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VwGH vom 30.03.1998, 97/16/0331

VwGH vom 30.03.1998, 97/16/0331

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

97/16/0332

Besprechung in:

FJ 1998/5, S 108 - S 109;

Notariatszeitung 4/1999, S 100 - S 103;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden der U GesmbH in K, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX, Währinger Straße 2-4, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zlen. RV 5/1-6/96 und RV 6/1-6/96, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Gesellschafter der Beschwerdeführerin beschlossen in der Generalversammlung vom der Beschwerdeführerin zur Abdeckung des Jahresverlustes für einen Gesellschafterzuschuß zur "Wiederherstellung des Eigenkapitals" bzw. "Stammkapitals" zu leisten. Diese am 8. und geleisteten Gesellschafterzuschüsse in der Höhe von insgesamt S 125,710.000,-- wurden im Jahresabschluß 1994 in eine nicht gebundene Kapitalrücklage eingestellt und im selben Geschäftsjahr zur Verlustabdeckung zur Gänze ergebniswirksam aufgelöst.

Mit Bescheiden vom bzw. setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt ausgehend von einem Zuschuß von S 25,000.000,-- bzw. S 100,710.000,-- und dem 1 %igen Steuersatz die Gesellschaftsteuer gemäß § 2 Z. 4 lit. a KVG in der Höhe von S 250.000,-- bzw. S 1,007.100,-- fest.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachte die Beschwerdeführerin vor, auf Grund der Kapitalzufuhr nach dem sei die Steuerschuld erst im Jahre 1995 entstanden. Es sei daher die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom anzuwenden. Im RS 38/88, Waldrich-Siegen, Werkzeug-Maschinen GesmbH, Slg. 1990, 1447, habe der Gerichtshof entschieden, daß die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, welcher vor Feststellung dieser Verluste geschlossen worden sei, nicht das Vermögen der Gesellschaft erhöhe und damit nicht der Gesellschaftsteuer unterliege. Nach der Entscheidung des EuGH könne es nun keinen Unterschied machen, ob es sich um eine Verlustübernahmeverpflichtung im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages handle oder ob eine Verpflichtung zur Abdeckung dieser Verluste durch Zusage einer Gesellschafterleistung im Einzelfall eingegangen werde. Auch eine derartige Verpflichtung bedeute, daß sich ein künftiger Verlust der Gesellschaft nicht auf den Umfang des Gesellschaftsvermögens auswirke. Nur dann, wenn sich der Gesellschafter im nachhinein zur Übernahme des Verlustes bereiterkläre, würde er im Sinne der zitierten Rechtsprechung eine Leistung erbringen, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht werde. Erkläre er sich aber vor Feststellung der Verluste verbindlich bereit, einen Gesellschafterzuschuß zu leisten und werde damit bewirkt, daß sich ein künftiger Verlust der Gesellschaft nicht auf den Umfang des Gesellschaftsvermögens auswirke, dann komme es im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht zur Erfüllung eines Steuertatbestandes. Die angeführte EuGH-Rechtsprechung rechtfertige nämlich keine Differenzierung danach, ob die Verlustübernahme im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses durch einen Ergebnisabführungsvertrag erfolge oder ob es auf Grund einer Einzelzusage zu einer Verlustabdeckung komme. Entscheidend sei nach dieser Rechtsprechung allein, daß der Gesellschafter Verluste auf Grund einer Verpflichtung abdecke, die schon vor Eintritt der Verluste, nämlich vor Feststellung der Bilanz eingegangen worden sei. Dies treffe im konkreten Fall zu. Die Verpflichtung zur Leistung des Gesellschafterzuschusses sei bereits am eingegangen worden.

