VwGH vom 18.10.1995, 95/13/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 10 - 57/2/93, betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung jener Gesellschaft m.b.H., deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin in den geprüften Jahren war, beurteilte der Prüfer Eingangsrechnungen der geprüften Gesellschaft mit der Begründung als Scheinrechnungen, daß das eine der rechnungsausstellenden Unternehmen zum Zeitpunkt der Rechnungsausstellung bereits im Konkurs gewesen sei, weshalb nur der Masseverwalter eine Rechnung rechtsgültig ausstellen hätte können, und daß die vom anderen Unternehmen ausgestellten Rechnungen Leistungen zum Gegenstand gehabt hätten, die nach Befragung der vorgeblichen Leistungsempfänger von dem die Rechnung ausstellenden Unternehmen gar nicht erbracht worden seien.
Gegen die in Konsequenz dieser Beurteilung erlassenen Abgabenbescheide wurde Berufung erhoben und in dieser geltend gemacht, daß die vom Prüfer bezweifelten Rechnungen von Ing. Johann N. unter den verschiedenen von diesem betriebenen Firmen ausgestellt worden seien und Leistungen betroffen hätten, die tatsächlich erbracht worden seien. Ing. Johann N. habe im Juni 1991 berichtigte Rechnungen ausgestellt, wie dies mit der Betriebsprüfung schon abgesprochen gewesen sei. Es sei von beiden Seiten immer betont worden, daß die verrechneten Leistungen erbracht worden seien. Ing. Johann N. habe mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt, diese Rechnungen auch beim Finanzamt mit der Umsatzsteuervoranmeldung erklärt zu haben.
In seiner am im Abgabenverfahren erstatteten Stellungnahme zur Berufung hielt der Prüfer an seiner Sachverhaltsbeurteilung fest. Die behauptete Erbringung der Leistungen durch Ing. Johann N. bezweifelte der Prüfer im Hinblick auf die namens des im Konkurs befindlichen Unternehmens ausgestellte Rechnung mit der Begründung, daß Ing. Johann N. zum Zeitpunkt der behaupteten Leistung kein Personal beschäftigt habe, im Hinblick auf die namens des anderen Unternehmens ausgestellten Rechnungen verwies der Prüfer auf die von den angeblichen Leistungsempfängern abgegebenen Erklärungen, einen Ing. Johann N. gar nicht zu kennen.
Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß sie als Geschäftsführerin der geprüften Gesellschaft zum einen vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen für 1986 und 1987 eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben nach näher bezeichneter Art und Höhe bewirkt und zum anderen unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Juni 1991 in bestimmt bezeichneter Höhe bewirkt und dies nicht nur möglich, sondern für gewiß gehalten und dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 und 3 lit. a sowie Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe. Begründend verwies die Finanzstrafbehörde auf den Betriebsprüfungsbericht vom und auf die Begründung des Bescheides des Finanzamtes über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Juni "1992" (gemeint erkennbar: 1991), in welcher ausgeführt worden war, daß der Rechnungsaussteller Ing. Johann N. als Unternehmer unter der im Abgabenverfahren behaupteten Steuernummer bei dem genannten Finanzamt tatsächlich nicht erfaßt sei.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde verwies die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf das von der geprüften Gesellschaft im Berufungsverfahren gegen die Abgabenbescheide erstattete Vorbringen und bestritt die ihr vorgeworfene Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten mit der Behauptung, daß alle verrechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, sodaß der Verdacht des Vorliegens von Scheinrechnungen oder von Scheinfirmen sich für sie nie habe ergeben können. Die irrtümliche Fakturierung der Rechnungen auf falschem Firmenpapier durch Ing. Johann N. sei schon dem Prüfer im Abgabenverfahren ebenso wie der Umstand mitgeteilt worden, daß Ing. Johann N. die Ordnungsmäßigkeit der von ihm erbrachten Leistungen selbst erklärt habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet ab, wobei sie gleichzeitig ein der Finanzstrafbehörde erster Instanz im Spruch des bekämpften Bescheides unterlaufenes Schreibversehen berichtigte. Begründend äußerte die belangte Behörde die Rechtsanschauung, daß "infolge des Beschwerdevorbringens lediglich zu untersuchen" sei, ob "im Zeitpunkt der Einleitung der Verdacht der Abgabenhinterziehung gegeben" gewesen sei oder nicht. Die Betriebsprüfung sei von der Ausstellung von Scheinrechnungen ausgegangen, welche ein vorsätzliches Verhalten geradezu voraussetzten; demnach seien Tatsachen vorgelegen, welche den Schluß auf die Begehung eines Finanzvergehens zugelassen hätten. Ob sich der bestehende Verdacht bestätigen werde, werde im eingeleiteten Finanzstrafverfahren zu beurteilen sein. Gemäß § 55 FinStrG könne die mündliche Verhandlung im gegebenen Fall ohnehin erst durchgeführt werden, wenn das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung für den Zeitraum vorliege, den die strafbare Tat betreffe. Es habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens mit Recht das Vorliegen des Verdachtes von Abgabenhinterziehungen angenommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt zu sein, daß gegen sie ein Finanzstrafverfahren nicht eingeleitet werde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus den Bestimmungen der §§ 157 erster Satz sowie 161 Abs. 1 FinStrG ist abzuleiten, daß im verwaltungsbehördlichen Rechtsmittelverfahren nicht nur die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Zeitpunkt ihres Ergehens zu prüfen ist, sondern vielmehr eine eigenständige Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorgenommen werden muß; eine den angefochtenen Bescheid bestätigende Rechtsmittelentscheidung darf demnach im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren nur dann ergehen, wenn die der Rechtsmittelinstanz vorliegende Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Rechtsmittelerledigung im Ergebnis keine anderslautende Entscheidung erfordert. Die demgegenüber von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, sie habe in der Entscheidung über die Administrativbeschwerde lediglich zu untersuchen gehabt, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Einleitungsbescheides der Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben gewesen sei oder nicht, widerspricht demnach dem Gesetz (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0282, mit weiteren Nachweisen).
