VwGH vom 21.12.2000, 97/16/0360
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. des G in F,
2. der G in D, beide vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg u. a., Rechtsanwälte in Wien III, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Leoben vom , Zl. Jv 2727-33/96-2, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer begehrten mit ihrer zu 8 Cg 61/93v beim Landesgericht Leoben protokollierten Klage gegen eine Aktiengesellschaft bestimmte bei der 7. ordentlichten Hauptversammlung dieser Aktiengesellschaft gefasste Beschlüsse für nichtig zu erklären. Sie gaben in ihrer Klage den Streitwert wie folgt an: "nach GGG nach RATG S 3,012.500,--". In einem vorbereiteten Schriftsatz bemängelte die Beklagte die Streitwertfestlegung durch die Kläger. Bezüglich des Hauptversammlungsbeschlusses betreffend die Entlastung des Vorstandes und betreffend eine Anpassung der Satzung müsse von einem Streitwert laut § 5 Z. 17 lit. d AHR von je S 2,500.000,-- ausgegangen werden. Hinsichtlich des Hauptversammlungsbeschlusses betreffend die Festlegung der Dividende sei ein Betrag von
S 2,812.500,-- anzunehmen. In der darauf folgenden Streitverhandlung berief sich der Beklagtenvertreter auf die Bestimmung des § 197 Abs. 6 AktG. Darauf verkündete der Richter folgenden Beschluss:
"1. Der Streitwert wird zu Punkt 1 festgesetzt, wie vom Kläger begehrt, mit S 2,812.500,--.
2. Zu Punkt Anfechtung der Beschlüsse je mit S 1,000.000,--, somit insgesamt mit S 4,812.500,--."
Dieser Streitwert bildete auch die Grundlage der Kostenentscheidungen in den folgenden Urteilen der 1., 2. und 3. Instanz (letzteres vom ).
Mit Zahlungsauftrag vom forderte der Kostenbeamte auf Basis des zuletzt genannten Streitwertes die Pauschalgebühr nach TP 1 und nach TP 2 und auf Basis der den Gegenstand der Revision der Kläger bildenden Dividendenfestlegung (S 2,812.500,--) die Pauschalgebühr nach TP 3 an. Die bereits entrichtete Pauschalgebühr (auf der Basis von S 60.000,--) wurde abgezogen, sodass ein Gesamtbetrag von S 209.860,-- (inklusive Einhebungsgebühr) gefordert wurde.
Im Berichtigungsantrag verwiesen die Beschwerdeführer darauf, dass nur eine Änderung nach § 7 RATG relevant wäre, ansonsten aber gemäß § 18 Abs. 1 GGG die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren, also auch bei einer Änderung gemäß § 197 Abs. 6 AktG, gleich bleibe. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall die Bewertung gemäß § 17 GGG durch die Kläger erfolgt. Die im Nachhinein erfolgte Neufestsetzung der Gerichtsgebühren finde im Gesetz keine Deckung und stelle eine unzumutbare Änderung der Rahmenbedingungen für die Klagsführung und damit eine Einschränkung der Rechtssicherheit dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Berichtigungsantrag keine Folge. Gemäß § 17 GGG sei Bemessungsgrundlage der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN gewesen; nachdem im vorliegenden Fall maßgebenden § 56 Abs. 2 JN habe der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. § 17 GGG könne nur Anwendung finden, wenn auch § 56 Abs. 2 JN zur Bewertung des Streitgegenstandes nicht herangezogen werden könne. Nach § 18 Abs. 1 GGG bleibe die Bemessungsgrundlage zwar für das ganze Verfahren gleich, allerdings müsse nach Abs. 2 Z. 1 dieser Bestimmung bei einer Änderung des Streitwertes gemäß § 7 RATG der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage bilden. Auch eine Streitwertänderung in den Fällen des § 60 Abs. 1 JN sei beachtlich. § 18 GGG enthalte also keine taxative Aufzählung der Fälle, in denen sich die Bemessungsgrundlage ändere.
