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VwGH vom 20.09.1995, 95/13/0134

VwGH vom 20.09.1995, 95/13/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der V in W vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8 - 2096/94, betreffend Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am überreichte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt ein amtsärztliches Zeugnis vom , in welchem bestätigt wurde, daß der am geborene Sohn der Beschwerdeführerin wegen allergischer Bronchitis und Rhinitis in der körperlichen Entwicklung so beeinträchtigt sei, daß dieses Kind im vorschulpflichtigen Alter voraussichtlich dauernd einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfe.

Aus einem am beim Finanzamt überreichten ärztlichen Zeugnis einer Schulärztin vom geht hervor, daß dasselbe Kind an Allergie (Hausstaubmilbe, Mehlmilbe), Rhinitis und Bronchitis leide, aus ärztlicher Sicht aber nicht erheblich behindert sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn mit der Begründung ab, daß das Kind nach dem Inhalt der schulärztlichen Bestätigung nicht erheblich behindert sei.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung erklärte die Beschwerdeführerin, daß sie nie Gelegenheit gehabt habe, mit der Schulärztin über die Krankheit ihres Sohnes zu reden; diese sei schließlich auch nicht Hausärztin ihres Sohnes. Unter Hinweis auf die ab dem geltende neue Rechtslage schloß die Beschwerdeführerin ihrer Berufung ein neuerliches amtsärztliches Zeugnis über ihren Sohn vom an, in welchem der Grad dessen Behinderung mit 30 v. H. angegeben wurde.

Die belangte Behörde veranlaßte eine Begutachtung des Behinderungsgrades des Sohnes der Beschwerdeführerin durch das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, welche Begutachtung auf der Basis einer am vorgenommenen Untersuchung des Kindes zum Kalkül einer Behinderung im Ausmaß von 20 v.H. kam.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Da sich das Kind seit September 1988 im schulpflichtigen Alter befinde, heißt es in der Begründung, sei das von der Beschwerdeführerin vorgelegte erste amtsärztliche Zeugnis vom nicht aussagekräftig gewesen, weil in diesem nur eine erhebliche Behinderung im vorschulpflichtigen Alter attestiert worden sei. Sowohl das Zeugnis der Schulärztin vom als auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte neuerliche amtsärztliche Zeugnis vom ließen eine Behinderung des Kindes in einem für die Gewährung erhöhter Familienbeihilfe rechtserheblichen Ausmaß nicht erkennen. Zum gleichen Ergebnis führe die von der belangten Behörde veranlaßte Begutachtung durch das zuständige Bundessozialamt. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Anspruch auf Gewährung erhöhter Familienbeihilfe für ihren Sohn bestehe damit weder nach der bis zum noch nach der ab dem geltenden Rechtslage zu Recht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt wird, daß die Beschwerdeführerin sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn verletzt erachte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (im folgenden: FLAG) in der Fassung sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. 1993/531 sieht die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein solches Kind vor, das erheblich behindert ist. Als erheblich behindert im hier interessierenden Umfang galten nach § 8 Abs. 5 lit. b FLAG in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. 1993/531 Kinder, deren Schulbildung im schulpflichtigen Alter infolge eines Leidens oder Gebrechens voraussichtlich dauernd und wesentlich beeinträchtigt war oder die überhaupt schulunfähig waren; die erhebliche Behinderung war nach § 8 Abs. 6 FLAG in der bis geltenden Fassung durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen, wobei eine entsprechende Bestätigung einer inländischen Universitätsklinik oder einer inländischen Krankenanstalt sowie eine entsprechende Bestätigung des Schularztes einem solchen amtsärztlichen Zeugnis gleichzusetzen war. Durch die Novelle BGBl. 1993/531 wurden die Voraussetzungen der erheblichen Behinderung eines Kindes und das Verfahren zur Feststellung einer solchen Behinderung in den Abs. 5 und 6 des § 8 FLAG mit Wirksamkeit ab dem in folgender Weise geregelt:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung eines inländischen Amtsarztes, einer inländischen Universitätsklinik, einer Fachabteilung einer inländischen Krankenanstalt oder eines Mobilen Beratungsdienstes der Landesinvalidenämter nachzuweisen. Kann auf Grund dieser Bescheinigung die erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt werden, hat das Finanzamt einen Bescheid zu erlassen. Zur Entscheidung über eine Berufung gegen diesen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion ein Gutachten des nach dem Wohnsitz des Berufungswerbers zuständigen Landesinvalidenamtes - nunmehr Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - einzuholen. Benötigt das Landesinvalidenamt - nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen - hiefür ein weiteres Sachverständigengutachten, sind die diesbezüglichen Kosten aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."

