VwGH vom 26.11.1997, 95/13/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S Kommanditgesellschaft in W, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , Zl. 6/3-3083/94-04, betreffend Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft errichtete in den Jahren 1987 und 1988 eine Lagerhalle, die sog. "Terminalhalle W.". Die Halle wurde in der ersten Jahreshälfte 1988 fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Mit einem Pachtvertrag vom verpachtete die Beschwerdeführerin unter anderem diese Lagerhalle an die M. GmbH, an welcher Gesellschaft dieselben Gesellschafter wie an der Beschwerdeführerin beteiligt sind. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages hatte das Bestandverhältnis bereits am begonnen.
Von den im Jahre 1988 aufgewendeten Teilherstellungskosten der "Terminalhalle W." nahm die Beschwerdeführerin einen Investitionsfreibetrag in der vollen Höhe von 20 % in Anspruch.
Dem Investitionsfreibetrag wurde bei einer unter anderem das Streitjahr umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung die Anerkennung versagt. Der Prüfer vertrat zur Begründung die Auffassung, der Investitionsfreibetrag stehe nicht zu, wenn ein Gebäude innerhalb der Behaltefrist an Dritte zur entgeltlichen Nutzung überlassen wird. Das Finanzamt erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1988.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingewendet, daß die Ansicht, der Invesititionsfreibetrag sei rückwirkend zu versagen, wenn innerhalb der vierjährigen Behaltefrist das Gebäude entgeltlich an Dritte überlassen wird, im Gesetz keine Deckung finde. Für die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages sei zu prüfen, ob das Objekt im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Investitionsfreibetrages unmittelbar dem Betriebszweck gedient hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde vom , abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, für Gebäude, die unmittelbar dem Betriebszweck dienen, einen Investitionsfreibetrag im Jahr der Herstellung geltend zu machen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung
entspricht nicht dem Gesetz:
Nach § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 durfte ein Investitionsfreibetrag für Gebäude nicht in Anspruch genommen werden, soweit sie zur entgeltlichen Überlassung an Dritte bestimmt waren, sowie für Gebäude, soweit sie nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienten oder soweit sie nicht für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt waren. Schieden Wirtschaftsgüter, für die ein Investitionsfreibetrag gewinnmindernd geltend gemacht wurde, vor Ablauf des fünften auf das Jahr ihrer Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres aus dem Betriebsvermögen aus, so war nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle der Gewinn im Jahre des Ausscheidens um den Freibetrag zu erhöhen.
Entscheidend für die Inanspruchnahme des Investitionsfreibetrages ist im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt seiner Anschaffung bzw. seiner Herstellung. Dabei gilt als Zeitpunkt der Herstellung eines Wirtschaftsgutes der Zeitpunkt, in dem das Wirtschaftsgut bestimmungsgemäß verwendbar ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/13/0002, zu
§ 122 Abs. 3 EStG 1972 bzw. vom , 94/14/0167, zu
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/14/0114, 0137, nicht entnommen werden, daß auf die tatsächliche längerfristige Nutzung des Wirtschaftsgutes durch den Abgabepflichtigen zu "produktiven Zwecken" abzustellen ist (vgl. entgegen Quantschnigg, Aktuelles aus der Verwaltungspraxis zu den Investitionsbegünstigungen; ÖStZ 1989, 111, die kritischen Ausführungen von Bruckner, Rückwirkende Aberkennung des Investitionsfreibetrages bei Vermietung (Verpachtung) innerhalb der Behaltefrist? ÖStZ 1991, 202). Im Hinblick auf den Charakter der Einkommensteuer als Abschnittssteuer ist eine Bedachtnahme auf erst nach der jeweiligen Steuerperiode verwirklichte Sachverhalte grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Rechtsvorschrift, derentwegen eine andere Beurteilung geboten erschiene - der Nachversteuerungstatbestand des § 10 Abs. 3 EStG 1972 liegt nach übereinstimmender Auffassung der Streitparteien nicht vor -, gibt es nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/15/0150).
Das in Rede stehende Gebäude wurde nach seiner Herstellung von der Beschwerdeführerin unmittelbar betrieblich genutzt. Daß eine Änderung der Nutzungsart des Gebäudes durch eine Verpachtung des Gebäudes bereits im Zeitpunkt der Herstellung beabsichtigt gewesen war, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt (und ist auch aus dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht erkennbar). Damit war aber der Ausschlußtatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 nicht erfüllt.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Hinsichtlich der an den VfGH vorgelegten Beilagen hatte ein Ersatz der Stempelgebühren zu unterbleiben.