VwGH vom 31.01.2001, 95/13/0065
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde der R W in W, vertreten durch Dr. Karl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien XV, Beingasse 27/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl 6/1-1308/94-05, betreffend ua Einkommensteuer 1984, 1985 sowie 1988 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte neben Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit als Ärztin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich eines Hauses und ab 1992 einer Eigentumswohnung. In ihren Einkommensteuererklärungen der Jahre 1984 und 1985 sowie 1988 bis 1992 machte die Beschwerdeführerin jeweils eine Rücklage gemäß § 28 Abs 3 EStG 1972 bzw Abs 5 EStG 1988 geltend. Die Veranlagung zur Einkommensteuer der Jahre 1984, 1985 sowie 1988 bis 1991 erfolgte diesbezüglich erklärungsgemäß. Bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer 1992 wurde die geltend gemachte Rücklage nicht anerkannt. Gleichzeitig erließ das Finanzamt für die Jahre 1984, 1985 sowie 1988 bis 1991 gemäß § 293 b BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide, in welchen jeweils die geltend gemachte Rücklage nicht anerkannt wurde. Begründend verwies das Finanzamt darauf, bei den Einnahmen aus der Vermietung handle es sich nicht um verrechnungspflichtige Mieteinnahmen gemäß § 20 Abs 1 MRG, weshalb "§ 28 Abs 5 EStG" nicht zum Zug komme.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, § 293 b BAO sei geschaffen worden, um Unrichtigkeiten in der Erklärung zu korrigieren, nicht aber, um neue Rechtsansichten des Finanzamtes zu "verwirklichen"; dem Finanzamt sei alles offen gelegt worden, es bestehe daher keine Möglichkeit, von rechtskräftigen Bescheiden einseitig abzurücken. Für das in den Jahren 1924 bis 1931 errichtete Einfamilienhaus seien zwingende Bestimmungen des MRG, des Zinsstoppgesetzes und noch weitere mietzinsbeschränkende Maßnahmen wirksam, sodass es keine frei verfügbaren, sondern nur verrechnungspflichtige Einnahmen gebe. Im Übrigen klagte die Beschwerdeführerin über einen hohen Sanierungsbedarf des Hauses und hinsichtlich der Eigentumswohnung über ohnehin nur kärgliche Mieteinnahmen dieser als künftiger Praxisraum vorgesehenen Wohnung.
In einem Vorhalt wies das Finanzamt u.a. darauf hin, dass die Abgabenbehörde gemäß § 293 b BAO einen Bescheid insoweit berichtigen könne, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruhe. Sowohl ein Einfamilienhaus als auch eine Eigentumswohnung in einem Gebäude, das auf Grund einer nach dem erteilten Baubewilligung errichtet worden ist, liege außerhalb des Anwendungsbereiches des § 20 MRG und damit des § 28 Abs 5 EStG. Gemäß § 302 Abs 1 BAO sei eine Berichtigung gemäß § 293 b BAO bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig. Die Verjährungsfrist sei gegenständlich noch nicht abgelaufen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Bei dem Haus handle es sich unbestritten um ein Einfamilienhaus. Da § 20 MRG auf diese Liegenschaft nicht anwendbar sei, und es somit keine verrechnungspflichtigen Einnahmen gebe, könnten keine steuerfreien Beträge gebildet werden. Die Unrichtigkeit sei offensichtlich, weil sie auf keiner vertretbaren Rechtsansicht beruhe. Der Umstand, dass die Behörde am Übersehen des Fehlers in der Abgabenerklärung ein Verschulden treffe, stehe einer Berichtigung nicht entgegen. Maßnahmen nach § 293 b BAO seien nach § 302 Abs 1 BAO bis zum Ablauf der Verjährung zulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst die Ansicht der belangten Behörde, die Bildung einer Mietzinsrücklage sei unter den im Beschwerdefall gegebenen Umständen keine vertretbare Rechtsansicht. Es mute aus der Gesamtschau der Rechtsordnung denkunmöglich an, dass die Einnahmen an einem dem MRG unterliegenden Mietgegenstand nicht zu dessen Erhaltung und Verbesserung - steuerfrei bleibend - verwendet werden könnten, nur weil hier die Ausnahmeregelung von der Verrechnungspflicht des § 1 Abs 4 Z 2 MRG Platz greife. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin solle im § 28 Abs 3 bzw 5 der Einkommensteuergesetze die Beifügung "verrechnungspflichtige" (Einnahmen) unter Anführungszeichen gelesen bzw gedanklich in Klammer gesetzt werden, weil das Gedankengut, das der bezogenen Bestimmung des MRG zu Grunde liege, gedanklich zur richtigen Formulierung des EStG führe:
"..... können steuerfreie Beträge gebildet werden, wenn die Einnahmen, welche und wie sie nach § 20 MRG zu verrechnen sind, sowie ..... die mit diesem Grund in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Werbungskosten übersteigen" ("fiktive Verrechnungspflicht").
