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VwGH vom 27.09.1995, 92/15/0214

VwGH vom 27.09.1995, 92/15/0214

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des Dr. H in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom , B 106-3/92, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1984 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt ehrenamtlicher Funktionär (Kassier) eines Sportvereines (in der Folge: Verein), übernahm im Jahr 1984 die Bürgschaft für einen vom Verein aufgenommenen Kredit von rund 500.000 S. In den Jahren 1985 bis 1987 hatte der Beschwerdeführer auf Grund finanzieller Schwierigkeiten des Vereines dessen Verbindlichkeiten von rund 403.000 S aus dem Titel der Bürgschaft zu erfüllen.

Der Beschwerdeführer erzielte in den Streitjahren neben Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit auch Einkünfte aus seiner Vortragstätigkeit am Wirtschaftsförderungsinstitut einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft (in der Folge: WIFI).

Strittig ist, ob die Aufwendungen für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Vereines als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1972 abzugsfähig sind und ob Teile der Einkünfte aus der Vortragstätigkeit Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten gemäß § 38 Abs 4 EStG 1972 darstellen.

Zur außergewöhnlichen Belastung vertritt die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , 90/14/0064, im wesentlichen die Ansicht, es fehle das Merkmal der Zwangsläufigkeit zur Bürgschaftsübernahme auf Grund einer sittlichen Verpflichtung. Der Beschwerdeführer verkenne das Wesen einer sittlichen Verpflichtung. Es reiche nämlich nicht aus, daß die Leistung menschlich verständlich sei, vielmehr müsse die Sittenordnung das Handeln gebieten. Eine Bürgschaft stelle immer ein Risiko dar, weshalb durch deren Übernahme bedeutende finanzielle Folgen drohten. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, die zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung aufgewandten Beträge mit erheblichen Schwierigkeiten geleistet zu haben. Da er kein Großverdiener sei und als Alleinverdiener für seine Ehegattin und seine zwei Kinder finanziell zu sorgen habe, stelle die Übernahme der Bürgschaft ein verantwortungsloses Verhalten des Beschwerdeführers seiner Familie gegenüber dar. Da die Sittenordnung zweifellos einem verantwortungsbewußten Verhalten der Familie gegenüber einem gönnerhaften, die Familie möglicherweise finanziell stark beeinträchtigenden Verhalten einem Verein gegenüber den Vorzug gebe, wäre der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu seiner Vorgangsweise - aus sittlichen Gründen verpflichtet gewesen, die Bürgschaft nicht zu übernehmen.

Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Teile der Einkünfte aus der Vortragstätigkeit vertritt die belangte Behörde im wesentlichen die Ansicht, der Beschwerdeführer habe auf Vorhalt hinsichtlich einzelner Vorträge das Vorliegen einer unterrichtenden Tätigkeit eingeräumt, bei den meisten Vorträgen jedoch verneint, wobei er sich mit der Beantwortung der an ihn gestellten Fragen begnügt habe. Der Beschwerdeführer erstrebe eine abgabenrechtliche Begünstigung. In einem solchen Fall trete der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund. Durch die Aufforderung an den Beschwerdeführer, seine Antworten durch Bestätigungen des WIFI zu belegen, sei der abgeschwächten Ermittlungspflicht nachgekommen worden. Da der Beschwerdeführer insbesondere das behauptete Nichtvorliegen inhaltlicher und/oder zeitlicher Vorgaben durch das WIFI trotz Aufforderung nicht belegt habe, habe er die von ihm behauptete Tatsache, Teile seiner Einkünfte aus der Vortragstätigkeit stellten Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten dar, nicht unter Beweis gestellt.

