VwGH vom 09.09.1993, 92/16/0043
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , Zl. GA 11-445/91, betreffend die Aufhebung eines die Wiederaufnahme eines Schenkungs- und Grunderwerbsteuerverfahrens verfügenden Bescheides durch die Oberbehörde im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom , BRP 43.695/89, BAP 89/012.363-0, gemäß § 299 Abs. 2 BAO in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes auf. Mit dem aufgehobenen Bescheid hatte das Finanzamt gemäß § 303 Abs. 4 BAO von Amts wegen das Verfahren über den zwischen der am 24. Februar 1899 geborenen H als Geschenkgeberin und dem Beschwerdeführer als Geschenknehmer am abgeschlossenen Schenkungsvertrag betreffend die Liegenschaften EZ 2152 Grundbuch L und EZ 1436 Grundbuch X, wieder aufgenommen. Die betreffende Schenkung war einerseits unter der Auflage eines unbeschränkten, unentgeltlichen Wohnungs- und Fruchtgenußrechtes an beiden Liegenschaften für die Geschenkgeberin auf Lebenszeit und anderseits mit der Maßgabe vorgenommen worden, daß sämtliche Einkünfte aus der Vermietung der Liegenschaft EZ 2152 Grundbuch L der Geschenkgeberin zustehen (Pkte. IX bzw. VI des Schenkungsvertrages).
Der Beschwerdeführer hatte diese Gegenleistungen an die Geschenkgeberin in seiner Abgabenerklärung vom mit insg. S 25.729,54 bewertet ("Mietzinsabtretung im Jahr insg. S 13.729,54; Fruchtgenußrecht gemäß § 16 BewG 1000 x 12"). Ausgehend davon waren ursprünglich mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer und die Schenkungssteuer vorgeschrieben worden.
Im Berufungsverfahren über eine weitere Schenkung zwischen denselben Vertragsparteien (diesmals betreffend ein Kraftfahrzeug) hatte der Beschwerdeführer als Geschenknehmer dann aber in zwei Eingaben vom 3. Jänner und geltend gemacht, die seinerzeit im Zuge der ersten Schenkung vereinbarten Gegenleistungen seien wegen Überschreitens der ursprünglich (mit voraussichtlich einem Jahr) angenommenen Lebenserwartung der Geschenkgeberin, welche sich in bestem Gesundheitszustand befinde, abzuändern und neu zu berechnen. Für die Wohnrechte der Geschenkgeberin auf den Liegenschaften sei ein Nutzwert von monatlich je S 10.000,-- zu berücksichtigen und seien der Geschenkgeberin an Mieteinnahmen aus der Liegenschaft EZ 2152 Grundbuch Leopoldstadt S 51.000,-- zugeflossen. Daraus ergebe sich ein Gesamtwert der Gegenleistungen von 2 x S 120.000,-- und S 51.000,-- insgesamt also von S 291.000,--.
Während das Finanzamt deshalb die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme für gegeben erachtete und die Grunderwerbsteuer ausgehend von einer Gegenleistung von S 291.000,-- sowie die Schenkungssteuer von einer entsprechend verringerten Bemessungsgrundlage festsetzte, vertritt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtsauffassung, der Umstand, daß die Geschenkgeberin ihre ursprünglich angenommene Lebenserwartung überschritten habe, bilde keine Grundlage für die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO. Als Tatsache im Sinne dieser Bestimmung könne nur ein solcher Umstand angesehen werden, der ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens im Zusammenhang stehe, nicht aber neue Erkenntnisse in bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen. Das Finanzamt habe der Bemessung ursprünglich jene Werte zugrunde gelegt, die nach den unzweifelhaften Angaben der Vertragsparteien erklärt worden seien. Die nachteiligen Folgen einer früheren allenfalls unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offengelegt gewesenen Sachverhaltes könnten nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme beseitigt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, daß der aufgehobene Bescheid vom weiterhin dem Rechtsbestand angehört.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 299 Abs. 2 BAO bestimmt, daß in Ausübung des Aufsichtsrechtes ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden kann.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 16 Abs. 1 BewG bestimmt sich der Wert von Renten und anderen auf die Lebenszeit einer Person beschränkten Nutzungen und Leistungen nach dem Lebensalter dieser Person.
