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VwGH vom 29.04.2004, 2001/09/0174

VwGH vom 29.04.2004, 2001/09/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/36/268/1999/20, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem - nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen -

im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Begehung von zwei Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend für schuldig befunden, er habe als Arbeitgeber am an einem näher bezeichneten Tatort in W zwei namentlich näher bezeichnete Ausländer (jeweils slowakische Staatsangehörige) ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung (mit der Reparatur von Fenstern) beschäftigt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über dem Beschwerdeführer - in Stattgebung seiner Berufung gegen die Strafhöhe - nach dem ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils vier Tage) verhängt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zum Beweis dafür, dass einer der beiden Ausländer "nur einen Freundschaftsdienst" geleistet und dieser Ausländer ohne sein Wissen einen zweiten Ausländer mitgebracht habe, unter anderem die zeugenschaftliche Einvernahme dieser beiden Ausländer beantragt und die (zudem aktenkundige) Anschrift dieser Ausländer in der Berufung angegeben; diese Anschriften lauten: "H P 28 bzw. 89/Slowakei".

Die belangte Behörde hat diese Zeugen nicht geladen und sie hat keinen Versuch unternommen, mit diesen in der Slowakei aufhältigen Zeugen "in Verbindung zu treten". Ihre Vorgangsweise stützte die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. Seite 22 der Bescheidausfertigung) auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/09/0165, und vom , Zl. 98/09/0351, weil keine Rechtsgrundlage bestehe, um ein Erscheinen dieser Zeugen durchzusetzen und die Einvernahme im Rechtshilfeweg nicht in Betracht komme. In ihrer Gegenschrift ergänzte die belangte Behörde dazu, dass der Beschwerdeführer keine inländische Anschrift der Zeugen angeben könne, und es sei über einen der beiden Ausländer rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot verhängt worden; dem Beschwerdeführer wäre es aber freigestanden, die im Ausland aufhältigen Zeugen zu einer Verhandlung vor der belangten Behörde stellig zu machen.

Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof als wesentlichen Verfahrensfehler, dass die belangte Behörde zumindest hätte versuchen müssen, die im Ausland aufhältigen Zeugen zu laden. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

§ 25 VStG lautet:

"§ 25. (1) Verwaltungsübertretungen sind mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu verfolgen.

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die Belastenden."

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 90/18/0091, (in Slg. Nr. 13451/A; vgl. zudem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/03/0268) zu den Ermittlungspflichten der Behörde, wenn als Entlastungszeuge eine im Ausland lebende (aufhältige) Person namhaft gemacht wurde, dargetan hat, bildet § 25 VStG keine Grundlage für die generelle Aussage, die Behörde sei im Rahmen der Berücksichtigung der der Entlastung des Beschuldigten dienenden Vernehmung von Zeugen, die im Ausland leben, nicht zu "aufwendigen" Ermittlungen verpflichtet. Die hier zu ziehende Grenze ist vielmehr durch die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Behörde bestimmt. Die Behörde muss, wenn es zur Klärung des Sachverhaltes notwendig ist, zumindest versuchen, mit dem der Anschrift nach bekannten Zeugen in Verbindung zu treten. Dieses "in Verbindung treten" wird regelmäßig dadurch zu geschehen haben, dass die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person nicht bei der Behörde ein, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden. Ist dieser Versuch als gescheitert anzusehen, hat die Behörde dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, den Entlastungsbeweis in anderer Weise zu erbringen.

Im Sinne dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 2002/09/0027, vom , Zl. 2000/09/0010, und zuletzt vom , Zl. 2000/09/0073, ausgesprochen, dass aus dem Umstand allein, dass ein Zeuge in das Ausland abgeschoben worden sei, bzw. dort aufhältig ist, nicht geschlossen werde dürfe, es handle sich bei seiner Aussage um ein nicht greifbares Beweismittel, weshalb eine Verurteilung ohne jeden Versuch, eine relevante Aussage des im Ausland aufhältigen Zeugen zu erlangen, eine Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK darstellen würde. Die belangte Behörde hat daher auf geeignete Weise den Versuch zu machen, den Aufenthalt auch von im Ausland aufhältigen Zeugen, deren Aussagen relevant sein könnten, zu ermitteln, und auf geeignete Weise mit ihnen in Kontakt zu treten, um ihre grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu ermöglichen oder zumindest eine schriftliche Erklärung zu erwirken.

Diesen Grundsätzen hat das Vorgehen der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Die belangte Behörde hat keinen Versuch unternommen, mit den in der Slowakei aufhältigen Zeugen unter deren aktenkundigen (und in der Berufung angegebenen) Anschriften Kontakt aufzunehmen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in der Slowakei aufhältigen Zeugen nicht (ohne Androhung von Zwangsfolgen für den Fall ihres Fernbleibens, also freiwillig) bereit gewesen wären, zu einem von der belangten Behörde festgesetzten Verhandlungstermin zu kommen und eine unmittelbare Aussage vor der belangten Behörde abzulegen, oder zumindest eine schriftliche Erklärung an die belangte Behörde zu übermitteln. Die belangte Behörde hat hiezu keinen Versuch angestellt, sodass fallbezogen nicht feststeht, ob derartige Bemühungen fehlgeschlagen wären. Erst danach hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, den Entlastungsbeweis auf andere Weise - etwa dadurch, die Zeugen selbst stellig zu machen - zu erbringen.

Insoweit die belangte Behörde ihr Vorgehen auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 98/09/0165, und vom , Zl. 98/09/0351, stützte (vgl. zudem etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/09/0359, vom , Zl. 99/09/0078, vom , Zl. 2000/09/0150, und vom , Zl. 2000/09/0190), ist klarzustellen, dass mit diesen Erkenntnissen - soweit ein mit dem Beschwerdefall vergleichbarer Sachverhalt überhaupt vorlag, weil der Anschrift nach bekannte Entlastungszeugen im Ausland in den zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren aktenkundig waren - jedenfalls nicht ausgesprochen wurde, dass ein Versuch, mit dem im Ausland aufhältigen Entlastungszeugen in Kontakt zu treten, entbehrlich sei und daher unterbleiben könne.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des dargelegten Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastete sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Pauschalgebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzuerkennen. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass der gemäß § 49 Abs. 1 VwGG festgesetzte Pauschbetrag auch die vom Beschwerdeführer zu Unrecht verzeichnete Umsatzsteuer deckt.

Wien, am