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in den Begründungen der Bescheide im wesentlichen gleichlautend aus, auf Grund der erst im Jahre 1995 entstandenen Abgabenschuld sei die Rechtslage nach dem Beitritt Österreichs zur EU und somit auch der Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG anzuwenden. Die Beschwerdeführerin könne sich aber nicht mit Erfolg auf das zu dieser Bestimmung ergangene RS 38/88, berufen, weil diesem Fall ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Dem Urteil des EuGH liege eine Verlustübernahmeverpflichtung im Rahmen eines auf Dauer angelegten Ergebnisabführungsvertrages - somit eines gesellschaftsrechtlichen, beidseitig verpflichtend wirkenden Vertrages - zugrunde, während in den Beschwerdefällen eine freiwillige, einseitig verbindlich wirkende Erklärung, einen Zuschuß durch die Gesellschafter zu leisten, vorliege. Eine generelle Verlustübernahmeverpflichtung für allfällige zukünftig eintretende Verluste, vergleichbar der Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, der vor Feststellung dieser Verluste geschlossen worden sei und somit nicht das Gesellschaftsvermögen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf Ansammlung von Kapital erhöhe, sei in den Beschwerdefällen nicht gegeben. Es sei keine Vereinbarung erfüllt worden, durch welche der Wert des Gesellschaftsvermögens auf Dauer wertmäßig gesichert worden sei, sondern die Gesellschafter verpflichteten sich durch Zuschußleistung zur Wiederherstellung des Stammkapitals mit Wirksamkeit per . Die Leistung habe damit in der Verlustabdeckung (Verlustübernahme) bestanden, die von den Gesellschaftern einer inländischen Gesellschaft bewirkt worden sei. Diese Verlustübernahme habe zur Folge, daß der Kapitalgesellschaft auf Grund der Verluste eingebüßtes Vermögen wieder zugeführt wurde. Die Vermögenszufuhr (der Vermögensersatz) bedeute eine Verstärkung des Kapitals der Beschwerdeführerin und zwar in Höhe des übernommenen Verlustes. Die Steuerschuld sei mit der tatsächlichen Zuführung der Zuschüsse entstanden. Aus dem genannten Urteil des EuGH lasse sich in keiner Weise ableiten, daß Gesellschafterzuschüsse nach Bilanzerstellung steuerpflichtig wären, solche aber, die noch vor Bilanzerstellung geleistet würden, jedoch steuerfrei blieben.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf "EU-konforme" Anwendung des § 2 KVG, der "gesetzeskonformen" Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer und daraus folgend der "gesetzeskonformen" Vorschreibung der Gesellschaftsteuer verletzt.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und danach erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung löst nicht bereits die Begründung einer freiwilligen Übernahmsverpflichtung, sondern immer erst deren Erfüllung, also die tatsächliche Bewirkung der Leistung, den Steuertatbestand aus (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/16/0225, mit angeführter Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall wurde die Leistung erst im Juni 1995 erbracht, die Abgabenschuld entstand somit nach dem Beitritt Österreichs zur EU im Jahre 1995. Es sind daher sowohl die nationalen Bestimmungen des KVG als auch die Richtlinie des Rates vom , betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG), die maßgebenden Rechtsgrundlagen.

Gemäß § 2 Z. 4 lit. a KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer Zuschüsse eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) lautet:

"(2) Soweit sie am der Steuer zum Satz von 1 v.H. unterlagen, können die folgenden Vorgänge auch weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden:

...

b) Die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen;

..."

Nach dem bereits zitierten RS 38/88, kann sich ein Steuerpflichtiger vor seinem nationalen Gericht auf Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital berufen, die es den Mitgliedstaaten verbietet, eine Gesellschaftsteuer zu erheben, wenn die Leistung, die der Gesellschaft zugute kommt, deren Gesellschaftsvermögen nicht erhöht. Dieses Verbot ist nämlich seinem Wesen nach genau und unbedingt.

Wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt wird, bestand die Leistung der Gesellschafter in der Verlustübernahme (Verlustabdeckung), die eine Stärkung des Kapitals der Beschwerdeführerin in der Höhe der übernommenen Verluste brachte. Diese ohne Gegenleistung erbrachten Geldleistungen erhöhten den Wert der Gesellschaftsrechte (vgl. Egly/Klenk, Gesellschaftsteuer-Kommentar4, 148). Der Steuertatbestand war daher verwirklicht.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, im Beschwerdefall sei keine Steuerpflicht gegeben, weil nach dem bereits genannten ein Zuschuß zur Verlustabdeckung nicht der Gesellschaftsteuer unterworfen werde, wenn eine Verpflichtung des Gesellschafters bestehe, Verluste zu übernehmen, und diese Verpflichtung vor Eintritt der Verluste eingegangen worden sei.

