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VwGH vom 12.11.1997, 97/16/0027

VwGH vom 12.11.1997, 97/16/0027

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der N Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-1557/96, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem "Immobilien Leasingvertrag" vom 1. bzw. vermietete die Beschwerdeführerin an die Stadtgemeinde M. eine bestimmt bezeichnete Liegenschaft im Ausmaß von ca. 31.199 m2 und das darauf von der Beschwerdeführerin zu errichtende "Sportzentrum".

In Punkt VI Abs. 2 der Vertragsurkunde nahm die Beschwerdeführerin zur Kenntnis, daß das Mietobjekt als Schulsportzentrum verwendet wird. Nach Punkt II (2)a war als voraussichtlicher Zeitpunkt der Übergabe des Mietobjektes Juni 1996 vorgesehen.

Punkt II (3) und (4) sowie die Punkte XI und XII der Vertragsurkunde lauten:

"(3) Der Immobilien-Leasingvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ende eines jeden Quartals durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden (ordentliche Kündigung). Für die Rechtzeitigkeit gilt das Datum der Postaufgabe des Kündigungsschreibens.

Die Mieterin verzichtet bis zur Fertigstellung des Mietobjektes Punkt I. b) und sodann auf die Dauer von 20 Jahren, gerechnet von dem der Übergabe des Mietobjektes I. b) folgenden Monatsersten, auf die Ausübung des Kündigungsrechtes (Grundmietzeit).

Die Abgabe einer Kündigungserklärung zu einem Kündigungstermin, welcher nicht vor Ablauf von 20 Jahren, gerechnet von der Übergabe des Mietobjektes I. b) folgenden Monatsersten, liegt, ist unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 12 Monaten jederzeit möglich.

(4) Sollte es innerhalb der vorgesehenen Zeit überhaupt nicht zur Errichtung des Mietobjektes I. b) kommen, kann die Mieterin den Immobilien-Leasingvertrag durch eingeschriebenen Brief mit sofortiger Wirkung auflösen. Die Mieterin hat jedoch die Vermieterin in diesem Fall für alle vorangegangenen und im Zusammenhang mit der Errichtung des Mietobjektes I. b) und der Inbestandnahme des Mietobjektes I. a) entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen gegen Nachweis schad- und klaglos zu halten.

XI.

Vertragsauflösung

Die Vermieterin kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Immobilien-Leasingvertrag durch eingeschriebenen Brief mit sofortiger Wirkung auflösen, wenn


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a)
die Mieterin mit zwei Monatsmieten ganz oder teilweise in Verzug gerät und trotz schriftlicher Mahnung und Setzung einer 30-tägigen Nachfrist Ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt, oder
b)
die Mieterin vom Mietobjekt einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich das Mietobjekt in arger Weise vernachlässigt oder den Verwendungszweck eigenmächtig ändert und den vertragswidrigen Zustand trotz schriftlicher Aufforderung und Setzung einer angemessenen, mindestens 30-tägigen Nachfrist zur Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes nicht beseitigt, oder
c)
die Mieterin sonst in erheblicher Weise wiederholt und hartnäckig gegen Bestimmungen dieses Vertrages verstößt, oder
d)
über das Vermögen der Mieterin das Ausgleichs- oder Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet oder mangels Vermögen abgewiesen wird.
Im Falle einer Vertragsauflösung nach Pkt. XI. a) - d) wird die Vermieterin die Gemeindeaufsichtsbehörde davon in Kenntnis setzen.
Die Mieterin haftet im Fall der Vertragsauflösung der Vermieterin bis zum Ablauf der vereinbarten Grundmietzeit für den Ausfall des Mietentgeltes samt Betriebskosten sowie für alle sonstigen, durch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages entstehenden Schäden.

XII.

Kosten und Gebühren

Die mit der Errichtung, Ausfertigung, Durchführung und dem Bestand dieses Mietvertrages verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben, insbesondere die Rechtsgeschäftsgebühr, soweit sie nicht in die tatsächlichen Gesamtinvestitionen und damit in das Mietentgelt eingeschlossen sind, trägt die Mieterin. Kosten der rechtsfreundlichen Beratung und Vertretung trägt jeder Vertragsteil selbst."

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Stadtgemeinde M. Rechtsgebühr nach dem achtzehnfachen Jahreswert des vereinbarten Bestandentgelts vor.

In der Berufung gegen diesen Gebührenbescheid wurde von der Stadtgemeinde M. eingewendet, das gegenständliche Schulsportzentrum M. sei von der Stadtgemeinde im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises als Pflichtschulerhalter auf Grund einer "bescheid- und gesetzmäßigen" Verpflichtung errichtet worden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Berufung stattgegeben und der angefochtene Gebührenbescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wurde die Rechtsgebühr der Beschwerdeführerin bescheidmäßig vorgeschrieben.

In der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde geltend gemacht, daß nur die Mieterin, nicht aber die Vermieterin auf die Kündigung verzichtet habe. Es liege daher ein Vertrag auf unbestimmte Dauer vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Im Beschwerdefall habe die Mieterin durch ihren Kündigungsverzicht und durch die Haftung für das Mietentgelt der Grundvertragszeit keine Möglichkeit, von ihrer Bindung entlassen zu werden. Der Vermieterin werde die Erfüllung der Hauptleistungspflicht für die Grundvertragszeit garantiert.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß das Leistungsgebot nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet werden dürfe (richtige Ermessensentscheidung) und daß die Rechtsgebühr nur im gesetzmäßigen Ausmaß vorgeschrieben werden dürfe.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Z. 2 GebG sind von der Entrichtung von Gebühren befreit - neben dem Bund (Z. 1) - die übrigen Gebietskörperschaften im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GebG sind zur Entrichtung der Gebühren bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde verpflichtet.

