VwGH vom 18.07.2001, 95/13/0050
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde der A L in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Ia) vom , Zl 6/1-1458/93- 08, betreffend Einkommensteuer 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 1990 erklärte die Beschwerdeführerin u.a. sonstige Einkünfte aus einem Legat nach dem im Jahr 1980 verstorbenen Hans P in Höhe von rd S 1,075 Mio. Das Legat war ihr laut handschriftlichem Testament mit folgendem Wortlaut zugesagt worden (Anm: Beim Universalerben handelt es sich um das uneheliche Kind des Erblassers):
"An Anna L (Mutter meines Universalerben Hans Christoph L):
Ihr soll zu Lasten der Verlassenschaft bis zur Volljährigkeit meines Sohnes monatlich S 100.000,-- wertgesichert und steuerfrei ausbezahlt werden. Nach Volljährigkeit 50 %."
In einer Beilage zur Einkommensteuererklärung waren neben einer Aufgliederung der erklärten sonstigen Einkünfte Sonderausgaben (an Erbschaftsteuer in Höhe von rd S 564.000,--) geltend gemacht worden. Das Finanzamt veranlagte die Beschwerdeführerin erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1990. Unter dem Titel einer Berichtigung u.a. der Einkommensteuererklärung 1990 wurde mit Schriftsatz vom vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin laut einer Berufungsentscheidung aus dem Jahr 1990 rd S 2,872 Mio an Erbschaftsteuer gutgeschrieben erhalten habe. Es sei bisher unklar gewesen, ob dieser Betrag an die Verlassenschaft hätte zurückgezahlt werden müssen oder nicht. Bei einer stattgefundenen Nachschau des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern sei einvernehmlich festgehalten worden, dass der Betrag von rd S 2,872 Mio der Beschwerdeführerin verbleibe und im Zuge der Nachschau der Erbschaftsteuer unterzogen werde. Es wurde ersucht, den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 1990 aufzuheben und die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Einnahmen zu veranlagen.
Das Finanzamt nahm das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1990 gemäß § 303 BAO wieder auf und erhöhte den Ansatz der sonstigen Einkünfte um den zusätzlich erklärten Betrag.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde beantragt, die sonstigen Einkünfte (insgesamt rd S 3,947 Mio) aus der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 1990 auszuscheiden, in eventu nach Maßgabe der nachstehenden Ausführungen teilweise mit dem Hälftesteuersatz, allenfalls mit einem festen Steuersatz von 30 %, zu versteuern. Begründend meinte die Beschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid sehe offenkundig in den monatlichen Zahlungen, die der verstorbene Hans P der Beschwerdeführerin letztwillig zugewendet habe, eine Rente (ein Rentenlegat), welche Bezüge kraft Rentenform "sonstige Einkünfte" und deshalb einkommensteuerpflichtig seien. In Kenntnis der diesbezüglichen Rechtsmeinung halte die Beschwerdeführerin dem entgegen, dass nach wie vor eine Freiwilligkeit gegeben sei, die diese Qualifikation ausschließe, sodass es allein bei einer Erbschaftsbesteuerung zu verbleiben habe. Hans P habe (zu Lebzeiten) diese Zuwendung freiwillig gemacht. Nach Zivilrecht sei der Erbe Universalsukzessor des Erblassers. In Bezug auf die gegenständliche Zuwendung seien der Erblasser und der Erbe als eine Person zu sehen. Es gehe nicht an, hier eine Aufspaltung vorzunehmen in einen freiwilligen Zuwender und in einen unfreiwilligen Universalsukzessor des Zuwendenden. In einer (im Einkommensteuerrecht maßgeblichen) wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei in der durch einseitiges Rechtsgeschäft (Legat) getroffenen Anordnung des Hans P kein Unterschied zu sehen im Vergleich zu einer - hier unterstellten - Erklärung, inhaltlich derer sich Hans P zu Lebzeiten freiwillig verpflichtet hätte, der Beschwerdeführerin diese Leistungen beginnend ab seinem Todestag zu zahlen. In dem an sich laienhaft formulierten Testament heiße es demzufolge (für die hier angestellten Gedankengänge geradezu illustrativ), dass die Zahlung "zu Lasten der Verlassenschaft" zu erfolgen habe. Die Verlassenschaft sei bis dato noch nicht eingeantwortet, sodass selbst dann, wenn man wider Erwarten den bisherigen Überlegungen der Beschwerdeführerin nicht folgen wollte, schon allein deshalb auf Seiten der zahlenden Verlassenschaft keine "Unfreiwilligkeit" vorliege. Unter den sonstigen Einkünften sei "der Rest auf die Summe von rd S 3,947 Mio" rückerstattete Erbschaftsteuer auf Grund einer erfolgreichen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde, wobei die Erbschaftsteuer im Sinn des § 29 ErbStG sohin "wiederkehrend" gezahlt und als Sonderausgabe geltend gemacht worden sei. Da die Beschwerdeführerin in Wahrheit nicht nur die Erbschaftsteuer als Sonderausgabe, die sonstigen Einkünfte mindernd, hätte geltend machen können, sondern die sonstigen Einkünfte im Sinn des Vorgesagten gar nicht zu versteuern gehabt hätte, könne der Rückfluss keine Einkommensteuer auslösen. Hilfsweise brachte die Beschwerdeführerin vor, dass mehrere Jahre betreffende Einkünfte "zusammengeballt", und zwar in einem sieben Jahre übersteigenden Ausmaß, zum Tragen kämen, sodass im Sinn der ständigen Verwaltungsgerichtshof-Judikatur der Hälftesteuersatz Anwendung finde. Selbst wenn man anderer Ansicht sein wollte, sei höchstens der feste Steuersatz des § 18 Abs 5 EStG 1988 anzuwenden.
