VwGH vom 19.02.1998, 97/16/0333

VwGH vom 19.02.1998, 97/16/0333

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des FB in T, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat IV) vom , Zl. ZRV 1/1-6/97, betreffend Verkürzung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Finanzlandesdirektion für Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Hauptzollamtes Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz (Spruchsenat VII) vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im Juli 1991 einen PKW der Marke Mercedes mit näher angeführtem Kennzeichen und im September 1991 einen weiteren PKW der Marke Mercedes mit näher angeführtem Kennzeichen im formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehr nach Österreich eingeführt zu haben, ohne dem Abfertigungszollamt mitzuteilen, daß sein gewöhnlicher Wohnsicht (Mittelpunkt der Lebensverhältnisse) im österreichischen Zollgebiet gelegen sei, wodurch er unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht fahrlässig eine Verkürzung von Eingangsabgaben in der Höhe von S 299.648,-- bewirkt habe, die ihm dann auf Grund eines gestellten Billigkeitsansuchens auf S 40.000,-- erlassen worden sei. Er habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach § 36 Abs. 2 FinStrG begangen. Über ihn wurde gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) festgesetzt; dies mit der Begründung, seit dem Jahre 1988 habe der Beschwerdeführer in F (Kärnten) ein Haus gemietet. Bei aufrechter Ehe wohnten dort seine nichtberufstätige Gattin und seine vier Kinder. Drei der Kinder besuchten in F die Schule. Im August 1990 habe er in Deutschland eine näher bezeichnete Einzelfirma gegründet. Im Juli 1991 sei der Beschwerdeführer mit einem PKW der Marke Mercedes nach F gefahren. Anläßlich der Einreise über das Zollamt Walserberg Autobahn nach Österreich habe er seine tatsächlichen Wohnsitzverhältnisse nicht erklärt und daher den formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehr zu Unrecht in Anspruch genommen. Am habe der Beschwerdeführer bei einem Mietwagenunternehmen in Deutschland einen weiteren PKW der Marke Mercedes gemietet. Auch mit diesem Fahrzeug sei der Beschwerdeführer über das Zollamt Walserberg Autobahn nach Österreich eingereist, ohne seine tatsächlichen Wohnsitzverhältnisse offenzulegen. Mindestens alle 14 Tage sei der Beschwerdeführer zu seiner Familie nach Österreich gereist. Dieser Sachverhalt werde auf Grund der Ermittlungen des Zollamtes Klagenfurt und des damit übereinstimmenden Geständnisses des Beschwerdeführers festgestellt und als erwiesen angenommen. Der Beschwerdeführer hätte um Ausstellung einer zollamtlichen Bestätigung (Vormerkschein) ansuchen müssen. Wenn der Beschwerdeführer sich verantworte, von diesen Bestimmungen nichts gewußt zu haben, sei ihm entgegenzuhalten, daß er in seiner Vernehmung selbst zugegeben habe, sich nicht ausreichend erkundigt zu haben. Zu einer derartigen genauen Erkundigung wäre er aber als Grenzgänger verpflichtet gewesen. In der Unterlassung müsse die Fahrlässigkeit des Beschuldigten erblickt werden. Auf Grund der geistigen und körperlichen Verhältnisse sei der Beschwerdeführer auch befähigt und es sei ihm auch zuzumuten gewesen, sich ausreichend zu erkundigen, weshalb er fahrlässig gehandelt habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und damit seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Österreich gehabt sowie schuldhaft gehandelt zu haben. Er habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat dargelegt, daß er mit seinem Steuerberater in Deutschland gesprochen habe, der keine Bedenken gegen die betriebliche und außerbetriebliche Fahrt nach Österreich geäußert habe. Er habe auch dargelegt, daß er Nachforschungen angestrebt und sich erkundigt habe, daß selbst Beamten bei einem näher genannten Zollamt die Bestimmungen, wonach mit einem Firmen- oder Mietwagen ohne Vormerkschein nicht nach Österreich eingereist werden dürfe, nicht bekanntgewesen seien. Es sei dem Beschwerdeführer daher keinesfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Beschwerdeführer legte eine eidesstattliche Erklärung seines deutschen Steuerberaters vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die FLD für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat IV) der Berufung teilweise Folge und änderte das Erkenntnis vom durch Einschränkung des Tatvorwurfes der fahrlässigen Verkürzung der Eingangsabgaben nach § 36 Abs. 2 FinStrG auf den im Juli 1991 nach Österreich eingebrachten PKW. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt. Dies mit der Begründung, die Berufung sei teilweise und zwar hinsichtlich der Einfuhr des Mietfahrzeuges berechtigt. Diesbezüglich sei ein entschuldbarer Irrtum vorgelegen. Hinsichtlich der Einfuhr des Firmenfahrzeuges sei dem Beschwerdeführer hingegen unter Zugrundelegung des Umstandes, daß sein gewöhnlicher Wohnsitz in Österreich gelegen sei, vorzuwerfen, daß er nicht um die Auststellung eines Vormerkscheines angesucht, sondern das Fahrzeug ohne Ausstellung eines Vormerkscheines und ohne Leistung einer Sicherheit zur vorübergehenden Fahrten in das Zollgebiet eingebracht habe. Gewerblich verwendet (§ 93 Abs. 3 ZollG) werde ein Beförderungsmittel nur, wenn es zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder andere materielle Vorteile oder zur Beförderung von Waren im Rahmen eines Betriebes gegen oder ohne Entgelt verwendet werde. Jede andere Verwendung des Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen oder Waren sei eigener Gebrauch. Der Beschwerdeführer habe nach den unbedenklichen Verfahrensergebnissen seine Familie in F, später in T (Kärnten) gehabt. Er habe sie regelmäßig in 14-tägigen Abständen über das Wochenende besucht. Er sei in Österreich meldeamtlich erfaßt. Im übrigen habe er in Deutschland ein Unternehmen und auch einen Wohnsitz neben den Firmenräumlichkeiten. Die Gattin des Beschwerdeführers habe glaubhaft angegeben, daß dieser alle 14 Tage nach F, und zwar von Donnerstag bis Sonntag und jährlich zumindest drei Monate in F gekommen sei. Nach ihren glaubhaften Angaben habe der Beschwerdeführer im "Wohnzimmer" auch sein Büro betrieben. Auf Grund dieses als erwiesen angesehenen Sachverhaltes sei somit zwar von einem Doppelwohnsitz des Beschwerdeführers, jedoch von einem gewöhnlichen Wohnsitz im Zollinland auszugehen. Er habe daher für die ausländischen unverzollten Beförderungsmittel das formlose Vormerkverfahren mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 lit. a Z. 1 ZollG 1988 nicht in Anspruch nehmen können. Hinsichtlich seines Firmenfahrzeuges habe es somit beim Schuldspruch des Spruchsenates zu verbleiben. Hinsichtlich des Mietfahrzeuges sei jedoch im Sinne des § 9 FinStrG ein entschuldbarer Irrtum anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die Finanzlandesdirektion für Kärnten erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 ZollG 1988 wird jede Ware, die über die Zollgrenze eintritt, mit Ausnahme der im § 49 Abs. 1 Z. 1 ZollG 1988 genannten Waren, zollhängig und unterliegt dem Zollverfahren. Zollhängigkeit bedeutet, daß diese Waren der allgemeinen Zollaufsicht unterliegen. Nach § 48 Abs. 1 ZollG 1988 ist jede, über die Zollgrenze eingehende oder zum Austritt über die Zollgrenze bestimmte Ware, dem der Übertrittstelle nächstgelegenen Grenzzollamt zu stellen. Für ausländische, unverzollte Beförderungsmittel, die zur vorübergehenden Einbringung in das Zollgebiet bestimmt sind, ist gemäß § 67 Abs. 3 lit. a ZollG 1988 der Eingangsvormerkverkehr zulässig. Nach der näheren Bestimmung des § 93 Abs. 2 lit. a Z. 2 ZollG 1988 ist die Eingangsvormerkbehandlung von ausländischen, unverzollten Beförderungsmittel zum eigenen Gebrauch auch zulässig, wenn der Halter und der Benützer neben seinem gewöhnlichen Wohnsitz oder seinem Sitz im Zollgebiet auch einen Wohnsitz im Zollausland (Doppelwohnsitz) hat und ein vorgemerktes Beförderungsmittel für die Dauer von höchstens 90 Tagen im Kalenderjahr in das Zollgebiet einbringt. Gemäß § 93 Abs. 7 ZollG 1988 i.V.m. § 11 Abs. 1 ZollG-DV dürfen Beförderungsmittel bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 93 Abs. 2 lit. a Z. 2 ZollG 1988 jedoch nicht ohne Ausstellung eines Vormerkscheines und ohne Leistung einer Sicherheit zu vorübergehenden Fahrten in das Zollgebiet eingebracht werden. Bei Vorhandensein eines Wohnsitzes im Inland bzw. Doppelwohnsitzes ist somit ein formeller Eingangsvormerkverkehr erforderlich.