Mit dem zitierten hat der EuGH (Randnummer 13) folgendes ausgesprochen:

"Wenn ... eine Gesellschaft mit Verlust abgeschlossen

hat und einer ihrer Gesellschafter sich zur Übernahme dieses Verlustes bereiterklärt, so erbringt er dadurch eine Leistung, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird. Er bringt dieses nämlich wieder auf einen Stand, den es vor Eintritt des Verlustes erreicht hatte. Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er schon vor deren Eintritt eingegangen war. Eine solche Verpflichtung bedeutet, daß sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirken werden."

Dem Urteil des EuGH lag der Fall zugrunde, daß im Jahre 1971 ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen wurde, durch den sich die Gesellschafterin verpflichtete, Verluste zu übernehmen und die Gesellschaft sich verpflichtete, Gewinne auf die Gesellschafterin zu übertragen. Die Gesellschaft erzielte zunächst Gewinne und erwirtschaftete später Verluste, deren Übernahme durch die Gesellschafterin zu Unrecht der Gesellschaftsteuer unterworfen worden war.

Mit Recht weist die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide darauf hin, daß der dem Urteil des EuGH zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit dem der Beschwerdefälle zu vergleichen sei. Dem Urteil des EuGH liegt nämlich eine Verlustübernahmeverpflichtung im Rahmen eines auf Dauer angelegten Ergebnisabführungsvertrages - somit eines gesellschaftsrechtlichen, beidseitig verpflichtend wirkenden Vertrages - zugrunde, die von vornherein verhinderte, daß sich Verluste vermögensmindernd auswirkten. Dagegen wurde in den Beschwerdefällen - wie sich insbesondere dem Beschwerdevorbringen klar entnehmen läßt - im Wege des Generalversammlungsbeschlusses vom angesichts des damals bereits eingetretenen Vermögensverlustes der in Rede stehende Zuschuß beschlossen, um "dadurch das (verlorene) Stammkapital wiederherzustellen". Damit hat im vorliegenden Fall der Zuschuß das vorher schon geschwundene Vermögen wiederhergestellt, was auch nach dem zitierten Urteil des EuGH steuerpflichtig ist. Nach der Urteilsbegründung des EuGH liegt vielmehr in der vertraglich eingegangenen Verpflichtung zwischen der Gesellschaft und der Alleingesellschafterin zur Abdeckung künftiger Verluste mit der Wirkung, daß ein Vermögensschwund gar nicht eintritt, ein wesentlicher Unterschied zu den in den Beschwerdefällen geleisteten einmaligen Zuschüssen, die schon verlorenes Vermögen wieder herstellen. Während in dem vom EuGH zu beurteilenden Fall durch die von vornherein vertraglich zugesicherte Verlustübernahme durch die Alleingesellschafterin die auch künftig eintretenden Verluste der Gesellschaft sich gar nicht auf das Gesellschaftsvermögen auswirken können, ist dies gerade in den Beschwerdefällen durch den einmaligen Zuschuß nicht gegeben. Somit war die belangte Behörde im Recht, wenn sie den vom EuGH entschiedenen Fall schon deswegen nicht als mit den Beschwerdefällen vergleichbar angesehen hat.

Die belangte Behörde stützte sich in ihrer Entscheidung, in der eine freiwillige Leistung von Gesellschaftern, die geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, zu beurteilen war, auf die mit Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG insoweit deckungsgleiche Bestimmung des § 2 Z. 4 lit. a KVG. Im Beschwerdefall liegt ein Konflikt weder zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem KVG noch zu der Rechtsprechung des EuGH vor. Es handelt sich vielmehr um einen durch die Rechtsprechung des EuGH klargestellten Fall.

Aus diesen Gründen war von einer Antragstellung an den EuGH zum Zweck einer Vorabentscheidung abzusehen (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0405, mit weiteren Zitaten).

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich somit im Ergebnis frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.