VwGH vom 18.10.1995, 95/13/0062
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der N Versicherungs AG in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5 - 1728/94, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag und Säumniszuschlag für den Zeitraum vom bis zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Versicherungsgesellschaft, die für einen Teil ihrer im Außendienst tätigen Arbeitnehmer Betriebstreueversicherungen in Form einer Er- und Ablebensversicherung abgeschlossen und an Prämien Beträge von S 4.000,-- jährlich für jeden betroffenen Arbeitnehmer bezahlt hat. Die Beschwerdeführerin schloß solche Versicherungen dabei für jenen Teil ihrer Außendienstmitarbeiter ab, der nicht akquisitorisch, sondern lediglich organisatorisch tätig war, was auf sechs Landesdirektoren, sechzehn Gebietsorganisationsleiter, einige Verkaufsassistenten sowie Außendienstmitarbeiter mit einer Stabsfunktion in einer Landesdirektion, etwa als Maklerbetreuer, zutraf.
Über die Steuerfreiheit dieser von der Beschwerdeführerin für die betroffenen Arbeitnehmer geleisteten Prämienzahlungen nach § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 ausschließlich im Grunde der Frage, ob der von der Beschwerdeführerin begünstigte Personenkreis als "bestimmte Gruppe" ihrer Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist oder nicht, geht der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehende Streit.
Die belangte Behörde verneinte diese Frage im angefochtenen Bescheid mit der Begründung, daß das im § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 geforderte Gruppenmerkmal für leitende Angestellte nicht gegeben sei. Es komme zwar der Frage, ob die durch die Betriebstreueversicherung der Beschwerdeführerin begünstigten Arbeitnehmer als leitende Angestellte anzusehen seien, entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zu, weil nur zu prüfen sei, ob es sich bei diesen Personen um eine Großgruppe von Bediensteten handle, welche sich funktional von anderen Gruppen der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin abhebe. Wesentliche Bedeutung komme aber dem Umstand zu, daß die begünstigten Arbeitnehmer von der Beschwerdeführerin selbst als Führungskräfte des Außendienstes bezeichnet worden seien, welche als Landesleiter, Organisationsbetreuer, Vertriebsbetreuer, Assistenten der Landesleiter und Fachinspektoren agierten und als solche die Tätigkeit der akquisitorisch eingesetzten Außendienstmitarbeiter organisatorisch leiteten, diese schulten und anderweitige Koordinationsaufgaben erfüllten. Damit seien die begünstigten Arbeitnehmer den rein akquisitorisch Tätigen im organisatorischen Bereich nämlich übergeordnet, stellten also mit Leitungsfunktionen ausgestattete Mitglieder der Gruppe "Außendienstmitarbeiter" dar, ohne daß sachbezogene Kriterien vorlägen, welche es gestatteten, diese Personengruppe als eigene Gruppe von Arbeitnehmern im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 zu behandeln. Eine unterschiedliche Behandlung von akquisitorisch tätigen Außendienstmitarbeitern einerseits und organisatorisch im Außendienst tätigen Mitarbeitern andererseits sei entgegen der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erstatteten Ausführungen als sachlich geboten nicht zu erkennen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die durch die Betriebstreueversicherung begünstigten Arbeitnehmer kämen nur deshalb in den Genuß dieses Vorteils, weil sie keine Provisions- und Nachprovisionsansprüche erwerben könnten, werde durch den Inhalt des maßgeblichen Kollektivvertrages widerlegt, welcher auch für nur verkaufsorganisatorisch im Werbeaußendienst tätige Angestellte Ansprüche auf Provisionszahlungen vorsehe. Daß die organisatorisch tätige Personengruppe keine Provisionsansprüche erwerben dürfe oder allfällige in der Vergangenheit erworbener Provisionsansprüche verlustig gehe, sei im Kollektivvertrag nicht vorgesehen. Dies sei deswegen von Bedeutung, weil im Normalfall besonders erfolgreich im Bereich der Akquisition tätige Außendienstmitarbeiter mit verkaufsorganisatorischen Leitungsagenden betraut würden; solche Personen hätten in der Regel in der Vergangenheit Provisionsansprüche erworben, welche bei Auflösung ihres Dienstverhältnisses zu berücksichtigen seien. Die den akquisitorisch im Außendienst Tätigen zukommenden Nachfolgeprovisionen seien zudem als Zukunftssicherungsmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 gar nicht anzusehen. Würden doch die den Angestellten nach Auflösung des Dienstverhältnisses zustehenden Provisionszahlungen nur längstens bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Dauer der von ihnen vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges zukommen. Das Ausmaß derartiger Nachfolgeprovisionen sei zudem durch den Umfang der seinerzeit abgeschlossenen Verträge bestimmt, weshalb solche Nachfolgeprovisionsansprüche auch kein Äquivalent zu den von einer Leistungskomponente unabhängigen Betriebstreueversicherungen darstellten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt anzusehen, nicht aus der Haftung für Lohnsteuer und zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag sowie Säumniszuschlag für steuerfrei zu beurteilende Prämienzahlungen herangezogen zu werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Von der Einkommensteuer sind gemäß § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Arbeitnehmer befreit, soweit diese Zuwendungen an alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Arbeitnehmer geleistet werden oder dem Betriebsratsfonds zufließen und für den einzelnen Arbeitnehmer S 4.000,-- jährlich nicht übersteigen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner zur normativ gleichlautenden Bestimmung des § 3 Z. 20 EStG 1972 ergangenen Judikatur ausgesprochen hat, setzt die Steuerfreiheit der durch Maßnahmen der Zukunftsicherung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber gewährten Begünstigung einer Gruppe seiner Arbeitnehmer voraus, daß die unterschiedliche Vorgangsweise sachlich begründbar und nicht willkürlich ist; die Gruppenmerkmale müssen betriebsbezogen sein, um die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen (vgl. die auch von der Beschwerdeführerin zitierten hg. Erkenntnisse vom , 13/3583/80, vom , 13/3003/80, und zuletzt vom , Slg. N.F. Nr. 6708/F). Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht ist diese Voraussetzung im Beschwerdefall als erfüllt zu beurteilen.
