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VwGH vom 12.11.1997, 97/16/0038

VwGH vom 12.11.1997, 97/16/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Stadtgemeinde K, vertreten durch die Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-1349/96, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Immobilienleasing-Mietvertrag" vom vermietete die S. GmbH der beschwerdeführenden Stadtgemeinde ein Grundstück mit einem von der Vermieterin zu errichtenden Gebäude. In Punkt II.2.a) der Vertragsurkunde war als voraussichtlicher Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjektes für den Bauabschnitt I Oktober 1995, für den Bauabschnitt II Oktober 1996 und für den Bauabschnitt III Oktober 1997 vorgesehen. Punkt II.3, Punkt XI. und Punkt XII der Vertragsurkunde lauten:


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"3.
Der Immobilienleasingmietvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende eines jeden Quartals durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden (ordentliche Kündigung). Für die Rechtzeitigkeit gilt das Datum der Postaufgabe des Kündigungsschreibens.

Der Mieter verzichtet bis zur Fertigstellung des Bauabschnittes I. und sodann auf die Dauer von 25 Jahren, gerechnet von dem der Übergabe des Mietobjektes I.b) folgenden Monatsersten, auf die Ausübung des Kündigungsrechtes (Grundmietzeit).

Sollte es innerhalb der vorgesehenen Zeit gemäß Punkt II.2.a) überhaupt nicht zur Errichtung des Mietobjektes I.b) kommen, kann der Mieter den Immobilienleasingmietvertrag durch eingeschriebenen Brief mit sofortiger Wirkung auflösen. Der Mieter hat jedoch den Vermieter in diesem Fall für alle vorangegangenen und im Zusammenhang mit der Errichtung des Mietobjektes I.b) und der Begründung des Baurechtes des Mietobjektes I.a) entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen gegen Nachweis schad- und klaglos zu halten.

XI.

Vertragsauflösung

Der Vermieter kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Mietvertrag mittels eingeschriebenen Briefes mit sofortiger Wirkung auflösen, wenn


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a)
der Mieter den finanziellen Verpflichtungen aus diesem Vertrag trotz schriftlicher Mahnung und Setzung einer 90-tägigen Nachfrist vor deren Ablauf nicht nachkommt, oder


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b)
der Mieter vom Objekt einer erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich das Mietobjekt in arger Weise vernachlässigt oder den Verwendungszweck (z.B. dadurch erfolgte Änderung der Nutzungsdauer, etc.) zum Nachteil des Vermieters eigenmächtig ändert und den vertragswidrigen Zustand trotz schriftlicher Aufforderung und Setzung einer angemessenen, mindestens 90-tägigen Nachfrist zur Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes nicht beseitigt, oder


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c)
der Mieter sonst in erheblicher Weise wiederholt und hartnäckig gegen Bestimmungen dieses Vertrages verstößt, oder


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d)
über das Vermögen des Mieters das Ausgleichs- oder Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet oder mangels kostendeckendes Vermögen abgewiesen wird, es sei denn das Mietentgelt wird im Falle eines Ausgleichsverfahrens weiterbezahlt;

Der Mieter haftet im Fall der Vertragsauflösung dem Vermieter bis zum Ablauf der vereinbarten Grundvertragszeit für den Ausfall des Mietentgeltes samt Betriebskosten sowie für alle sonstigen, durch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages entstehenden Schäden. Der Mieter hat im Falle d) (Ausgleich oder Konkurs des Vermieters) sinngemäß das gleiche Recht auf Vertragsauflösung und Ersatz der durch die vorzeitige Beendigung entstandenen Schäden.

XII.

Kosten und Gebühren

Die mit der Errichtung, Ausfertigung, Durchführung und dem Bestand dieses Mietvertrages verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben, insbesondere die Rechtsgeschäftsgebühr, trägt der Mieter.

Des weiteren hat der Mieter bei Mietbeginn an den Vermieter ein einmaliges Verwaltungsentgelt von öS 60.000,-- zuzüglich Ust. zu entrichten. Dieses ist zusammen mit der ersten Miete zur Zahlung fällig. Die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung trägt jeder Vertragsteil für sich."