Unberechtigt ist der Beschwerdevorwurf, daß die belangte Behörde die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches in zeitlicher Hinsicht nicht anhand der jeweils in Kraft gestandenen Rechtslage geprüft hätte. Dem angefochtenen Bescheid ist im Gegenteil zu entnehmen, daß die belangte Behörde den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe auf Grund der jeweiligen Gesetzeslage sowohl vor dem als auch nach dem gesondert beurteilt hat. Daß die belangte Behörde in diesen Beurteilungen aber zur Verneinung des geltend gemachten Anspruches gelangt ist, gründet sich auf Sachverhaltsfeststellungen, die Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung sind. Die Würdigung einander widersprechender amtsärztlicher Bekundungen ist ein Akt behördlicher Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO (vgl. hiezu zuletzt das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0258). Die im Beschwerdefall angestellten behördlichen Beweiswürdigungserwägungen halten der dem Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Schlüssigkeitskontrolle stand. Zutreffend hat die belangte Behörde auf den Umstand verwiesen, daß das von der Beschwerdeführerin vorgelegte amtsärztliche Zeugnis vom nur sachlich nicht erhebliche Bekundungen über eine Behinderung des Kindes im Vorschulalter enthalten hatte; ebenso zutreffend hat die belangte Behörde auf das von der Beschwerdeführerin mit ihrer Berufung selbst vorgelegte neuerliche amtsärztliche Zeugnis vom verwiesen, welches einen Behinderungsgrad nur von 30 v. H. auswies. Daß die belangte Behörde ein Gutachten des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingeholt hat, war nicht gesetzwidrig, wie die Beschwerdeführerin behauptet, sondern entsprach vielmehr dem ausdrücklichen gesetzlichen Gebot der Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG in der ab dem geltenden Fassung. Daß sich das Gutachten des Bundesamtes auf keine ärztliche Untersuchung des Kindes gestützt habe, ist eine mit der Aktenlage nicht im Einklang stehende Behauptung der Beschwerdeführerin, weil diesem Gutachten tatsächlich die am vorgenommene Untersuchung des Kindes zugrunde lag.

Auch die zum Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdeausführungen erweisen sich nicht als geeignet, die Beschwerde zu einem Erfolg zu führen. Daß über den Krankheitszustand des Kindes und das Ausmaß seiner Behinderung die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden wären, trifft der dargestellten Aktenlage nach nicht zu. Die Rüge der Unterlassung der Beiziehung eines "anderen Amtsarztes" trotz des Vorbringens der "Inkompetenz" der Schulärztin muß deswegen erfolglos bleiben, weil es sich zum einen bei der geltend gemachten "Inkompetenz" der Schulärztin um eine nicht einsichtig untermauerte Behauptung gehandelt hatte, zum anderen das von der Beschwerdeführerin mit ihrer Berufung vorgelegte neuerliche amtsärztliche Gutachten die behördliche Beurteilung in sachlicher Hinsicht inhaltlich bestätigt hat und schließlich im Berufungsverfahren eine Begutachtung des Behinderungsgrades des Sohnes der Beschwerdeführerin ohnehin erfolgt ist. Soweit die Beschwerdeführerin allgemein rügt, daß ihr das rechtliche Gehör insoweit nicht gewahrt worden sei, als man ihr keine Gelegenheit geboten habe, die tatsächlichen Behinderungen des Kindes darzulegen, ist ihr zu erwidern, daß die Feststellung des Behinderungsgrades eines Kindes, für welches erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG beantragt wurde, nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG in beiden Fassungen auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen hat, ohne daß den Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteils dabei entscheidende Bedeutsamkeit zukäme. Wodurch die Beschwerdeführerin gehindert gewesen wäre, aus Anlaß der ärztlichen Untersuchungen ihres Kindes sowohl durch den Amtsarzt als auch im Zuge der Begutachtung im Berufungsverfahren den Ärzten ihre Wahrnehmungen über die Leidenszustände des Kindes mitzuteilen, ist im übrigen nicht zu erkennen. Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde zwar insoferne verletzt, als dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, daß die belangte Behörde ihr das nach § 8 Abs. 6 FLAG in der Fassung der Novelle BGBl. 1993/531 eingeholte Gutachten vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 183 Abs. 4 BAO zur Kenntnis gebracht und der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben hätte, sich zum Inhalt dieses Gutachtens zu äußern. Dieser der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensmangel hat im Beschwerdefall zur Bescheidaufhebung aber deswegen nicht zu führen, weil die Beschwerdeführerin nicht darzustellen vermag, welches in Kenntnis des Gutachtensinhaltes vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ihrerseits erstattete Vorbringen geeignet sein konnte, einen im Ergebnis anderen Bescheid herbeizuführen. Der in der Beschwerde unternommene Hinweis auf ein nach Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Finanzamt vorgelegtes erneutes amtsärztliches Gutachten vom mit dem Ergebnis eines begutachteten Behinderungskalküles von 50 v. H. erweist sich jenseits einer Betrachtung dieses Hinweises unter dem Gesichtspunkt des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht als zielführend, weil dieses Zeugnis für seine gegenüber dem Vorjahr abweichende und zum im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten in auffälligem Widerspruch stehende Beurteilung keine Begründung gibt, sodaß es auch bei Vorlage vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht hätte geeignet sein können, die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gelangen zu lassen.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs 1. VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.