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VwGH vom 09.09.1993, 92/16/0028

VwGH vom 09.09.1993, 92/16/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde

1) des HR und 2) des RR, beide in S, beide vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg vom , Zl. Jv 4417-33/91-2, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer (Vermieter eines Geschäftslokales) führten als Kläger beim BG Salzburg gegen ihre Mieterin ein auf § 1118 ABGB gestütztes Räumungsverfahren. Die Klage war auf die Behauptung gestützt, die Mieterin betreibe im Bestandobjekt nicht nur (wie vereinbart) einen Textilhandel, sondern vertragswidrig (und eine KG der beiden Beschwerdeführer konkurrenzierend) auch einen Handel mit Haus- und Küchengeräten, Glas, Porzellan und Keramikwaren sowie Elektrogeräten. Anläßlich der Klagserhebung war an Gerichtsgebühren ein Betrag von S 450,-- entrichtet worden (TP 1 unter Zugrundelegung des § 16 Z. 1 lit. b GGG).

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom schlossen die Streitparteien folgenden Vergleich:

"Die Beklagte verpflichtet sich spätestens ab gegenüber Klägerin zur ungeteilten Hand in den Bestandsräumlichkeiten Salzburg G-Gasse 7 und in den durch dieses Haus erreichbaren Räumen des Hauses G-Gasse 5 keine Waren auszustellen bzw. zu verkaufen, die mit den Begriffen Elektrogeräte, Gläser, Geschirr, Bestecke und sonstige Haus und Küchengeräte erfaßt sind (siehe Urteil BG Salzburg hins. Warenbezeichnung). Die Beklagte verpflichtet gegenüber den Klägern zur ungeteilten Hand zu einem täglichen Pönale von S 5.000,-- für den allfälligen weiteren Verstoß gegen Vergleich ab ".

Gegen den daraufhin vom Kostenbeamten erlassenen Zahlungsauftrag (womit ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 18,260.000,-- unter Berücksichtigung einer Einhebungsgebühr von S 50,-- gemäß § 6 GEG und abzüglich der bereits entrichteten Summe von S 450,-- an Gerichtsgebühren S 187.400,-- vorgeschrieben wurden) begehrten die Beschwerdeführer Berichtigung, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom sei Ruhen des Verfahrens vereinbart worden, für einen Räumungsstreit könne der Betrag von S 18,260.000,-- nie Bemessungsgrundlage sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge und vertrat dazu die Auffassung, der Kostenbeamte habe für die im Vergleich begründete Unterlassungsverpflichtung ohnehin statt einer Bemessungsgrundlage von S 30.000,-- nur eine solche von S 10.000,-- herangezogen. Hinsichtlich der im Wege des Vergleiches vom begründeten Pönaleverpflichtung sei es richtig gewesen, von einer Bemessungsgrundlage von S 18,250.000,-- auszugehen, weil ab der Protokollierung des Vergleiches mit einem Wert, der das Klagebegehren überstieg, eine zusätzliche Gebührenpflicht entstanden sei (§ 18 Abs. 2 Z. 2 GGG i.V.m. § 2 Z. 1 lit. b leg. cit.). Die übernommene Pönaleverpflichtung sei zeitlich nicht begrenzt; ein sogenannter prätorischer Vergleich liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten insoweit verletzt, als die belangte Behörde "1. über einen Sachverhalt erkannte, der nicht Gegenstand des ursprünglichen Zahlungsbefehls war, 2. fälschlich erkannte, daß kein prätorischer Vergleich vorliegt, 3. die Gebührenpflicht des Vergleiches rechtswidrig gemäß § 2 Z. 1 lit. b GGG mit Beginn der Protokollierung als entstanden betrachtete und 4. die Bemessungsgrundlage falsch ermittelte".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 1 lit. b GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren, wenn das Klagebegehren erweitert wird, mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes begründet; wird das Klagebegehren erweitert, ohne daß vorher die Klagserweiterung mit einem Schriftsatz dem Gericht mitgeteilt worden ist, so entsteht eine allfällige zusätzliche Pauschalgebühr mit dem Beginn der Protokollierung.

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.

Gemäß Abs. 2 Z. 2 der zuletzt zitierten Gesetzesstelle tritt hievon eine Ausnahme ein, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder Gegenstand des Vergleichs eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt. Die Pauschalgebühr ist dann unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.

Gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG ermäßigt sich die Pauschalgebühr für prätorische Vergleiche (§ 433 ZPO) auf die Hälfte.

Insoweit die Beschwerdeführer meinen, die belangte Behörde habe über einen Sachverhalt erkannt, der nicht Gegenstand des Zahlungsauftrages des Kostenbeamten gewesen sei, verkennen sie den Unterschied zwischen dem Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom , ON 9 (womit der in dieser Streitverhandlung abgeschlossene Vergleich protokolliert wurde), und der Vergleichsausfertigung ON 10. Die Gebührenpflicht für die im vorliegenden Fall im Wege des Vergleiches vorgenommene Wertänderung, die gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG zu berücksichtigen ist, weil der Vergleich ja Leistungen enthält, die den Wert des ursprünglichen Räumungsbegehrens übersteigen, entstand gemäß der Bestimmung des § 2 Z. 1 lit. b, 2. Fall GGG mit dem Beginn der Protokollierung des Vergleiches. Der Umstand, daß der angefochtene Bescheid in seiner Begründung den Vergleich vom unter anderem auch mit der ON 10, nämlich der Vergleichsausfertigung, zitiert, vermag in diesem Zusammenhang an der Tatsache nichts zu ändern, daß der für die Entstehung der Gebührenpflicht relevante Vorgang die Protokollierung des Vergleichsabschlusses in der Streitverhandlung vom war. Die belangte Behörde hat daher keineswegs bescheidmäßig über eine Sache erkannt, die nicht Gegenstand des Zahlungsauftrages des Kostenbeamten war.