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf: Es mag zutreffen, dass die Bildung einer Mietzinsrücklage im Beschwerdefall dann auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhen könnte, wenn § 28 EStG so lautete, wie von der Beschwerdeführerin - durch Abschwächung der "Verrechnungspflicht" - dargestellt. Dies ist aber nicht der Fall. § 28 EStG stellt ganz im Gegenteil auf die - nach mietrechtlichen Vorschriften normierte - "Verrechnungspflicht" von Einnahmen, nicht aber auf die allenfalls beabsichtigte Verwendung dieser Einnahmen ab. Die Beschwerdeführerin stellt aber weder in Abrede, dass es sich bei der so angesprochenen Norm insbesondere um § 20 MRG handelt, noch, dass im Hinblick auf § 1 Abs 4 MRG im Beschwerdefall § 20 MRG nicht gilt.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, bei Einfamilienhäusern komme eine Mietzinsrücklage auch dann in Betracht, wenn ein Erhaltungsbeitrag nach § 45 MRG eingehoben werde, erübrigt sich ein Eingehen darauf, weil die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, dass ein solcher Erhaltungsbeitrag im gegenständlichen Fall eingehoben worden wäre.
Die Rüge, § 293 b BAO hätte auf die Bescheide, die in den Jahren 1984 bis 1989 erlassen worden seien, nicht angewandt werden dürfen, weil diese Norm erst am in Kraft getreten sei, ist verfehlt. Die auf § 293 b BAO gestützte Berichtigung, somit die nunmehr gesetzlich gedeckte Handlung, wurde tatsächlich erst zu einem Zeitpunkt gesetzt, als die entsprechende Bestimmung bereits in Kraft getreten war. Eine "rückwirkende" Anwendung des Gesetzes liegt daher nicht vor.
Unberechtigt ist im Hinblick auf § 302 Abs 1 erster Satz BAO auch die Rüge der Beschwerdeführerin, die entsprechende Berichtigung hätte lediglich innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Bescheide erfolgen dürfen. Hinsichtlich der für ihre diesbezügliche Ansicht ins Treffen geführten Kommentarstellen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 2. Auflage, Rz 7 zu § 302 und Stoll, BAO, Kommentar, S 2905) übersieht die Beschwerdeführerin einerseits, dass darin Berichtigungen nach § 293 (nicht § 293 b) BAO behandelt werden und andererseits, dass diesbezüglich auf eine durch § 302 Abs 1 zweiter Satz BAO normierte Erweiterung gegenüber der Regelung des § 302 Abs 1 erster Satz hingewiesen wird (vgl insbesondere Stoll, aaO).
Ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zeigt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen auf, § 293 b BAO hätte die Beseitigung typischerweise bei so genannten Soforteingabefällen unterlaufene Unrichtigkeiten ermöglichen sollen. Die diesbezüglichen Fälle mögen allenfalls eines der Motive für die Einführung dieser Gesetzesstelle gewesen sein, eine entsprechende Beschränkung enthält die gesetzliche Bestimmung aber nicht.
Soweit sich die Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Ansicht, der gegenständlichen Geltendmachung einer Rücklage nach § 28 EStG liege eine vertretbare Rechtsmeinung zu Grunde, einerseits auf "die Lehre" beruft, bleibt dieses nicht näher begründete Vorbringen eine bloße Behauptung. Andererseits zeigt die Beschwerdeführerin auch mit dem Hinweis darauf, dass das Finanzamt die gebildete Rücklage jahrelang anerkannt habe, nicht auf, dass dieser Anerkennung eine vertretbare Rechtsansicht zu Grunde lag.
Der Anfall tatsächlicher Anwendungen ist im Übrigen kein taugliches Argument gegen die behördliche Ermessensübung.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am