§ 197 Abs. 6 AktG sei als Spezialbestimmung iS des § 18 Abs. 2 GGG anzusehen, weshalb auch diese Änderung des Streitgegenstandes eine Änderung der Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren zur Folge habe. Was die als verspätet gerügte Gebührenvorschreibung betrifft, verwies die belangte Behörde darauf, dass die Streitwertänderung bereits in der Verhandlung vom erfolgt sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , Zl. B 572/97 die Behandlung der gegen diesen Bescheid ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In ihrer Ergänzung erachten sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sie zur Nachentrichtung von Gerichtsgebühren in der Höhe von S 209.760,-- verpflichtet wurden. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 44 bis 60 JN. Lässt sich die Bemessungsgrundlage nicht nach den Bestimmungen der §§ 14 bis 16 GGG ermitteln, so ist gemäß § 17 lit. b GGG bei den zur Zuständigkeit der Gerichtshöfe gehörigen Streitigkeiten ein Betrag von 60.000 S (hier vor der VO BGBl. Nr. 912/1994) zu Grunde zu legen. Wenn sich gemäß § 14 GGG in Verbindung mit den § 54 bis 60 JN die Bemessungsgrundlage ermitteln lässt, bleibt für die Anwendung des § 17 GGG kein Raum (hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0150).
Die belangte Behörde geht davon aus, dass hier die Kläger in der Klage den Wert des Streitgegenstandes gemäß § 56 Abs. 2 JN angegeben haben.
§ 56 JN in der Fassung BGBl. Nr. 343/1989 lautet:
"(1) Erbietet sich der Kläger an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurteilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§ 7a) maßgebend.
(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterlässt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von 30.000 S als Streitwert.
(3) Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen.
Die Beschwerdeführer meinen nun, die Bewertung in der Klage hätte sich nicht auf § 56 JN, sondern auf § 17 GGG gestützt. Abgesehen davon, dass der Klageschrift keine derartige Subsumtion zu entnehmen ist, lag hier unzweifelhaft ein nicht in einem Geldbetrag bestehender vermögensrechtlicher Streitgegenstand vor, dessen Wert die Kläger in der Klage angegeben haben. Ob § 17 GGG dann Anwendung findet, wenn der Kläger die Bewertung unterlassen hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, spielt hier daher keine Rolle.
Nach dieser Bewertung durch die Kläger erfolgte eine Neufestsetzung durch Gerichtsbeschluss gemäß § 197 Abs. 6 AktG.
Diese Bestimmung lautet:
"(6) Das Prozessgericht hat auf Antrag einer Partei den Wert des Streitgegenstandes nach den gesamten im einzelnen Fall gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses festzusetzen; das Prozessgericht ist an den vom Kläger in der Klage angegebenen Wert hiebei nicht gebunden. Der Antrag kann bis zum Schluss der Verhandlung (§ 193 Zivilprozessordnung) gestellt werden; gegen den den Wert des Streitgegenstandes festgesetzten Beschluss ist in jedem Fall der Rekurs zulässig.
§ 197 Abs. 6 Aktiengesetz ermöglicht als lex specialis und Ausnahme von der generellen verfahrensrechtlichen Regelung der § 56 Abs. 2 und 60 JN dem Prozessgericht über einen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässigen Antrag einer Partei den Wert des Streitgegenstandes ohne Bindung an die Bewertung des Klägers mit anfechtbarem Beschluss festzusetzen (, HS 26.152). Angesichts dieser, für die aktienrechtliche Anfechtungsklage § 56 Abs. 2 JN ergänzende Spezialnorm bleibt im Beschwerdefall für die Anwendung des § 17 GGG kein Raum.
Unter Hinweis auf § 18 Abs. 1 GGG vermeinen die Beschwerdeführer nun, dass die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren hätte gleich bleiben müssen.