Strittig ist nun zunächst, ob der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Sinne des ZollG 1988 in Österreich gehabt hat und somit als Benützer des in Rede stehenden Firmenfahrzeuges nicht berechtigt war, mit diesem ausländischen unverzollten PKW nach Österreich im formlosen sicherstellungsfreien Vormerkverkehr einzureisen, sondern einen formellen Vormerkverkehr beantragen hätte müssen.

Nach der Legaldefinition des § 93 Abs. 4 ZollG 1988 ist unter mehreren Wohnsitzen einer Person derjenige als gewöhnlicher Wohnsitz anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat und der den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse darstellt. Eine Person kann zwar mehrere Wohnsitze habe, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0258), bestehen im Regelfall nach den Erfahrungen des täglichen Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem eine Person regelmäßig mit ihrer Familie lebt. Als die stärksten persönlichen Beziehungen sind diejenigen zu dem Ort anzusehen, an dem eine Person mit ihrem Ehegatten bei aufrechter Ehe lebt.

Wenn nun die belangte Behörde auf Grund der dargestellten Ermittlungsergebnisse zu dem Schluß kam, der Beschwerdeführer habe in dem in diesem Verfahren maßgebenden Zeitraum seinen gewöhnlichen Wohnsitz in F (Kärnten) gehabt, dann kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Insbesondere auch die Aussagen des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme am , er habe seine Familie einmal alle 14 Tage und, wenn es das Geschäft nicht zugelassen habe, durchschnittlich einmal im Monat besucht, zeigen, daß er die Familie regelmäßig und in kurzen Zeitabständen in Österreich aufsuchte. Bestärkt wird diese Aussage auch durch die als Auskunftsperson einvernommene Ehegattin, die erklärte, der Beschwerdeführer komme in der Regel alle 14 Tage nach F und zwar von Donnerstag bis Sonntag; er habe sich im Jahre 1991 zumindest drei Monate in F aufgehalten und sei auch ab und zu eine ganze Wochen hier geblieben.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird mit der Beschwerde, in der behauptet wird, der Beschwerdeführer habe seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Jahre 1991 nicht in Österreich gehabt, nicht aufgezeigt. Bei dieser Sachlage kommt es nämlich nicht mehr entscheidend darauf an, wo der Beschwerdeführer sein Unternehmen betreibt und sein Geld verdient. Auch die Entfernung von ca. 780 km zwischen Firmensitz und gewöhnlichem Wohnsitz im Zollgebiet, stellt kein Hindernis für eine regelmäßige in kurzen Zeitabständen erfolgende Rückkehr zum gewöhnlichen Wohnsitz dar.

Der Beschwerdeführer bestritt in der Berufung allerdings auch, schuldhaft gehandelt zu haben und legte im Berufungsverfahren insofern auch ein Beweismittel vor, nämlich die "eidesstättige Erklärung" seines deutschen Steuerberaters. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid auf dieses Beweismittel überhaupt nicht ein. Sie begründet weiters in keiner Weise das Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens des Beschwerdeführers; ob nämlich dem Beschwerdeführer die "Nichtmitteilung" des gewöhnlichen Wohnsitzes anläßlich der Einreise über das Abfertigungszollamt im Juli 1991 schuldhaft vorzuwerfen ist oder ob allenfalls ein entschuldbarer Irrtum vorliege. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels wird in der Beschwerde dargetan. Wenn nun der Präsident der Finanzlandesdirektion für Kärnten und nicht der in der Sache erkennende Berufungssenat IV der Finanzlandesdirektion für Kärnten als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz erst in der Gegenschrift eine Begründung für das Nichtvorliegen eines entschuldbaren Irrtums vorlegt, dann kann damit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deswegen nicht beseitigt werden, weil die Nachholung dieser unterlassenen Begründung in der Gegenschrift die der angefochtenen Entscheidung anhaftende Mangelhaftigkeit nicht behebt (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 602). Ungeachtet dessen wird darauf hingewiesen, daß im angefochtenen Bescheid nicht das Nichtvorliegen eines entschuldbaren Irrtums - wie dies in der Gegenschrift ausgeführt wurde -, sondern das Vorliegen eines fahrlässigen Verhaltens zu begründen gewesen wäre.

Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.