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VwGH vom 19.02.1998, 97/16/0400

VwGH vom 19.02.1998, 97/16/0400

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der E e.V. in Kassel, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien IX, Prechtlgasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-1007/1/94, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, ob der Beschwerdeführerin (die ein im Vereinsregister des Amtsgerichtes Kassel unter der Nr. 1605 eingetragener Verein ist, der nach Punkt I § 3 seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und kirchliche Zwecke verfolgt) betreffend ein ihr von der am verstorbenen Anna Lanz zugewendetes Legat der begünstigte Steuersatz von 5 v.H. gemäß § 8 Abs. 3 ErbStG (idF vor der Nov BGBl. 694/1993) zukommt oder nicht.

Die belangte Behörde vertritt dazu (in Bestätigung des Bescheides des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom ) die Auffassung, daß der Beschwerdeführerin zwar gemäß Art. 2 Abs. 2 des Vertrages vom zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 249/1955, die Gleichstellung mit inländischen juristischen Personen zukomme, daß aber der Anwendung der Steuerbegünstigung § 34 Abs. 1 BAO entgegenstehe, weil die Beschwerdeführerin nicht ausschließlich und unmittelbar der Förderung der in der zitierten Gesetzesstelle genannten Zwecke zumindest überwiegend im Bundesgebiet diene.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes von 5 % verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 5 Z. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern, BGBl. 220/1955, lautet:

"2. Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz, so wird das Nachlaßvermögen nur in dem Staate besteuert, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Erblassers bestanden (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht festzustellen ist, werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten sich nach Art. 10 verständigen."

Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, daß die Erblasserin (die über Wohnsitze sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland verfügte) zur Zeit ihres Todes den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Wien hatte.

Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BGBl. 249/1955, bestimmt in seinem Art. 2 Abs. 2 folgendes:

"(2) Juristische Personen sowie Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und sonstige Zweckvermögen, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, aber als solche einer Abgabenpflicht unterliegen, genießen, sofern sie in dem Gebiete des einen Staates ihren Sitz haben und nach dessen Gesetzen errichtet sind, in dem Gebiete des anderen Staates die gleiche steuerliche Behandlung und den gleichen Rechtsschutz wie die entsprechenden eigenen Steuerplichtigen dieses anderen Staates.

Daraus folgt, daß die Beschwerdeführerin als eine juristische Person, die nach dem Rechte der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurde und ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, in Österreich die gleiche steuerliche Behandlung und den gleichen Rechtsschutz genießt, wie eine österreichische juristische Person. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin angestrebten Steuerbegünstigung kommt es daher allein darauf an, unter welchen Voraussetzungen eine österreichische juristische Person den begünstigten Steuersatz in Anspruch zu nehmen berechtigt ist.

Diesbezüglich bestimmt § 34 Abs. 1 BAO in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor dem AbgÄG 1997, BGBl. I 1998/9 folgendes:

"(1) Die Begünstigungen, die bei Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, sind an die Voraussetzungen geknüpft, daß die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, der die Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke zumindest überwiegend im Bundesgebiet dient. Das Erfordernis der zumindest überwiegenden Förderung im Bundesgebiet entfällt für Entwicklungshilfe (§ 1 Abs. 1 Entwicklungshilfegesetz BGBl. Nr. 474/1974)."

Daraus folgt, daß auch einer österreichischen juristischen Person betreffend die Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke der begünstigte Steuersatz gemäß § 8 Abs. 3 ErbStG nur dann zusteht, wenn sie iS des § 34 Abs. 1 BAO (abgesehen von dem hier nicht in Frage kommenden Fall der Entwicklungshilfe) ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke zumindest überwiegend im Bundesgebiet dient. Die Förderung der begünstigten Zwecke muß sich durch entsprechendes Wirken zum überwiegenden Teil im Inland (also in Österreich) vollziehen (sog. Territorialitätsprinzip; vgl. Stoll, BAO-Kommentar 441 unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/14/0177; weiters Ritz, BAO-Kommentar Rz 5 und 6 zu § 34 BAO mwN).

Da die Beschwerdeführerin keinerlei Vorbringen dahin erstattet hat, dieser Voraussetzung gerecht zu werden, kann sie allein aus Art. 2 Abs. 2 des Vertrages BGBl. 249/1955 in Ermangelung der besonderen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BAO noch nicht die Anwendung des angestrebten begünstigten Steuersatzes erlangen, weil auch einer vergleichbaren österreichischen juristischen Person, deren Wirken sich nicht zum überwiegenden Teil in Österreich vollzöge, die in Rede stehende Begünstigung nicht zustünde.

Insoweit die Beschwerde mit dem Prinzip der Niederlassungsfreiheit (gemäß Art. 52 EGVG) argumentiert und auf strikter Inländergleichbehandlung besteht, ist ihr entgegenzuhalten, daß sich der sachliche Anwendungsbereich des Art. 52 EGV auf die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen bezieht, worunter man die Gründung und den Betrieb von Haupt- und Nebenniederlassungen zum Zwecke der Erwerbstätigkeit versteht (vgl. dazu z.B. Erhard in Lenz, EG-Vertrag, Kommentar Rz 2 zu Art. 52 EGV mwN).

Da die Beschwerdeführerin mit keinem Wort andeutet, inwieweit sie durch die Verweigerung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 8 Abs. 3 ErbStG in einem allfälligen Beginnen einer selbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich diskriminiert wäre, geht das gemeinschaftsrechtliche Argument der Beschwerde von vornherein ins Leere. Dazu kommt noch, daß sich im vorliegenden Fall der abgabenrechtliche Sachverhalt vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften verwirklicht hat.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in jeder Richtung als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.