§ 18 GGG lautet:
"Wertänderungen
§ 18.
(1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.
(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:
1. Wird der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert, so bildet - unbeschadet des § 16 - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.
2. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
3. Betrifft das Rechtsmittelverfahren oder das Verfahren über eine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes, so ist in diesem Verfahren für die Berechnung nur der Wert dieses Teiles maßgebend. Bei wechselseitig erhobenen Rechtsmitteln sind die Pauschalgebühren nach Maßgabe der Anträge eines jeden der beiden Streitteile gesondert zu berechnen und vom jeweiligen Rechtsmittelwerber zu entrichten. Ist der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur ein Geldanspruch, so hat ihn der Rechtsmittelwerber in der Rechtsmittelschrift zu bewerten; unterlässt er dies, ist der Bemessung der Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren der ganze Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes zu Grunde zu legen.
4. Wenn ausschließlich der Ausspruch über die Zinsen angefochten wird, ist als Endzeitpunkt für die Zinsenberechnung der Zeitpunkt maßgebend, zu dem dem Rechtsmittelwerber die angefochtene Entscheidung zugestellt worden ist.
(3) Eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren tritt nicht ein, wenn das Klagebegehren zurückgezogen oder eingeschränkt wird oder wenn ein Teil- oder Zwischenurteil gefällt wird."
Die belangte Behörde verweist auf die Auffassung von Tschugguel-Pötscher (Die Gerichtsgebühren6) in Anmerkung 3 zu § 18 GGG, wonach darüber hinaus - nämlich über den Katalog des § 18 Abs. 2 hinaus - eine (gerichtsgebührenrelevante) Streitwertveränderung auch in den Fällen des § 60 Abs. 1 JN stattfindet. Dem ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0309, gefolgt: über den Katalog des § 18 Abs. 2 hinaus findet eine Streitwertänderung auch in den Fällen des § 60 JN, auf den § 14 GGG verweist, statt; die Streitwertbestimmung des Gerichtes ist für die Berechnung der Gerichtsgebühr bindend.
Es besteht kein Anlass, die hier auf § 197 Abs. 6 AktG beruhende Streitwertbestimmung durch das Gericht anders zu behandeln. Auch Arnold hat in seiner Glosse zum hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0090, AnwBl 1993/4376, ausgeführt:
"Erfolgt eine Streitwertänderung nicht nach § 7 RATG, sondern nach § 197 Abs. 6 AktG, so sollte es wohl außerhalb jedweden Zweifels stehen, dass auch durch eine diesbezügliche Wertfeststellung die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren geändert wird."
Es scheint tatsächlich nicht gerechtfertigt, die richterliche Streitwertänderung gemäß § 60 Abs. 1 JN oder gemäß § 197 Abs. 6 AktG anders zu behandeln, als die Streitwertbemessung nach § 7 RATG. § 18 Abs. 2 Z. 1 GGG ist daher einer erweiterenden Interpretation durchaus zugänglich. Auch der Umstand, dass ein Antrag einer Partei nach § 7 RATG spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tatsachentagsatzung, ein Antrag nach § 197 Abs. 6 AktG aber bis zum Schluss der Streitverhandlung gestellt werden kann, läßt eine unterschiedliche Behandlung nicht sachlich erscheinen.
Die Justizverwaltungsbehörden haben daher zu Recht den in der Streitverhandlung vom neu festgesetzten Streitwert der Gebührenbemessung zugrundegelegt. Gemäß § 8 Abs. 1 GEG verjährt der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Gebühren und Kosten in fünf Jahren; die Verjährungsfristen beginnen frühestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens. Verjährung liegt hier nicht vor, weshalb der auf Grund einer Beanstandung durch den Bezirksrevisor erfolgten nachträglichen Berechnung und Vorschreibung der Gerichtsgebühr kein gesetzliches Hindernis entgegenstand.
Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am