Die Berechtigung der auf diesen Rechtsirrtum hinweisenden Rüge der Beschwerdeführerin verhilft ihrer Beschwerde im vorliegenden Fall aber deswegen zu keinem Erfolg, weil die von der Beschwerdeführerin in ihrer Administrativbeschwerde unter Übernahme des Vorbringens der geprüften Gesellschaft im Abgabenverfahren vorgetragenen Umstände noch nicht geeignet waren, den von der Finanzstrafbehörde erster Instanz gewonnenen Verdacht in einer Weise zu entkräften, welche die im angefochtenen Bescheid entschiedene Bestätigung des Einleitungsbescheides rechtswidrig erweisen würde. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, daß sich im Rahmen des "Berufungsverfahrens" (gemeint offensichtlich: des finanzstrafbehördlichen Rechtsmittelverfahrens) der Verdacht jedenfalls nicht erhärtet habe, ist ihr zu erwidern, daß dieser Umstand nicht geeignet sein konnte, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Rechtswidrig wäre der angefochtene Bescheid dann gewesen, wenn entweder der Finanzstrafbehörde erster Instanz schon keine Umstände vorgelegen wären, die es erlaubt hätten, den Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens zu rechtfertigen, oder wenn das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Administrativbeschwerde einen von der Finanzstrafbehörde erster Instanz mit Recht angenommenen Verdacht ausreichend entkräftet hätte. Weder das eine noch das andere liegt im Beschwerdefall vor.
Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Behörde Tatsachen zur Kenntnis gelangen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/13/0167, vom , 94/16/0226, und vom , 90/14/0243). Die Feststellungen des Prüfers über die im Rechenwerk der Gesellschaft und durch Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen berücksichtigten Rechnungen setzten die Behörde in die Kenntnis solcher Tatsachen, aus denen der Lebenserfahrung grundsätzlich auf das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung geschlossen werden kann. Eine der Rechnungen war namens eines zum Ausstellungszeitpunkt im Konkurs befindlichen Unternehmens ohne Einschreiten des Masseverwalters ausgestellt worden. Der behaupteten Erbringung der verrechneten Leistungen durch Ing. Johann N. war der Prüfer in seiner Stellungnahme zur Berufung mit der Feststellung entgegengetreten, daß Ing. Johann N. über kein Personal verfügt habe, welches die verrechneten Leistungen erbringen hätte können. Die anderen Rechnungen lauteten auf Vermittlungsleistungen, wobei der Prüfer durch Befragung der Geschäftspartner der rechnungsgemäß vermittelten Geschäftsabschlüsse in Erfahrung gebracht hatte, daß diesen Geschäftspartnern die Person des Vermittlers gänzlich unbekannt war. Daß diese Umstände den Verdacht des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung rechtfertigten, kann nicht zweifelhaft sein.
Die von der Beschwerdeführerin dem behördlichen Verdacht entgegengesetzten Sachverhaltsbehauptungen werden im finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen und nach den Ergebnissen des Untersuchungsverfahrens sachlich und rechtlich im Lichte der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Straftatbestände des Finanzstrafgesetzes zu würdigen sein. Daß die von der Beschwerdeführerin der Einleitung des Finanzstrafverfahrens entgegengesetzten Sachverhaltsbehauptungen den von der Finanzstrafbehörde erster Instanz angenommenen Verdacht schlichtweg entkräften hätten können, ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, daß ihr die Finanzstrafbehörde erster Instanz vor Erlassung des Einleitungsbescheides keine Gelegenheit gegeben habe, zu den geäußerten Verdachtsgründen Stellung zu nehmen, wäre diese Rüge dann schon ohne Bedeutung gewesen, wenn die belangte Behörde sich mit dem Rechtsmittelvorbringen der Beschwerdeführerin inhaltlich befaßt hätte; ein im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufener Mangel wäre schon dadurch saniert gewesen. Wenngleich dies im Beschwerdefall nicht geschehen ist, hat die unzureichende Auseinandersatzung der Finanzstrafbehörden beider Instanzen mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einleitungsverfahren zu einer Bescheidaufhebung deswegen nicht zu führen, weil der dem Finanzstrafverfahren anhaftende Verfahrensmangel nicht relevant war. Wie sich aus den vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Erwägungen ergibt, hätte die belangte Behörde nämlich auch bei Vermeidung des insgesamt als vorliegend zu erkennenden Verfahrensmangels zu einem im Ergebnis ihres Spruches anderen Bescheid nicht gelangen können.
Da der Spruch des angefochtenen Bescheides die Beschwerdeführerin im geltend gemachten Recht somit nicht verletzt, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.