VwGH vom 14.09.1993, 92/15/0054

VwGH vom 14.09.1993, 92/15/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger,

Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des H in D, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 1214-2/91, betreffend Lohnsteuer 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist bei einem Unternehmen in B als Maschinenbauingenieur beschäftigt. Seinen Familienwohnsitz hatte er gemeinsam mit seiner (damals) nicht berufstätigen Ehefrau und seinen vier Kindern ebenfalls in B. Am verlegte er den Familienwohnsitz von B in das vom Beschäftigungsort mehr als 200 km entfernte D. Zugleich begründete er einen Zweitwohnsitz in J. Mit seinem Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches für 1989 machte er mit der doppelten Haushaltsführung in Zusammenhang stehende Aufwendungen in der Höhe von S 65.370,-- (Reisekosten für Familienheimfahrten S 51.870,--, Wohnungskosten S 13.500,--) als Werbungskosten geltend.

Über Vorhalt des Finanzamtes brachte der Beschwerdeführer vor, die Gründe für die Verlegung des Familienwohnsitzes seien permanentes Heimweh seiner Frau nach ihrer Vaterstadt D; die "durch den Verkauf der Dienstwohnung geänderten Wohn- und Mietverhältnisse"; der Auszug einer Mietpartei aus dem Elternhaus der Ehefrau; 20 Jahre Arbeits- und Kapitaleinsatz zur Erhaltung des Althauses in D; der Entschluß der ältesten Tochter, nach dem Schulbesuch in D zu bleiben; das Ergebnis des "Familienrates".

Bei der Durchführung des Jahresausgleiches für 1989 berücksichtigte das Finanzamt die oben genannten Aufwendungen nicht als Werbungskosten. Es vertrat die Auffassung, der Wohnsitzwechsel nach D sei nicht aus beruflichen Gründen vorgenommen worden.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er sei nach dem Verkauf der Dienstwohnung durch den Arbeitgeber vor dem Problem gestanden, sich eine neue Wohnung im Raum B zu suchen oder das zur gleichen Zeit frei werdende Haus seiner Frau in D zu benutzen. In B sei eine Wohnung in entsprechender Größe nicht zu finden gewesen. Dies habe für eine Übersiedlung nach D gesprochen, aber auch die Zusage für seine Frau, dort eine Arbeitsstelle zu bekommen. Für den Beschwerdeführer selbst sei eine seiner Ausbildung und Qualifikation entsprechende Arbeitsstelle nicht zu finden gewesen bzw. wäre ein Wechsel des Arbeitsplatzes mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbunden gewesen.

Mit einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, nach der allgemeinen Lebenserfahrung wäre es durchaus möglich gewesen, zumindest im Einzugsbereich seines Arbeitsortes eine entsprechende Wohnung zu finden. Auf Grund der Stellungnahme des Beschwerdeführers scheine es äußerst zweifelhaft, daß er ernsthafte Bemühungen unternommen habe, innerhalb des Einzugsbereiches seines Arbeitsplatzes eine geeignete Wohnung zu finden. Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe für die Wahl des Wohnsitzes seien rein privater Natur. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verlegung des Wohnsitzes nach D im Oktober 1988 und der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung der Ehefrau des Beschwerdeführers im September 1989. Die Wahl des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort sei daher durch persönliche Gründe bedingt; die sich daraus ergebenden Kosten gehörten zur Sphäre der privaten Lebensführung.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz; er erstattete dabei kein weiteres Vorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die meisten vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die Verlegung des Familienwohnsitzes nach D seien von vornherein privater Natur gewesen. Im übrigen habe der Beschwerdeführer nicht behauptet, daß er wegen der "geänderten Mietverhältnisse" seine frühere Wohnung am Beschäftigungsort nicht habe beibehalten können oder daß er im näheren Umkreis des Beschäftigungsortes keine passende Wohnung zu annehmbaren Bedingungen hätte mieten können. Auch mit der Aufnahme einer Beschäftigung durch die Ehefrau des Beschwerdeführers im September 1989 sei für dessen Standpunkt nichts gewonnen. Nach Lehre und Rechtsprechung könnten in Fällen, in denen beide Ehegatten berufstätig seien und der eine Ehegatte diese Berufstätigkeit am Familienwohnsitz, der andere Ehegatte jedoch außerhalb des Einzugsbereiches ausübe, Aufwendungen im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung jenes Ehegatten, der auswärtig berufstätig sei, als Werbungskosten berücksichtigt werden. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor, zumal die Ehefrau des Beschwerdeführers erst ca. ein Jahr nach der Wohnsitzverlegung eine Halbtagsbeschäftigung aufgenommen habe. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Berufstätigkeit der Ehefrau sei nicht behauptet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr-)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist; ist die Wahl oder Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort hingegen auf der privaten Sphäre zuzuordnende Gründe zurückzuführen, sind die daraus entstandenen Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/13/0030; Hofstätter-Reichel, Einkommensteuergesetz 1972 - Kommentar § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 1).

Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlaßt anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist; eine berufliche Veranlassung in diesem Sinne liegt hingegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer seine Familienwohnung aus privaten Gründen vom bisherigen Wohnort, der auch der Beschäftigungsort ist, wegverlegt und am Beschäftigungsort einen zweiten Hausstand führt (vgl. bei entsprechender Rechtslage die Urteile des BFH vom , BStBl. 1982 II, 297 und 323).

Die Beschwerde zeigt keine der belangten Behörde bei der Beurteilung der Frage, ob die Begründung des Familienwohnsitzes in D durch den Beschwerdeführer beruflich oder privat veranlaßt gewesen sei, unterlaufene Rechtswidrigkeit auf. Der (zutreffenden) Auffassung der belangten Behörde, die Mehrzahl der vom Beschwerdeführer für die Verlegung des Familienwohnsitzes vorgebrachten Gründe (Heimweh seiner Ehefrau, das Freiwerden einer Wohnung in deren Elternhaus, langjähriger Kapital- und Arbeitseinsatz zur Erhaltung dieses Hauses, der Entschluß der Tochter, nach Abschluß der Schulausbildung in D zu bleiben, und das Ergebnis des "Familienrates") seien ohne weiteres der privaten Sphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen, tritt die Beschwerde gar nicht entgegen. In diesem Zusammenhang genügt daher der Hinweis, daß es sich bei den genannten Umständen ausschließlich um Gesichtspunkte der privaten Lebensführung handelt. Auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertretenen Auffassung, daß die Berücksichtigung eines Mehraufwandes auf diesem Gebiet nur in Betracht käme, wenn dieser ausschließlich durch berufliche Umstände und nicht bloß durch private oder durch ein Zusammenwirken beruflicher oder privater Umstände verursacht werde (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 4203/F, und vom , Zl. 89/14/0100) wäre das Schicksal der Beschwerde damit bereits entschieden. Im übrigen ist jedoch darauf hinzuweisen, daß auch die weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht der beruflichen Sphäre zugeordnet werden können.

Die Beschwerde wendet sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die Auffassung der belangten Behörde, den Darlegungen des Beschwerdeführers über "geänderte Mietverhältnisse" könne nicht entnommen werden, daß die Verlegung des Familienwohnsitzes nach D beruflich bedingt gewesen sei. Die Beschwerde vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die Verlegung des Familienwohnsitzes nach D sei deshalb beruflich veranlaßt gewesen, weil "der Vorgesetzte des Beschwerdeführers die unmittelbar unter der Wohnung des Beschwerdeführers liegende Wohnung erwarb und das dem Beschwerdeführer zustehende Bestandrecht völlig negierte und der Beschwerdeführer de facto gezwungen war, dies hinzunehmen. Die Situation wurde für den Beschwerdeführer derart unerträglich, daß er die ihm seitens der Arbeitgeberin eingeräumte Werkswohnung aufkündigte, bevor er eine andere passende Wohnung gefunden hatte. Deshalb stand er bei seiner Wohnungssuche auch unter Zeitdruck und blieb ihm letztendlich auch gar nichts mehr anderes übrig, als seinen Familienwohnsitz von B nach D zu verlegen, zumal er innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit keine passende Wohnung gefunden hatte und dies auch in naher Zukunft nicht zu erwarten war". Diesen Sachverhalt (den der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen hatte) hätte die belangte Behörde nach Auffassung der Beschwerde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht erheben müssen.