Die Überzeugungskraft der für die gegenteilige Beurteilung im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung krankt schon daran, daß die belangte Behörde sich zunächst auf die in den Lohnsteuerrichtlinien und teilweise auch im Schrifttum (Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, TZ 108 zu § 3 EStG 1972, Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, TZ 30 zu § 3 EStG 1988, ebenso Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, TZ 17.1 zu § 3 EStG 1972 sowie TZ 20.1 zu § 3 EStG 1988, anderer Ansicht demgegenüber Doralt, EStG2, § 3 TZ 72) geäußerte Ansicht stützt, daß leitende Angestellte nicht als Gruppe im Sinne der maßgebenden Bestimmung gelten könnten, gleichzeitig aber der Beurteilung der Frage, ob die im Beschwerdefall begünstigte Arbeitnehmergruppe denn als leitende Angestellte anzusehen wäre, sich mit der Begründung entzieht, daß es darauf nicht ankäme, um im weiteren Verlauf der Argumentation aber erst recht wieder auf die Ausstattung der Mitglieder der von der Beschwerdeführerin begünstigten Gruppe mit Leitungsfunktionen hinzuweisen. Nun kann eine Beurteilung der Frage, ob der durch die von der Beschwerdeführerin abgeschlossene Betriebstreueversicherung begünstigte Personenkreis dem Begriff der leitenden Angestellten im Sinne der in der Beschwerde dargestellten gesetzlichen Bestimmungen zugeordnet werden könnte, im Beschwerdefall ebenso unterbleiben wie eine Auseinandersetzung mit der im dargestellten Schrifttum unterschiedlich beurteilten Eignung des Kreises der leitenden Angestellten, als Gruppe im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 15 EStG 1988 gelten zu können. Es hat die Beschwerdeführerin das Gruppenmerkmal des von ihr mit dem Abschluß der Betriebstreueversicherungen begünstigten Personenkreises nämlich nicht durch die Stellung solcher Arbeitnehmer als leitende Angestellte, sondern durch ihre Betrauung mit solchen Außendiensttätigkeiten bestimmt, die während der Ausübung der aufgetragenen Tätigkeit den Erwerb von Provisionsansprüchen nicht ermöglichten.
Dieses Merkmal aber war betriebsbezogen und definierte die Arbeitnehmergruppe durch ausschließlich betriebliche Merkmale. Daß das von der Beschwerdeführerin gewählte betriebliche Gruppenmerkmal für die Begünstigung der betroffenen Arbeitnehmer unsachlich wäre, ist nicht zu erkennen. War den nur organisatorisch tätigen Außendienstmitarbeitern während der Tätigkeit in einer solchen Funktion die Möglichkeit des Erwerbes von Provisionsansprüchen in dieser Zeit verwehrt, dann kann es nicht als willkürlich angesehen werden, wenn die Beschwerdeführerin ihren solcherart um den Erwerb von Provisionsansprüchen gebrachten Arbeitnehmern die Begünstigung einer von ihr finanzierten Zukunftsicherung eingeräumt hat. Ob und inwieweit dem Erwerb von Nachfolgeprovisionsansprüchen durch akquisitorisch tätige Außendienstmitarbeiter wirtschaftlich zukunftsichernde Wirkung beigemessen werden kann, ist nicht von Belang, weil allein der Umstand des Bestehens der Möglichkeit des Erwerbes von Provisionsansprüchen für die eine Gruppe von Außendienstmitarbeitern und des Fehlens dieser Möglichkeit für die andere Gruppe die durch die gewährte Begünstigung vorgenommene Ungleichbehandlung beider Gruppen durch die Beschwerdeführerin sachlich rechtfertigt. Ebensowenig kommt dem Umstand Bedeutung zu, daß nunmehr organisatorisch tätige Außendienstmitarbeiter vormals akquisitorisch tätig gewesen sein und Provisionsansprüche erwerben haben konnten, weil dies nichts daran ändert, daß für die Zeit der Betrauung mit lediglich organisatorischen Aufgaben die einstmals bestandene Möglichkeit des Provisionsanspruchserwerbs nun einmal weggefallen war.
Die belangte Behörde hat mit ihrer die Steuerfreiheit der Prämienzahlungen der für die organisatorisch tätigen Außendienstmitarbeiter der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Betriebstreueversicherungen ablehnenden Beurteilung die Rechtslage somit verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.