VwGH vom 25.02.1993, 92/16/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der X-GmbH in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-1085/1/89, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: Finanzamt) hat mit an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheiden vom , und wegen in Generalversammlungen beschlosssenen Gesellschafterzuschüssen von S 8.000.000,--, S 3.000.000,-- und S 3.500.000,-- Gesellschaftsteuer unter Anwendung des begünstigten Steuersatzes von 1 v.H. in der Höhe von S 80.000,--, S 30.000,-- und S 35.000,-- gemäß § 200 BAO vorläufig festgesetzt.
Die für den Zeitraum bis durchgeführte Kapitalverkehrsteuerprüfung betreffend Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 9 Abs. 2 KVG sowie Feststellung sonstiger kapitalverkehrsteuerpflichtiger Vorgänge hat nach Ansicht des Prüfers ergeben, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des begünstigten Steuersatzes vorlägen.
Mit Bescheid vom erklärte das Finanzamt die genannten Bescheide gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig. In der Höhe der festgesetzten Gesellschaftsteuer von insgesamt S 145.000,-- trat keine Änderung ein.
In der gegen diese Entscheidung eingebrachten Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe, wie dem Finanzamt aus ihrer Berufung vom , der Berufungsvorentscheidung vom und aus dem Vorlageantrag vom und schließlich aus der jüngsten Betriebsprüfung, abgeschlossen am , bekannt sei, in ihrer Satzung und ihrem tatsächlichen Geschäftsbetrieb alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Z. 1 KVG im Zusammenhalt mit den §§ 11 bis 13 KVDB erfüllt, d.h., daß die Gesellschaft "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient". Die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 33/69, sei durch die geänderte Gesetzeslage nach dem Abgabenänderungsgesetz 1981 überholt: Die Steuerbefreiung von Bürgschaftseinrichtungen solcher Art seien an die dem Gemeinnützigkeitsrecht entnommenen Grundsätze geknüpft, wobei das Vorliegen der Gemeinnützigkeit vom Finanzamt für Körperschaften Wien seit anerkannt werde.
Die §§ 11 bis 13 KVDB, die gültige gesetzesdurchführende und gesetzesergänzende Normen seien, stellten an die Ausnahme von der Besteuerung neben den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Z. 1 bis 4 KVDB die Anforderung, daß die Gemeinnützigkeit auch durch eine andere Behörde als das "Kapitalverkehrsteueramt" festgestellt werden könne und dieses Anerkenntis auch für den Bereich des KVG zu gelten habe.
Die Anwendung von Steuerbefreiungen gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 KStG, § 2 Z. 12 GewStG und § 3 Z. 10 VStG "nach den wirtschaftlichen Erwägungen der "Gemeinnützigkeit" solcher Bürgschaftseinrichtungen" bedeute auch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des § 7 Abs. 1 Z. 1
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Wenn auch als gemeinnütziger Zweck die Förderung der Allgemeinheit auf materiellem Gebiet vorgesehen sei, so lasse sich jedoch aus den im § 35 Abs. 2 BAO beispielsweise aufgezählten Tätigkeiten entnehmen, daß unter gemeinnützigen Tätigkeiten offenbar nur solche Tätigkeiten gemeint seien, die dem Gemeinwohl im ideell geistigen Sinn dienten und einer gewissen selbstlosen Einstellung entsprächen. In der unentgeltlichen Übernahme von Bürgschaften bzw. in der Übernahme von Bürgschaften gegen ein geringes Bürgschaftsentgelt zur Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft könne jedoch eine solche Tätigkeit nicht erblickt werden. Wollte man annehmen, daß die Tätigkeit der Beschwerdeführerin dem Gemeinwohl auf materiellem Gebiet diente, wäre die Steuerbegünstigung auch deshalb zu versagen, da der Beschwerdeführerin das Erfordernis der Unmittelbarkeit fehle. Die Beschwerdeführerin übernehme die Bürgschaft auf Antrag der einzelnen Gewerbetreibenden, dadurch werde unmittelbar nur der einzelne antragstellende Gewerbetreibende gefördert. Daß diese Förderungsmaßnahme letztlich der gesamten Volkswirtschaft und somit der Allgemeinheit zugute komme, bewirke noch nicht die Erfüllung der Unmittelbarkeit.