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin Rechtsgebühr vom achtzehnfachen Jahreswert der mit dem Bestandvertrag vereinbarten wiederkehrenden Leistungen vor. Das "Verwaltungsentgelt" nach Punkt XII der Vertragsurkunde wurde als einmalige Leistung in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde geltend gemacht, der Vermieter könne den Vertrag jederzeit aufkündigen. Da es sich daher bei dem Bestandvertrag um einen Vertrag auf unbestimmte Dauer handle, sei als Bemessungsgrundlage lediglich der dreifache Jahreswert heranzuziehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde von der belangten Behörde ausgeführt, die "Annahme" der Beschwerdeführerin, daß der Vermieter jederzeit ordentlich aufkündigen könne, sei nicht "verwirklichbar", denn eine Auflösung sei "nur aus einzelnen, im Vertrag ausdrücklich bezeichneten Gründen, die sämtlich auf Umständen beruhen, die allein die Bw. als Bestandnehmer zu vertreten hat, möglich". Wie schon im Punkt II. über Beginn und Dauer des Mietvertrages ausgeführt werde, habe der Mieter auch bei sofortiger Auflösung des Mietverhältnisses (Nichterrichtung des Mietobjektes) für alle vorangegangenen und in Zusammenhang mit der Errichtung und der Begründung des Baurechtes entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen gegen Nachweis den Vermieter schad- und klaglos zu halten. Selbst bei "Nichtentrichtung des Mietobjektes" werde die Beschwerdeführerin von ihrer Leistungspflicht nicht befreit. Diese Vereinbarungen stellen sicher, daß der Vermieter jedenfalls das Mietentgelt für die gesamte Dauer der Grundmietzeit erhalte.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß die Rechtsgebühr unter Annahme eines Vertrages von unbestimmter Dauer vorgeschrieben wird. Es werde die Annahme einer bestimmten Vertragsdauer und die Einbeziehung von Verwaltungskosten in die Bemessungsgrundlage bekämpft.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0001, mit weiteren Hinweisen ausgesprochen hat, rechtfertigt die bloß einseitige Beendigungsmöglichkeit eines Bestandvertrages im Sinne des § 33 TP 5 GebG die Annahme eines Vertrages auf unbestimmte Dauer, wenn die nur einem Vertragsteil zustehende Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Vertragsauflösung nach sich zieht.

Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin zunächst auf den Umstand, daß allein sie einen Verzicht auf die Kündigung des Bestandvertrages abgegeben hat, nicht aber der Vermieter. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid ist der Vermieter in der Ausübung seines Kündigungsrechtes in keiner Weise beschränkt. Worauf die belangte Behörde ihre Auffassung, es könne keine Rede davon sein, "daß die dem Bestandgeber ... verbleibenden Kündigungsmöglichkeiten ihrem Gewicht und ihrer Wahrscheinlichkeit nach umfassender Natur sind", stützt, ist nicht erklärbar. Bei Vorliegen eines solchen einseitigen Kündigungsverzichts ist aber nach ständiger Rechtsprechung ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Dauer anzunehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0155, Slg. Nr. 6200/F).

Dieser Beurteilung steht im Beschwerdefall auch nicht der letzte Absatz des Punktes XI der Vertragsurkunde entgegen: Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der Vertragsurkunde ist ohne Zweifel erkennbar, daß der Mieter - anders als im Falle des o. a. Erkenntnisses vom , Zl. 97/16/0001 - nur für den Fall der Auflösung des Vertrages mit sofortiger Wirkung für das gesamte bis zum Ablauf der vereinbarten Grundvertragszeit zu leistende Mietentgelt samt Betriebskosten haftet, nicht aber für den Fall einer Kündigung im Sinne des Punktes II.3.

Wie von der Beschwerdeführerin ebenfalls zutreffend gerügt wird, hat die belangte Behörde auch den Inhalt des letzten Absatzes des Punktes II.3. verkannt: Hat der Mieter von seinem in dieser Bestimmung - als Ausnahme von seinem Kündigungsverzicht - eingeräumten Recht auf Auflösung des Bestandverhältnisses wegen Nichterrichtung des Mietobjektes Gebrauch gemacht, so hat er dem Vermieter nur den diesem erwachsenen Aufwand, nicht aber das für die Grundvertragszeit vereinbarte Mietentgelt samt Betriebskosten zu ersetzen. Die Auffassung der belangten Behörde, der in Rede stehende Bestandvertrag sei auf die Dauer von 25 Jahren abgeschlossen worden, entspricht somit nicht dem Gesetz.

Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Einbeziehung des Verwaltungsentgeltes i.S.d. Punktes XII der Vertragsurkunde wendet, ist sie allerdings nicht im Recht: Zum "Wert", von dem die Gebühr für Bestandverträge zu berechnen ist, zählen alle Leistungen, zu deren Erbringung sich der Bestandnehmer verpflichtet hat, um in den Genuß der Gebrauchsrechte an der Bestandsache zu gelangen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 93/16/0097). Im Beschwerdefall ist als derartige Leistung auch das "einmalige Verwaltungsentgelt" nach der angeführten Urkundenstelle anzusehen. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde ist dieses Verwaltungsentgelt nach dem hier maßgeblichen Urkundeninhalt keineswegs für die Kosten der Errichtung des Vertrages und der entsprechenden Vorarbeiten zu leisten, sondern ausdrücklich neben diesen Kosten zusätzlich zu entrichten. Daß dieses "Verwaltungsentgelt" Gegenleistung für eine mit der Gebrauchsüberlassung nicht in Zusammenhang stehende Leistung sein sollte, geht aus der Vertragsurkunde gerade nicht hervor.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abzusehen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.