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VwGH vom 24.01.1996, 95/13/0147

VwGH vom 24.01.1996, 95/13/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl un Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des AB als Erbe nach MB, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ GA 7-637/8/95, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in Israel ansässige Beschwerdeführer ist Alleinerbe nach seinem a verstorbenen Bruder MB. Zum Sachverhalt wird auch auf das die im wiederaufgenommenen Verfahren festgesetzten Abgaben (Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1989 bis 1992) betreffende Erkenntnis vom heutigen Tag, hg. Zl. 95/13/0136, hingewiesen.

Mit dem - noch vor der Einantwortung der Verlassenschaft an den Beschwerdeführer ergangenen und demzufolge an die Verlassenschaft gerichteten - Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung in das Vermögen der Verlassenschaft nach MB für schätzungsweise ermittelte Abgaben (Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1989 bis 1992) in Höhe von zusammen S 19,750.000,-- an. In der Begründung des Sicherstellungsauftrages wurde ausgeführt, im Verlassenschaftsverfahren seien (damals) Sparguthaben in Höhe von S 24 Mio. bekannt geworden. Es seien bisher keine Einkünfte erklärt worden, aus denen dieser Vermögenszuwachs stammen könnte. Es bestehe der Verdacht einer Abgabenhinterziehung. Auf Grund des Auslandsbezuge könne nur durch raschen Zugriff die Entrichtung der Abgaben gewährleistet werden.

Die gegen den Sicherstellungsauftrag erhobene Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, es erscheine im Hinblick auf die im Verlassenschaftsverfahren hervorgekommenen Sparbuchguthaben in der - damals bekannten - Höhe von S 24 Mio. im Zusammenhalt mit dem bisherigen Verhalten des Erblassers nicht unschlüssig, daß der Erblasser trotz der behaupteten Einstellung seiner Geschäftstätigkeit auch nach dem bis zu seinem Ableben seine betriebliche Tätigkeit fortgesetzt habe. Bei der schätzungsweisen Ermittlung der Abgabenansprüche habe die Abgabenbehörde jährliche Umsätze von S 27 Mio. und Gewinne aus Gewerbebetrieb von je S 1,000.000,-- (für 1992 8,5 Mio. Umsatz und S 500.000,-- Gewinn) zugrunde gelegt. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im Ausland habe, berechtige zu dem Schluß, daß die Einbringung der Abgaben wesentlich erschwert sei.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe z begegnen. Abs. 2 dieser Gesetzesstelle normiert, daß der Sicherstellungsauftrag unter anderem die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld sowie die Gründe zu enthalten hat, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt.

Nach § 280 BAO ist zwar auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag hat sich jedoch auf die Überprüfung der Frage zu beschränken, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet wurde, dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren oder nicht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 746/73, Slg. Nr. 8721/A, verstärkter Senat, und vom , 82/13/0262) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde daher im Rahmen der Rechtsmittelentscheidung Umstände nicht berücksichtigen, die nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages eingetreten sind.

Verfahrensergebnisse im Abgabenfestsetzungsverfahren können allerdings ein Indiz für eine dem erstbehördlichen Sicherstellungsauftrag zugrunde gelegte unrichtige Sachverhaltsfeststellung darstellen. Derlei aufzuzeigen obliegt jedoc der von einem Sicherstellungsauftrag betroffenen Partei. Im Beschwerdefall ist dies nicht geschehen.

Ob nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages "im Abgabenverfahren ein Exekutionstitel" vorgelegen ist, war im Hinblick auf den dargestellten Gegenstand der Berufungsentscheidung ebensoweni von Bedeutung. Die - aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht nachvollziehbare - Frage, ob hinsichtlich der Abgabenbescheide vom Vollstreckbarkeit (vgl. § 226 BAO) eingetreten war, konnte somit auf sich beruhen.

Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellun des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natu einer solchen Maßnahme, daß sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werde kann, sondern daß es genügt, daß die Abgabenschuld dem Grunde nach (nämlich gemäß § 4 BAO) mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/15/0169). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat sich das Finanzamt bei Erlassun des Sicherstellungsauftrages keinesfalls auf bloße Vermutungen gestützt. Vielmehr stellt das Hervorkommen eines bisher dem Finanzamt gegenüber nicht offengelegten Vermögens von S 24 Mio. einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, daß der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer unterliegende Tatbestände - wie in den Vorjahren - verwirklicht worden sind. Daß das Ausmaß der Abgabenschuld im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages bereits feststeht, fordert dabei das Gesetz eben gerade nicht.

Wenn der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Vorlage der Sparbücher sowie einer Bestätigung über 1988 vorhandene Sparbücher in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Berufungsverfahren ausführt, das Vermögen sei bereits 1988 vorhanden gewesen, so übersieht er, daß die Sparbücher und die Bestätigung erst anläßlich der mündlichen Verhandlung vom und somit lange nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages vom der Abgabenbehörde bekannt geworden sind. Dieser Umstand hatte daher hinsichtlich der Frage, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages die Voraussetzungen hiefür vorgelegen waren, außer Betracht zu bleiben.

Von einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung im Sinne des § 232 Abs. 1 BAO kann im wesentlichen dann gesprochen werden, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muß, daß nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint. Derartige Gefährdungen oder Erschwerungen werden unter anderem bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, Vermögensverschleuderung, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sein. Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich (vgl. neuerlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/15/0169 m.w.H.). Be Hervorkommen von den Abgabenbehörden bisher nicht offen gelegtem Vermögen in der in Rede stehenden Höhe liegt - insbesondere bei bishe gezeigten steuerunehrlichem Verhalten - der Verdacht einer Abgabenhinterziehung nahe. Im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages war die Verlassenschaft nach MB noch nicht eingeantwortet, erbserklärter Erbe war der Beschwerdeführer. Die Verlassenschaft bestand ausschließlich aus beweglichem Vermögen, überwiegend aus den streitgegenständlichen Sparbüchern. Bei dieser Sachlage erscheint die Folgerung der Behörde, eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung liege vor, schlüssig, wobei sie sich insbesondere auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers im Ausland stützen konnte, zumal mit dem Wohnsitzstaat nicht einmal Rechtshilfevereinbarungen in Abgabensachen bestehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung au den Gründen des § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.