Zur außergewöhnlichen Belastung meint der Beschwerdeführer, er sei aus sittlichen Gründen zur Übernahme der Bürgschaft für den Verein auf Grund seiner Stellung als für finanzielle Belange zuständiger Funktionär verpflichtet gewesen, weil dem Verein ansonsten kein Kredit gewährt worden und damit der Konkurs über dessen Vermögen unabwendbar gewesen wäre. Er habe auf Grund der finanziellen Aussichten des Vereines nicht damit rechnen können, daß der nur für kurze Zeit aufgenommene Kredit nicht vom Verein getilgt und er daher aus der Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen werde.

Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Teile der Einkünfte aus seiner Vortragstätigkeit meint der Beschwerdeführer, die von ihm zum Großteil in Seminarform gestalteten Vorträge seien in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Verwertung von Urheberrechten anzusehen, weil das WIFI insbesondere an der Verwertung seiner geistigen Schöpfungen interessiert gewesen sei, was durch die am abgeschlossene "Rahmenvereinbarung" verdeutlicht werde. Die strittigen Veranstaltungen seien weder durch inhaltliche noch durch zeitliche Vorgaben eingeschränkt gewesen und hätten mit Lehrplan, Berufsausbildung oder Prüfungsvorbereitung nichts zu tun gehabt. Es lägen daher bei den strittigen Veranstaltungen all jene Voraussetzungen vor, die der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 89/14/0029, als für die Anwendung des § 38 Abs 4 EStG 1972 wesentlich angesehen habe.

Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Außergewöhnliche Belastung

Außergewöhnliche Belastungen sind gemäß § 34 Abs 1 EStG 1972 nur abzugsfähig, wenn sie zwangsläufig erwachsen. Dies ist nach Abs 3 leg cit der Fall, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Tatsächliche oder rechtliche Gründe kommen im Beschwerdefall der Sache nach nicht in Betracht. Entscheidend ist daher, ob der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles aus sittlichen Gründen verpflichtet war, in seiner Stellung als ehrenamtlicher Funktionär (Kassier) eines Vereines eine Bürgschaft von rund 500.000 S zu übernehmen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom ausgeführt hat, setzt eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet halten kann. Es reicht nicht aus, daß die Leistung menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung das Handeln gebieten. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen, in dem das Rechtsgefühl der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt (vgl das hg Erkenntnis vom , 91/14/0052, mwA). Bei einer bestehenden sittlichen Verpflichtung ist überdies noch zu prüfen, ob Aufwendungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen übersteigen, insbesondere wenn durch diese Aufwendungen Unterhaltsverpflichtungen gefährdet werden, von der Sittenordnung gutgeheißen werden (vgl das hg Erkenntis vom , 90/14/0127).

Aus dem eben Gesagten ergibt sich, daß die zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung aufgewandten Beträge nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinn einer sittlichen Verpflichtung abzugsfähig sind. Gegenüber einem Verein als juristische Person bestehen auch für einen Funktionär keine besonderen Beziehungen, die die sittliche Notwendigkeit von Aufwendungen begründen. Eine sittliche Verpflichtung im Sinn des § 34 Abs 3 EStG 1972 besteht nur zwischen Familienangehörigen, die gegenseitig nicht unterhaltspflichtig sind. Eine allgemeine sittliche Pflicht, Dritten beizustehen, besteht hingegen nicht. Der belangten Behörde ist daher keine Rechtswidrigkeit unterlaufen, wenn sie zu dem Schluß gelangt ist, daß die geltend gemachten Aufwendungen steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Überdies wird das Verhalten des - nach der Aktenlage vermögenslosen - Beschwerdeführers (Übernahme einer Bürgschaft von rund 500.000 S bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen in den Streitjahren von rund 313.000 S und Sorgepflichten gegenüber drei Personen) von der Sittenordnung im Sinn der Ausführungen der belangten Behörde keineswegs gutgeheißen.

Bei der eben dargestellten Sach- und Rechtslage erübrigte sich ein Eingehen auf die in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmängel, weil schon der aus den unbestrittenen Ausführungen des Beschwerdeführers gewonnene Sachverhalt keine andere Entscheidung in der Sache zugelassen hätte.

2. Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten

Nach § 38 Abs 4 EStG 1972 ist § 37 Abs 1 auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen .... Urheberrechten anzuwenden .... .

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der Frage befaßt, ob für die aus der Vortragstätigkeit am WIFI erzielten Einkünfte der begünstigte Steuersatz nach dieser Gesetzesstelle zusteht, wobei der Inhalt der bereits erwähnten, im Jahr 1983 mit allen Vortragenden am WIFI abgeschlossenen "Rahmenvereinbarung" aktenkundig war. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu dem Schluß gelangt, Voraussetzung für die Gewährung des begünstigten Steuersatzes sei, daß nach den zwischen dem Urheber und seinem Vertragspartner bestehenden Rechtsverhältnis (unmittelbar) das Entgelt als solches für die Verwertung urheberrechtlich geschützter Leistungen anfällt, was dann nicht zutrifft, wenn der Urheber ein Entgelt erhält, das in erster Linie gar nicht dazu bestimmt ist, eine urheberrechtlich geschützte Leistung zu entlohnen. Es muß sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise, also nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung, um Einkünfte handeln, die für die Verwertung (Werknutzung) des Urheberrechtes zugeflossen sind, was derjenige darzutun hat, der die Begünstigung in Anspruch nimmt, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß das WIFI seinen Lehrgangsteilnehmern in erster Linie - wenn auch auf hohem Niveau - Wissen vermitteln und nicht urheberrechtlich geschützte Werke bieten will (vgl das hg Erkenntnis vom , 89/14/0032, mwA).

Der Einwand des Beschwerdeführers, bei ihm lägen hinsichtlich der strittigen Veranstaltungen all jene Voraussetzungen vor, die der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm zitierten Erkenntnis vom als für die Anwendung des § 38 Abs 4 EStG 1972 wesentlich angesehen habe, ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und nicht wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis insbesondere gerügt, die belangte Behörde habe keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, ob der (damalige) Beschwerdeführer eine unterrichtende Tätigkeit ausgeübt habe. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde jedoch die damals vermißten Sachverhaltsfeststellungen - soweit sie bei Anwendung einer abgabenrechtlichen Begünstigung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet war - sehr wohl getroffen, wobei sie zur Ansicht gelangt ist, der Beschwerdeführer habe das vom WIFI bezogene Entgelt nicht für die Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten erhalten. Die zwischen dem Beschwerdeführer und dem WIFI abgeschlossene "Rahmenvereinbarung" kann im Sinn der Ausführungen der belangten Behörde sowie der im bereits erwähnten hg Erkenntnis vom - auch wenn sie punktuell und ausschließlich die wesentlichen Kriterien für die Gewährung der Begünstigung des § 38 Abs 4 EStG 1972 enthält - für den Nachweis der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten nicht als ausreichend angesehen werden. Es wäre dem Beschwerdeführer oblegen, weitere Nachweise für seine gegenteilige Behauptung zu erbringen. Als einen solchen Nachweis hat der Beschwerdeführer, neben der nochmaligen Vorlage der "Rahmenvereinbarung", lediglich eine selbst erstellte "Seminarübersicht" erbracht. Wenn die belangte Behörde diese Beweismittel als nicht ausreichend für das tatsächliche Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen Urheberrechten angesehen hat, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Es ist nämlich gerichtsbekannt, daß das WIFI seinen Lehrgangsteilnehmern Wissen vermitteln und nicht urheberrechtlich geschützte Werke bieten will.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist die belangte Behörde nicht verhalten gewesen, weitere umfangreiche Ermittlungen - deren Unterlassung als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt wird - über die vom Beschwerdeführer am WIFI ausgeübte Tätigkeit vorzunehmen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich schlüssig erkennen, welche Erwägungen die belangte Behörde bei ihrer Beweiswürdigung leiteten.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 416/1994.