Wenn auch die Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 KStG, § 2 Z. 12 GewStG und § 3 Abs. 1 Z. 10 VStG von den Ertragssteuern befreit sei, erfülle sie noch nicht die für eine Befreiung nach § 7 Abs. 1 Z. 1 KVG erforderlichen Voraussetzungen. Dieser Befreiungsbestimmung vergleichbar seien § 5 Abs. 1 Z. 6 KStG, § 2 Z. 6 GewStG und § 3 Abs. 1 Z. 7 VStG, die die Beschwerdeführerin nicht erfülle. Zudem seien Befreiungsbestimmungen restriktiv auszulegen.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rügt die Beschwerdeführerin, die abweisende Berufungsvorentscheidung gehe in ihrer Begründung auf die Berufungsausführungen nicht ein; sie gebe im wesentlichen die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 33/69 wieder, die durch die geänderte Gesetzeslage nach dem Abgabenänderungsgesetz 1981 überholt sei.
Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte dabei aus, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 1 KVDB eine erhöhte Mitwirkungspflicht träfe. Die Beschwerdeführerin habe es aber unterlassen, den Stand des Gesellschaftsvertrages für die Zeit der getätigten Leistungen von sich aus darzulegen. Sie sei auch verhalten, durch Vorlage von Beweisstücken darzutun, daß die Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diene. Diesem Erfordernis sei sie in keiner Weise nachgekommen. Im übrigen werde auf die zutreffenden Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluß vom , B 325/91-3, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf richtige Anwendung des § 7 Abs. 1 Z. 1 KVG und der in Frage kommenden Verfahrensvorschriften, insbesondere der Verpflichtung zur Begründung eines Bescheides und der Verpflichtung der Behörde der Sachverhaltsergänzung gemäß § 161 Abs. 1 zweiter Satz BAO, beschwert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei inländischen Kapitalgesellschaften, die nach der Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, sind die in den §§ 2 und 3 bezeichneten Rechtsvorgänge gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 KVG von der Besteuerung ausgenommen.
Nach § 13 Abs. 1 KVDB hat die Gesellschaft dem Kapitalverkehrsteueramt die Voraussetzungen dafür darzulegen, daß ein Rechtsvorgang auf Grund des § 7 KVG von der Besteuerung ausgenommen ist. Dem Kapitalverkehrsteueramt sind der Gesellschaftsvertrag und dazu ergangene Änderungsbeschlüsse in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift, auch etwaige weitere Beweisstücke vorzulegen.
Der belangten Behörde ist insofern beizupflichten, als in Verfahren, die ausschließlich auf die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen gerichtet sind, der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung insofern in den Hintergrund tritt, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabenpflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0088). Von der Pflicht zur Überprüfung der gemachten Angaben ist die Behörde in Beachtung des Amtswegigkeitsgrundsatzes aber nicht enthoben (Stoll Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 270 zu § 115).
Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung vorgebracht, dem Finanzamt sei auf Grund der Berufung, der Berufungsvorentscheidung und aus dem Vorlageantrag aus dem Jahre 1971 und aus der Betriebsprüfung aus dem Jahre 1988 bekannt, daß die Beschwerdeführerin nach ihrer Satzung und ihrem tatsächlichen Geschäftsbetrieb alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Z. 1 KVG erfülle. Damit hat sie nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Begünstigung bloß behauptet, sondern darüber hinaus auf die ihrer Ansicht nach bei der Abgabenbehörde aktenkundigen Vorbringen hingewiesen.
Die belangte Behörde hat in dem angefochtenen Bescheid lediglich ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin weder den Gesellschaftsvertrag noch Beweisstücke von sich aus vorgelegt habe. Somit hat sich die belangte Behörde in diesem Verfahren nicht mit der Behauptung auseinandergesetzt, ihr wäre bereits aus einem früheren Verfahren mit der Beschwerdeführerin und aus der Betriebsprüfung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Begünstigung bekannt. In Beachtung des Amtswegigkeitsgrundsatzes wäre es die Pflicht der Abgabenbehörde gewesen, in einem solchen Fall aufzuklären, ob und in welchem Umfang Beweismittel tatsächlich vorlagen und inwieweit allenfalls bereits erfolgte Vorbringen als Darlegungen in dem anhängigen Verfahren mit zu berücksichtigen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, sowie die Beschwerdeführerin allenfalls aufzufordern, die bei der Behörde mit Recht vermuteten, aber nicht aktenkundigen Unterlagen vorzulegen.
Mit dem Verweis im angefochtenen Bescheid auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung hat die belangte Behörde die Begründung dieser Entscheidung übernommen. In dieser Begründung wird das Vorliegen der Gemeinnützigkeit verneint, ohne die Frage konkret nach dem Inhalt der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung der Beschwerdeführerin beurteilt zu haben.
Der angefochtene Bescheid ist deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur in dem erforderlichen Umfang zuzusprechen.