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VwGH vom 20.04.1995, 95/13/0071

VwGH vom 20.04.1995, 95/13/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 8-2130/93, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdeschrift trägt die Beschwerdeführerin seit vielen Jahren die persönliche Obsorge und Betreuung sowie die finanzielle Unterstützung ihres von Geburt an an einer Geisteskrankheit leidenden Bruders Joso P. Ihr Bruder lebe seit vielen Jahren in ihrem Haushalt, zunächst in B in Bosnien, sodann nach der Besetzung des Heimatdorfes durch serbische Truppen in S, Kroatien. In diesem Haushalt lebe auch die jetzt 78-jährige Mutter, die die Beschwerdeführerin ebenfalls zur Gänze mit Hilfe ihres in Österreich als Bedienerin erzielten Einkommens erhalten müsse. Der Vater der Beschwerdeführerin sei bereits verstorben. Die Mutter sei der Beschwerdeführerin bei der Pflege, Obsorge und Betreuung ihres kranken Bruders behilflich.

Mit Bescheid vom wies das zuständige Finanzamt den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Bruder Joso P. ab, weil es sich bei diesem um kein Kind im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes handle.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides verneinte die belangte Behörde insbesondere das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses des Bruders zur Beschwerdeführerin.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder sowie die bestimmt aufgezählten volljährigen Kinder. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind Kinder im Sinne des Abschnittes I des Gesetzes - neben Nachkommen, Wahlkindern und deren Nachkommen sowie Stiefkindern - "Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)" (lit. d des § 2 Abs. 3 FLAG).

Die bezogenen Bestimmungen des ABGB lauten:

2. Das Pflegeverhältnis

§ 186. (1) Pflegeeltern üben ihre Rechte auf Grund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten (§ 137a) oder durch den Jugendwohlfahrtsträger (§ 176a) aus.

(2) Pflegeeltern haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Vormundschafts- und Pflegschaftsverfahren Anträge zu stellen.

§ 186a. (1) Das Gericht hat Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht, das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für die Pflegeeltern.

(2) Haben die Eltern oder Großeltern die Obsorge oder haben sie diese gehabt und stimmen sie der Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre.

(3) Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht.

(4) Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Jugendwohlfahrtsträger und jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. § 181a Abs. 2 gilt sinngemäß.

Von der Beschwerdeführerin wird selbst eingeräumt, daß es sich bei dem Rechtsverhältnis zu ihrem Bruder Joso P. nicht um ein Pflegekindschaftsverhältnis im Sinne der §§ 186 f ABGB handelt. Damit aber ist das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden: Verbindet der Gesetzgeber wie hier nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung abgabenrechtliche Folgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete, so übernimmt er auch den Bedeutungsinhalt, der den Begriffen in der Heimatdisziplin zukommt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/15/0194, und vom , 92/16/0174). Pflegekinder sind demnach nur solche Personen, bei denen die Pflegeeltern ihre Rechte auf Grund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten oder durch den Jugendwohlfahrtsträger ausüben oder aber bei denen das Gericht den Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge über das Kind ganz oder teilweise übertragen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/15/0120). Handelt es sich, wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, bei ihrem Bruder nicht um ein Pflegekind im Sinne der §§ 186 f ABGB, so besteht für diesen von vornherein kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Soweit die Beschwerdeführerin dabei auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinne des § 21 BAO verweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß es sich bei diesem Grundsatz nicht um eine Auslegungsregel, sondern vielmehr um eine Richtlinie für die Beurteilung abgabenrechtlicher Sachverhalte nach deren inneren Gehalt handelt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/13/0109). Für die Auslegung des Begriffes Pflegekind kann somit aus der Bestimmung des § 21 BAO nichts gewonnen werden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte es sich, auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage der Haushaltszugehörigkeit ihres Bruders Joso P. - wofür die Tatsache einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 336/70, Slg. 4297/F) - näher einzugehen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.