Zum Argument der Beschwerdeführer, es handle sich im vorliegenden Fall um einen sogenannten prätorischen Vergleich, ist folgendes zu sagen:

Gemäß § 433 Abs. 1 ZPO ist, wer eine Klage zu erheben beabsichtigt, berechtigt, vor deren Einbringung bei dem Bezirksgerichte des Wohnsitzes des Gegners dessen Ladung zum Zwecke des Vergleichsversuches zu beantragen. An Orten, an welchen mehrere Bezirksgerichte bestehen, kann eine solche Ladung außerdem an alle Personen ergehen, die an diesem Orte, wenngleich außerhalb des Sprengels des zuständigen Bezirksgerichtes, ihren Wohnsitz haben.

Der Sinn dieser Bestimmung liegt in der zweckmäßigen und wirkungsvollen Möglichkeit zur Verhinderung von Rechtsstreitigkeiten, indem den Parteien vor Einbringung einer Klage die Gelegenheit zur vereinfachten Streitschlichtung geboten wird (vgl. Fasching, Kommentar III Anm. 1 zu § 433 ZPO). Solche Vergleiche sind gebührenmäßig begünstigt, weil sich die Pauschalgebühr nach TP 1 auf die Hälfte ermäßigt (Anm. 2 zu TP 1 GGG).

Demgegenüber versteht man unter einem sogenannten Prozeßvergleich einen solchen, der im Zuge eines bereits laufenden Rechtsstreites zwischen den Parteien desselben zur gänzlichen oder teilweisen Beendigung des Verfahrens geschlossen wird (vgl. Fasching, Lehrbuch des Österreichischen Zivilprozeßrechtes2 Rz 1341), wobei Gegenstand eines solchen Vergleiches auch Umstände sein können, die im laufenden Verfahren noch nicht geltend gemacht waren (Fasching aaO. Rz 1346). Auch ein sogenannter "höherwertiger" Prozeßvergleich ist kein prätorischer Vergleich i.S. der §§ 433 ZPO bzw. 7 Abs. 1 Z. 1 GGG bzw. der Anm. 2 zu TP 1 GGG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0075).

Da nun im vorliegenden Fall zwischen den beiden Beschwerdeführern als Kläger und ihrer Mieterin bereits ein Rechtsstreit vor Gericht anhängig war, zu dessen Beendigung der Vergleich in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom abgeschlossen wurde, ist für eine Behandlung dieses Vergleiches als sogenannter prätorischer Vergleich gemäß § 433 Abs. 1 ZPO und damit für eine Anwendung des Ermäßigungstatbestandes von vornherein kein Raum gegeben.

Ausgehend davon, daß der abgeschlossene Prozeßvergleich gegenüber dem ursprünglichen Räumungsbegehren in Gestalt der in seinem Satz 1 normierten Unterlassungspflicht und der gemäß Satz 2 begründeten Verpflichtung zur Entrichtung einer Vertragsstrafe (wie oben schon betont) eine gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG zu berücksichtigende Wertänderung darstellt, die in ihrer Bedeutung einer Klagsausdehnung gleichgesetzt ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0075; weshalb es auf den von den Beschwerdeführern wiederholt betonten Umstand, das Klagebegehren nicht gemäß § 235 Abs. 1 ZPO erweitert zu haben, gar nicht mehr ankommt), können auch die restlichen Beschwerdeausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Die Beschwerdeführer versuchen darin nur, den Satz 2 des Vergleichstextes als sprachlich unvollkommen erscheinen zu lassen und damit ihre vergleichsweise Verpflichtung zur Pönalezahlung in Frage zu stellen. Dem ist zu entgegnen, daß der in Rede stehende Satz zwar einen Schreibfehler enthält in dem das Wort "sich" fehlt aber ungeachtet dessen durchaus verständlich ist und keinesfalls nur ein Fragment darstellt und daß es im übrigen für die Gebührenpflicht eines Vergleiches unerheblich ist, ob ein exekutionsfähiger Titel entstanden ist oder nicht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0226, sowie die bei Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4 unter E 2 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur). Es war daher nicht inhaltlich rechtswidrig, die in Satz 2 des Vergleiches begründete Verpflichtung zur Bezahlung eines täglichen Pönales von S 5.000,-- im Hinblick auf das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung mit einem Wert im Ausmaß des Zehnfachen der Jahresleistung (§ 58 Abs. 1 JN iVm § 14 GGG) zur Bemessungsgrundlage der Gebühr zu machen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0196 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Da den Verwaltungsakten keine Verfahrensfehler zu entnehmen waren, haftet dem angefochtenen Bescheid auch die geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht an. Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.