VwGH vom 30.03.1998, 97/16/0218

VwGH vom 30.03.1998, 97/16/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der P-GmbH in L, vertreten durch Dr. Dieter Cerha und Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwälte in Wien I, Judenplatz 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 3-1/P 6/1/1997/So, betreffend Befreiung von einer Zollschuld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin betreffend 12 näher bezeichnete Eingangsabgabenbescheide aus dem Jahr 1993 die Befreiung von der Zollschuld. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß der Empfänger (die Bay City Sportswear Vertriebs GmbH in Traun) die Waren übernommen habe, wozu sich die Beschwerdeführerin auf Übernahmebestätigungen berief.

Da diese Bestätigungen dem Antrag nicht beilagen, forderte das Hauptzollamt Linz die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom auf, binnen zwei Wochen die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

Daraufhin gab die Beschwerdeführerin in einer Eingabe vom u.a. folgendes bekannt: "Die Waren wurden teilweise nicht von der Fa. Bay City selbst übernommen, sondern von uns in deren Auftrag bereits an verschiedene Kunden aufgeteilt und ausgeliefert."

Dieser Erklärung angeschlossen waren zwei Listen mit diversen Lieferadressen (unter ihnen auch der Anschrift des oben genannten Empfängers).

Das Hauptzollamt Linz wies mit Bescheid vom den Antrag auf Befreiung von der Zollschuld ab und begründete diese Entscheidung damit, es seien keine ausreichenden Nachweise der tatsächlichen Übernahme der Waren erfolgt.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie u.a. folgendes vorbrachte:

"Die gegenständliche Ware wurde großteils - aufgrund ausdrücklicher Weisung des Empfängers, der Bay City Sportswear Vertriebsgesellschaft m.b.H., Madersperger Straße 7, 4050 Traun, - nicht an diesen, sondern gleich direkt an dessen Kunden zugestellt und von diesem übernommen:


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Firma Jolly Joker, Kirchenplatz 6, 5110 Oberndorf
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Moden Müller GmbH & Co KG, 2334 Vösendorf, Shopping City Süd
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Moden Müller GmbH & Co KG, Schmiedgasse 8-10, 8430 Leibnitz
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Moden Müller GmbH & Co KG, Wiener Straße 7, 7400 Oberwart
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Moden Müller GmbH & Co KG, Lazarettgürtel 55, 8020 Graz
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Moden Müller GmbH & Co KG, Murgasse 5, 8010 Graz
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Moden Müller GmbH & Co KG, Bahnhofstraße 110, 8401 Kahlsdorf
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Josef Planteu, Kaufhaus, 9125 Kühnsdorf, Nord 52
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C + A Mode, Gabriksstraße 13, 4470 Enns
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Müller GmbH; Herberstein 103, 8222 St. Johann
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ELMO Monika Weiß, Flurgasse 11, 8200 Gleisdorf
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Firma Steinfeld, Jakominiplatz 16, 8010 Graz
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Exxxtra HandeslgmbH, Kameokastraße 6, 8720 Knittelfeld
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Huber Pachner, Steinfelden 24, 4644 Scharnstein
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Top Schuh Leder und Schuh AG, Lastenstraße 11, 8021 Graz
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Zimm Mode "ERZI" GmbH, Stockerauer Straße 181, 2100 Korneuburg
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Franz Reiter OHG, Landstraße 68, 4020 Linz

Auf den Deckblättern der beigelegten Beilagenkonvolute sind, nach WE-Nummern geordnet, die jeweiligen Übernehmer im Detail ersichtlich.

Beweis: Unter einem vorgelegte Urkunden;

Zeuge Harald Mayerhofer, Lärchenweg 2, 4050 Traun;

Zeuge Mag. Christian Bauer, geb. , p.A. CB Sportswear VertriebsgmbH, Wiener Straße 8, 8020 Graz;

Zeugin Irene Schnellinger, 4210 Gallneukirchen.

Der Empfänger bzw. alle von ihm bekanntgegebenen Dritten haben die jeweilige Ware, wie auf den Deckblättern der Beilagenkonvolute verzeichnet, tatsächlich empfangen. Wir konnten jedoch nicht mehr für alle Empfänger schriftliche Übernahmebestätigungen vorfinden. Diesbezüglich wird der Beweis der Übernahme durch Zeugen angeboten:

Hinsichtlich der Firma Jolly Joker:

Zeuge N. Pichler, Salzburgerstraße 35, 5110 Oberndorf (Telefon 0663(9274061);

hinsichtlich der Firma ELMO in Gleisdorf:

Monika Weiß, Flurgasse 11, 8200 Gleisdorf;

hinschtlich der Bay City Sportswear VertriebsgmbH:

Zeugen Mag. Christian Bauer und Irene Schnellinger;

sowie hinsichtlich aller Übernahmen, insbesondere auch hinsichtlich WE Nr. 500/804587/05/3: Zeuge Harald Mayerhofer.

Der Übernahme durch den Empfänger ist die Übernahme desjenigen gleichzusetzen, an den aufgrund Weisung des Empfängers zuzustellen war."