Bei Geschäften, die von zwei Teilen geschlossen werden, von denen der eine Teil von der Gebührenentrichtung befreit ist, dem anderen Teil aber diese Befreiung nicht zukommt, sind die Gebühren nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle von dem nicht befreiten Teil zur Gänze zu entrichten.

Nach § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer des Bestandvertrages die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten.

Erstmals in der Beschwerde wird eingewendet, die Gebührenvorschreibung hätte nicht an die Beschwerdeführerin gerichtet werden dürfen, weil nach Punkt XII des in Rede stehenden Vertrages die Mieterin die Rechtsgebühr zu tragen hatte. Mit diesem Vorbringen läßt die Beschwerdeführerin außer acht, daß die zunächst zur Abgabenleistung herangezogene Stadtgemeinde M. in der von ihr eingebrachten Berufung geltend machte, auf Grund gesetzlicher Verpflichtung zur Errichtung des Sportzentrums veranlaßt gewesen zu sein. Dem entsprach, daß in der Urkunde selbst - was von der Beschwerdeführerin übersehen wird - von der Widmung als Schulsportanlage die Rede ist. Die Errichtung von Schulen durch eine Gemeinde gehört aber zum öffentlich-rechtlichen Wirkungskreis (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 133, 139/71). Einer solchen Beurteilung steht auch nicht das zum UStG 1959 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2052/64, entgegen, wonach entsprechend der damaligen Rechtslage die Führung und Erhaltung einer Musikschule nicht unter die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben einer Gebietskörperschaft gefallen war. Demgegenüber gehörte nämlich die Errichtung von Amts- und Schulräumen für Einrichtungen nach dem OÖ Musikschulgesetz, LGBl. Nr. 28/1977, im Hinblick auf den darin enthaltenen gesetzlichen Auftrag sehr wohl in den Bereich des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0067, Slg. 6240/F).

Da die Stadtgemeinde M als Mieterin somit gemäß § 2 Z. 2 GebG von der Entrichtung der in Rede stehenden Rechtsgebühr befreit war, hatte die Abgabenbehörde die Gebühr im Sinne des § 28 Abs. 5 GebG zu Recht der Beschwerdeführerin vorgeschrieben.

Hinsichtlich der Frage, ob es sich im Beschwerdefall um einen auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Bestandvertrag oder um einen solchen auf unbestimmte Dauer handelt, ist davon auszugehen, daß eine bloß einseitige Beendigungsmöglichkeit die Annahme eines Vertrages auf unbestimmte Dauer dann rechtfertigt, wenn die nur einem Vertragsteil zustehende Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Vertragsauflösung nach sich zieht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0001, mit weiteren Hinweisen).

Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin zunächst auf den Umstand, daß allein die Mieterin einen Verzicht auf die Kündigung des Bestandvertrages abgegeben hat, nicht aber die Beschwerdeführerin als Vermieterin. Bei Vorliegen eines solchen einseitigen Kündigungsverzichts ist aber nach ständiger Rechtsprechung ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Dauer anzunehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0155, Slg. Nr. 6200/F). Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, die Mieterin habe durch den Kündigungsverzicht und die Haftung für das Mietentgelt der Grundvertragszeit keine Möglichkeit, von ihrer Bindung entlassen zu werden, ist in dem für die Gebührenfestsetzung allein maßgeblichen Urkundeninhalt nicht gedeckt. Die in Punkt II. (4) der Vertragsurkunde vereinbarte Schad- und Klagloshaltung für die - ausnahmsweise - Kündigung der Mieterin im Falle der Nichterrichtung des Mietobjektes ist betragsmäßig mit den tatsächlichen Aufwendungen der Vermieterin beschränkt, orientiert sich also nach dem eindeutigen Urkundeninhalt keineswegs am Mietentgelt für die Grundmietzeit. Punkt II enthält somit keine Bestimmung, wonach die Kündigung des Vertragsverhältnisses eine Zahlungspflicht des Mieters für die gesamte vertraglich fixierte Dauer auslösen würde.

Der Beurteilung des beschwerdegegenständlichen Bestandvertrages als eines solchen auf unbestimmte Dauer steht auch der letzte Absatz des Punktes XI (Vertragsauflösung) der Vertragsurkunde nicht entgegen: Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen der Vertragsurkunde ist ohne Zweifel erkennbar, daß der Mieter - anders als im Falle des o.a. Erkenntnisses vom , Zl. 97/16/0001 - nur für den Fall der Auflösung des Vertrages mit sofortiger Wirkung für das gesamte bis zum Ablauf der vereinbarten Grundvertragszeit zu leistende Mietentgelt samt Betriebskosten haftet, nicht aber für den Fall einer (ordentlichen) Kündigung im Sinne des Punktes II (3). Die Auffassung der belangten Behörde, die Mieterin hafte in jedem Fall der Vertragsauflösung für das gesamte Mietentgelt samt Betriebskosten, steht demgegenüber mit dem Urkundeninhalt nicht im Einklang.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abzusehen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.