Diesen Darlegungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß den Beschwerdeführer eine Mitwirkungspflicht in der Richtung traf, die Gründe, die ihn zur Verlegung des Familienwohnsitzes nach D und dessen Beibehaltung veranlaßten, darzulegen. Die belangte Behörde hat somit ihre Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung nicht verletzt, wenn sie sich darauf beschränkte, die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände zu berücksichtigen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0100). Davon ausgehend kann die Auffassung der Beschwerde nicht geteilt werden, daß die oben wiedergegebenen Darlegungen nicht gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) verstießen. Abgesehen davon läßt sich auch diesen Ausführungen nichts entnehmen, was die Beschwerde zum Erfolg führen könnte. Auch in der Beschwerde wird nichts vorgetragen, was die Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Beschäftigungsort unzumutbar erscheinen ließe (vgl. zum Begriff der "Unzumutbarkeit" das Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0165); inwiefern durch den Erwerb einer der Wohnung des Beschwerdeführers benachbarten Wohnung durch dessen Vorgesetzten für den Beschwerdeführer "die Situation unerträglich" wurde, kann nämlich auch der Beschwerde nicht einmal andeutungsweise entnommen werden.

Ebensowenig kann der Beschwerde darin gefolgt werden, daß im Verwaltungsverfahren ein Sachverhalt behauptet worden wäre, der die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort als beruflich veranlaßt erscheinen ließe (zur Frage der beruflichen Veranlassung der Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Ortes der Beschäftigung vgl. das Erkenntnis vom , 88/13/0121). Der Beschwerdeführer hatte nämlich - trotz eines entsprechenden Vorhaltes in der Berufungsvorentscheidung - niemals behauptet, ernsthafte Bemühungen zur Auffindung einer in üblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Wohnmöglichkeit unternommen zu haben.

Auf die von der Beschwerde im Rahmen der Verfahrensrüge relevierte Frage, ob die Berufstätigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers "wirtschaftlich notwendig" gewesen sei, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht wesentlich an, weil selbst ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Wegverlegung des Familienwohnsitzes von B und der Aufnahme einer Beschäftigung durch die Ehegattin des Beschwerdeführers in D keinen in der beruflichen Sphäre des Beschwerdeführers gelegenen Anlaß darstellte. Mit Fällen, in denen die steuerlichen Folgen der Begründung eines weiteren Haushaltes am Ort der Beschäftigung des einen Ehepartners bei Beibehaltung des bisherigen Familienwohnsitzes am Beschäftigungsort des anderen Ehepartners zu beurteilen waren, kann der vorliegende Fall, bei dem es um die Wegverlegung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen bei Aufrechterhaltung der Beschäftigung geht, nicht verglichen werden; in Fällen wie dem vorliegenden kommt es - wie bereits eingangs dargelegt wurde - darauf an, ob die Wegverlegung des Familienwohnsitzes (und die Beibehaltung desselben außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort) ihre Veranlassung in der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen hat. Es ist daher auch der Auffassung der Rechtsrüge nicht zu folgen, wonach die behauptete Zusage eines Arbeitsplatzes in D für die Ehefrau des Beschwerdeführers die Annahme einer privaten Veranlassung der Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung außerhalb des Beschäftigungsortes ausschließe (zur Erwerbstätigkeit des Ehepartners vgl. Punkt 2.6. des Erkenntnisses vom , Zl. 86/14/0065).

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor; die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.