Gemäß Abs. 2 Z. 12 der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist als Wert bei einem Alter von mehr als 80 Jahren das Einfache des Wertes der einjährigen Nutzung anzunehmen.
Gemäß Abs. 5 Satz 2 leg. cit. kann der Ansatz eines geringeren oder höheren Wertes nicht darauf gestützt werden, daß mit einer kürzeren oder längeren Lebensdauer zu rechnen ist als derjenigen, die den Vervielfachungszahlen des Abs. 2 zugrundeliegt.
Den Ausführungen der Beschwerde, die sich in der Hauptsache darauf stützen, dem Beschwerdeführer sei bei seiner Abgabenerklärung vom und der von ihm damals mit S 13.729,54 vorgenommenen Bewertung der Mietzinsabtretung an die Geschenkgeberin nur die Mietzinsabrechnung für das Jahr 1987 vorgelegen, tatsächlich habe aber diese Mietzinsabtretung schon zur Zeit des Schenkungssteuerverfahrens einen Wert von über S 51.000,-- dargestellt, was dem Beschwerdeführer aber mangels Vorliegens der Hausverwaltungsabrechnungen für 1988 und 1989 damals noch nicht bekannt gewesen sei, ist folgendes zu entgegnen: Da der Beschwerdeführer in seinen Eingaben vom 3. Jänner und (Berufung und Berufungsergänzung im Berufungsverfahren über die Schenkungssteuer betreffend die Schenkung eines Kraftfahrzeuges) gerade den jetzt behaupteten Umstand, ihm seien ursprünglich die Hausverwaltungsabrechnungen für 1988 bzw. 1989 noch nicht bekannt gewesen, nicht geltend gemacht hat, sondern sich betreffend die Berücksichtigung von Belastungen in der Höhe von insgesamt S 291.000,-- ganz ausdrücklich nur auf das Argument der Überschreitung der ursprünglich mit einem Jahr angenommenen Lebensdauer der Geschenkgeberin stützte, konnte das Finanzamt bei seinem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid vom keinesfalls davon ausgehen, es seien Tatsachen oder Beweismittel i.S. des § 303 Abs. 4 BAO neu hervorgekommen. Die diesbezüglich jetzt in der Beschwerdeschrift erstmals vorgetragenen Argumente stellen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen dar.
Insoweit der Beschwerdeführer darüber hinaus vermeint, die vom Finanzamt vorgenommene Wiederaufnahme sei auch "auf § 16 Abs. 5 BewG gesetzeskonform gestützt" worden, ist er darauf hinzuweisen, daß die Anwendung der Kapitalisierungsfaktoren des § 16 Abs. 2 BewG vom Gesetz aus Vereinfachungsgründen bindend vorgesehen ist (vgl. i.d.S. z.B. Twaroch-Frühwald-Wittmann, Kommentar zum BewG2 I 112) und daß sich aus der insoweit klaren Regelung des § 16 Abs. 5 Satz 2 leg. cit. eindeutig ergibt, daß nicht einmal dann, wenn eine allenfalls längere Lebensdauer des Nutzungsberechtigten schon vorhersehbar ist, ein höherer Wert angesetzt werden darf. Umsoweniger ist es daher zulässig, eine solche Korrektur später im Wege des Wiederaufnahmeverfahrens vorzunehmen, wobei gar nicht mehr zu prüfen ist, ob die Tatsache einer längeren Lebensdauer der nutzungsberechtigten Person überhaupt eine neu hervorgekommene Tatsache i.S. des § 303 Abs. 4 BAO darstellen kann.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das Finanzamt, indem es nur dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Eingaben vom 3. Jänner und folgend von Amts wegen eine Wiederaufnahme vorgenommen hat, seinen Wiederaufnahmsbescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastete, was die belangte Behörde zum Vorgehen gemäß § 299 Abs. 2 BAO berechtigte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.