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Hauptzollamt Linz der Berufung teilweise Folge (und zwar in den im Spruch der BVE unter Z. 1 bis 3 näher bezeichneten Fällen) in dem die Beschwerdeführerin diesbezüglich von der entstandenen Eingangsabgabenschuld befreit wurde; im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Dazu vertrat die genannte Behörde die Rechtsmeinung, nur ein Nachweis der Übernahme der Ware durch den Empfänger selbst könne zur Zollschuldbefreiung führen. Ein solcher Nachweis könne vom Empfänger aber nur dann gegeben werden, wenn ihm die Ware auch physisch vorgeführt worden sei. Laut Aussage der Zeugin Schellinger, der Importsachbearbeiterin des Empfängers, seien die gegenständlichen Waren direkt aus dem Lager der Beschwerdeführerin an die jeweiligen Kunden des Empfängers ausgeliefert worden, ohne jeweils tatsächlich in die Räumlichkeiten des Empfängers verbracht worden zu sein. Weil der Übernahme der Waren durch den in der Anmeldung genannten Empfänger die Übernahme durch eine andere Person (über Weisung des Empfängers) nicht gleichzuhalten sei, seien die übrigen angebotenen Zeugenbeweise gar nicht durchgeführt worden.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweite Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab, verwies auf die Entscheidungsgründe der Berufungsvorentscheidung und vertrat die Auffassung, die Befreiung des Anmelders sei nur in jenem Fall möglich, in dem die Ware von demjenigen übernommen werde, der in der Anmeldung als Warenempfänger genannt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Befreiung von der Zollschuld verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der auf den Beschwerdefall noch anzuwendende § 174 Abs. 4 ZollG 1988 lautet:

"(4) Die nach Abs. 2 oder nach Abs. 3 lit. c für den Anmelder entstandene Zollschuld entsteht im selben Zeitpunkt auch für den Empfänger, falls dieser in der schriftlichen Anmeldung oder bei der mündlichen Anmeldung im zollamtlichen Abfertigungsbefund genannt ist. Der Anmelder kann sich in diesen Fällen von der für ihn entstandenen Zollschuld durch den Nachweis befreien, daß der Empfänger die Ware übernommen hat."

Nach § 166 BAO kommt im Abgabenverfahren als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Kern des Beschwerdevorbringens ist das (als argumentum ad absurdum) gebrachte, anschauliche Beispiel, wonach (die Richtigkeit der Rechtsmeinung der belangten Behörde vorausgesetzt) im Falle eines Warenimports aus der Schweiz der für einen Wiener Empfänger tätige Anmelder, der den Auftrag hat, die Ware an einen in Vorarlberg befindlichen Abnehmer auszuliefern, die Ware zunächst nach Wien bringen und dem Wiener Empfänger übergeben müßte, um von der Zollschuld befreit zu werden; erst danach dürfte er die Ware an den Vorarlberger Abnehmer zustellen.

Dies wäre in der Tat ein höchst unökonomischer Vorgang.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 82/16/0160, Slg. N.F. 5788/F, mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen, in welchem der Anmelder über Auftrag des Warenempfängers die Waren nach der Verzollung direkt an einen Dritten auszuliefern hatte. Derartige Vorgänge sind in der Praxis häufig und spricht man in diesem Zusammenhang von der sog. Lieferung im Streckengeschäft (vgl. dazu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht10 II 78f). Der Verwaltungsgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung zur Frage des Nachweises der Übernahme ausdrücklich betont, daß der vom Warenempfänger erteilte Auftrag, die Ware direkt an den Dritten zu liefern auch in Verbindung mit der im Speditionsbetrieb gefolgerten Wahrscheinlichkeit der Übernahme der Waren nicht ausreicht, weil § 174 Abs. 4, zweiter Satz ZollG eine Nachweispflicht normiert. Auch im Erkenntnis vom , Zl. 94/16/0038, hat der Verwaltungsgerichtshof nur klargestellt, daß die Vorlage eines Auftrages des Warenempfängers, die Ware an einen Dritten zu liefern, allein nicht für die Erfüllung des Befreiungstatbestandes ausreicht.

Daraus folgt aber, daß im Falle eines Nachweises (der gemäß §§ 166, 167 Abs. 2 BAO gemäß dem Prinzip der Gleichwertigkeit aller Beweismittel durchaus auch im Wege von Zeugenbeweisen erbringbar ist) der Übernahme der Ware durch denjenigen Dritten, an den der Anmelder die Ware über Weisung des Empfängers (im kurzen Weg) ausgeliefert hat, der Zollbefreiung des Anmelders nichts im Wege steht. Die belangte Behörde (die dazu in ihrer Gegenschrift vermeint, es komme auf die Übernahme durch den Empfänger selbst an, weil nur dieser zusammen mit dem Anmelder im Gesamtschuldverhältnis stehe) ist darauf zu verweisen, daß sich durch die Auslieferung der Ware über Weisung des Empfängers an einen von ihm bezeichneten Dritten an der Stellung des in der Anmeldung bezeichneten Empfängers als Zollschuldner nichts ändert und daß es für die von § 174 Abs. 4 Satz 2 ZollG eröffnete Möglichkeit der Befreiung von der Zollschuld keinen Unterschied bedeuten darf, ob der Annehmer die Ware an den Empfänger selbst übergibt oder an einen von diesem bezeichneten Dritten im kurzen Weg liefert.

Der angefochtene Bescheid leidet daher an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde abgesehen von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin angebotenen Zeugenbeweise auch mit der Frage zu beschäftigen haben, ob es nicht jedenfalls angezeigt gewesen wäre, der Berufung in dem Umfang stattzugeben, in dem ihr schon mit der Berufungsvorentscheidung der erstinstanzlichen Zollbehörde Folge gegeben worden war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.