In einem ergänzenden Schriftsatz führte die Beschwerdeführerin aus, was ihr von Todes wegen zugekommen sei, unterliege der Erbschaftsteuer. Sollte es zugleich auch der Einkommensteuer unterliegen (und sollten die ihr insoweit ersetzten Abgabenbeträge wieder einer Abgabenbelastung unterliegen), so ergebe sich ein leicht nachvollziehbarer Belastungssteuersatz, der zweifellos exzessiv sei und demzufolge der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes nicht standhalten könnte. Die Erbschaftsteuer werde jährlich im Voraus vom Jahreswert der Rente berichtigt. Insoweit werde auf die erfolgreiche Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde zu 88/16/0141 verwiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend verwies die belangte Behörde darauf, dass von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen worden und auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes zu verneinen sei, dass es sich um Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gehandelt habe. Dem Vorbringen hinsichtlich der Freiwilligkeit sei jedoch entgegenzuhalten, dass die streitgegenständlichen Renten auf Grund einer letztwilligen Verfügung geleistet worden seien. Nach Lehre und (zitierter) Rechtsprechung treffe jedoch bei letztwillig vermachten Renten den Erben die Verpflichtung zur Rentenzahlung aus dem Rechtsgrund der Annahme der Erbschaft. Dem Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 EStG bzw des festen Steuersatzes des § 18 Abs 5 EStG 1988 hinsichtlich des sich aus der Herabsetzung der Erbschaftsteuer ergebenen Betrages von rd S 2,884 Mio könne nicht gefolgt werden, da aus dem in Kopie vorgelegten Beschluss ON 1854 des Bezirksgerichtes Döbling hervorgehe, dass mit dem Verzicht der Verlassenschaft auf die Forderung betreffend den Herabsetzungsbetrag dieser der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Rentenlegat als zugeflossen anzusehen sei. Bei diesem im Übrigen unbestrittenen Sachverhalt könne jedoch weder von einem Vorliegen einer Entschädigung im Sinn des § 32 EStG 1988 gesprochen werden, die für das Vorliegen von außerordentlichen Einkünften im Sinn des § 37 EStG sprechen würde, noch liege ein im § 18 Abs 4 angeführter Nachversteuerungstatbestand vor, der für die Anwendung des im § 18 Abs 5 vorgesehenen Steuersatzes von 30 % vorausgesetzt werde.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1861/94, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "richtige Errechnung der Einkommensteuer 1990" verletzt. Strittig sei der Ansatz "sonstige Einkünfte" im Ausmaß von rd S 3,947 Mio. Wenn der Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/13/0256, 0259, und vom , 86/14/0034, verweise, so seien zwar beide Erkenntnisse zur Steuerpflicht eines Rentenlegats ergangen, könnten aber zu den "hier" angeschnittenen Fragen nichts beitragen, weil sie mit den "hier" vorgetragenen Argumenten nicht konfrontiert gewesen seien, ganz abgesehen davon, dass gegenständlich die Besonderheit bestehe, dass die Verlassenschaft nach wie vor nicht eingeantwortet sei. Die Abgrenzung betreffend Zuwendung an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person, mit welcher sich beide Erkenntnisse befassten und die jeweils Streitpunkt der diesbezüglichen Verfahren gewesen seien, stehe hier nicht zur Debatte. Auch mit der augenscheinlichen Situation der Erdrosselungssteuer befasse sich der Verwaltungsgerichtshof in der angeführten Vorjudikatur nicht.
Nun trifft es zwar im Sinn der Ausführungen des angefochtenen Bescheides zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht hat, bei letztwillig vermachten Rentenbezügen treffe den Erben die Verpflichtung zur Rentenzahlung aus dem Rechtsgrund der Annahme der Erbschaft und nicht aus dem Gesetz, sodass nicht von Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen iSd § 29 Z 1 EStG 1972 gesprochen werden könne (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , 86/14/0034, und vom , 87/14/0194).
Zu Recht zeigt die Beschwerdeführerin aber auf, dass im Beschwerdefall mangels Einantwortung der Erbschaft von einer Annahme der Erbschaft und daher von einer den Erben aus diesem Rechtsgrund treffenden Verpflichtung zur Gewährung der Rente noch keine Rede sein kann.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides trägt dessen Spruch daher schon deshalb nicht. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde der Frage, ob die Verlassenschaft eingeantwortet wurde oder nicht keine Bedeutung beigemessen. Der angefochtene Bescheid war daher gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am