuleiten ist oder nicht. Allein der Umstand, daß das Gericht zweiter Instanz im Gegensatz zum Erstgericht die Verschuldensfrage hinsichtlich des Begehrens auf entgangenen Gewinn als erörterungsbedürftig ansah, entkräftet den Verdacht, die Beschwerdeführerin sei sich der Anzeigepflicht bewußt gewesen, keineswegs.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.