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VwGH vom 13.06.1990, 89/03/0291

VwGH vom 13.06.1990, 89/03/0291

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Salzburg vom , Zl. 9/01-31283-1989, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem eine gegen den Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO erlassene Strafverfügung vom durch einen rechtzeitigen Einspruch außer Kraft getreten war, richtete die Bundespolizeidirektion Salzburg am an den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer ein schriftliches Auskunftsbegehren im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG, wer das genannte Kraftfahrzeug am um 14,12 Uhr in Salzburg an einem näher konkretisierten Ort gelenkt habe.

Der Beschwerdeführer gab am schriftlich die Auskunft, daß Michael Sch. (sein Sohn), wohnhaft derzeit in Andorra, Casa E, das Fahrzeug gelenkt (verwendet) habe. Ob Michael Sch. das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt einer dritten Person überlassen habe, sei ihm nicht bekannt.

Auf Grund eines Beschuldigten-Ladungsbescheides vom wegen Verdachtes der Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG rechtfertigte sich der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Stellungnahme am damit, er habe doch ohnehin seinen Sohn als Lenker bekanntgegeben.

Michael Sch. gab am als Zeuge an, es sei durchaus möglich, daß er der Lenker gewesen sei, nur könne er dies jetzt nicht mehr sicher sagen. Von Anfang Juli bis Mitte August 1988 habe er sich in "Andorra, Sispony L Massana Casa E, Comes de Rutt" aufgehalten.

Hiezu äußerte der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Stellungnahme vom , es sei weder ihm noch seinem Sohn zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens eine genauere Anschrift des Sohnes in Andorra bekannt gewesen. Überdies wären Schriftstücke an seinen Sohn unter der von ihm (Beschwerdeführer) angegebenen Adresse zustellbar gewesen. Er beantrage die ergänzende Einvernahme seines Sohnes sowie die Einholung einer Postauskunft über die diplomatische Vertretung von Andorra.

Mit dem mit datierten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg (es wurde laut Poststempel vom offensichtlich erst zu diesem Zeitpunkt expediert) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer des genannten Pkws auf schriftliches Verlangen der Behörde vom , übernommen am , binnen zwei Wochen keine Auskunft darüber erteilt, wer am usw. den Pkw gelenkt habe, und dadurch eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 KFG wurde über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) verhängt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die Erstbehörde aus, sie nehme die Übertretung als erwiesen an. Die Auskunft habe Name und Anschrift der betreffenden Person zu enthalten. Wie die Aussage des Sohnes zeige, sei die vom Beschwerdeführer angegebene Anschrift unvollständig gewesen. Überdies habe die Aussage des Sohnes den Beschwerdeführer nicht entlasten können, da der Sohn nicht habe angeben können, ob ihm zum maßgeblichen Zeitpunkt das Kraftfahrzeug überlassen war bzw. er der Lenker gewesen sei.

In der rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf seine bisherige Verantwortung. Er sei nicht verpflichtet, die jeweils neueste Adresse parat zu haben. Er habe das genannt, was er gewußt habe. Im übrigen seien an diese nicht ganz vollständige Anschrift Briefe tatsächlich zugestellt worden. Überdies könne ihm nicht zur Last gelegt werden, wenn sein Sohn nicht mehr bestimmt sagen könne, daß er der Lenker gewesen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom

wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als der Spruch zu

lauten habe, der Beschwerdeführer "habe als Zulassungsbesitzer

..... insofern dem schriftlichen Verlangen vom

..... binnen zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer am

..... den Pkw gelenkt habe (zu ergänzen: nicht entsprochen),

als er die vollständige Anschrift der Person, welche die Auskunft erteilen könne, der Bundespolizeidirektion Salzburg nicht bekanntgegeben habe". Er habe dadurch eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen. Über ihn wurde gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängt. Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der Berufung sowie der vom Beschwerdeführer erteilten Lenkerauskunft und der Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG führte die belangte Behörde aus, sie gehe davon aus, daß zwar der Beschwerdeführer jene Person genannt habe, welche die Lenkerauskunft erteilen könne, aber der Beschwerdeführer nicht die vollständige Anschrift dieser Person bekanntgegeben habe. Zufolge des Umstandes, daß der Sohn laut seiner Aussage vom sich lediglich von Anfang Juli bis Mitte August 1988 an der in der Auskunft des Beschwerdeführers nur unvollständig angegebenen Anschrift aufgehalten habe, wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, auch die Anschrift des Sohnes in Österreich mitzuteilen, da bei dem Sohn nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, daß er an derselben Adresse wie der Beschwerdeführer wohne. Im übrigen zeige der Vergleich zwischen der vom Beschwerdeführer in der Auskunft angegebenen Adresse seines Sohnes in Andorra mit der vom Sohn (am ) bei der Vernehmung angegebenen Adresse, daß eben der Beschwerdeführer diese unvollständig genannt habe. Der Beschwerdeführer räume selbst ein, daß die von ihm angegebene Anschrift des Sohnes nicht ganz vollständig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 920/89, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung ab.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 103 Abs. 2 KFG lautet wie folgt:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilten kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer jene Person genannt habe, die die Lenkerauskunft erteilen könne, jedoch deren Adresse nur unvollständig angegeben habe, also damit seiner Verpflichtung nach § 103 Abs. 2 KFG nicht nachgekommen sei.

Es trifft zwar zu, daß eine unvollständige Auskunft einer Nichterteilung derselben gleichzuhalten ist. Der Beschwerdeführer hat sich jedoch damit verantwortet (vgl. seine Stellungnahme vom ), daß ihm eine genauere Anschrift seines Sohnes, der sich ab Anfang Juli in Andorra aufgehalten hat, zum Zeitpunkt des Auskunftsbegehrens der Behörde nicht bekannt gewesen sei. Im vorliegenden Fall wurde die Auskunft für einen Zeitpunkt verlangt, als die Person, die als Lenker bzw. als Person, die die Auskunft erteilen könne, in Frage kam, noch keinen Aufenthalt im Ausland genommen hatte. Es wurde auch dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht, es etwa unterlassen zu haben, sich die inländische Anschrift dieser Person, die ja damals ihren Wohnsitz in Österreich hatte, zu verschaffen und festzuhalten, um jederzeit eine allenfalls erforderliche Auskunft geben zu können. Vielmehr verzog diese Person erst Monate nachher ins Ausland. In einem solchen Fall bedarf es einer Prüfung, ob den Zulassungsbesitzer ein Verschulden (im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG) trifft, wenn ihm die NEUE Adresse der Person, der er das Fahrzeug seinerzeit überlassen hat, zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens nicht oder nicht vollständig bekannt ist. Da der Beschwerdeführer sich damit verantwortet hat, es sei ihm zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens die Anschrift des Sohnes im Ausland nur in dem von ihm angegebenen Umfang bekannt gewesen, wären daher weitere Erhebungen darüber notwendig gewesen, ob dies tatsächlich der Fall war. So wäre der Sohn des Beschwerdeführers insbesondere darüber ergänzend zu befragen gewesen, wann ihm seine genaue Anschrift in Andorra bekannt war und wann er diese dem Beschwerdeführer mitgeteilt habe, was aber trotz eines darauf abzielenden Antrages des Beschwerdeführers verabsäumt wurde. Es wäre auch zu klären gewesen, was mit dem Sohn bei dessen Abreise hinsichtlich einer Kontaktaufnahme mit ihm vereinbart wurde, wie lange er im Ausland Aufenthalt nehmen wollte und ob es dem Beschwerdeführer noch innerhalb der 14-tägigen Lenkerauskunftsfrist möglich gewesen wäre, sich die vollständige Anschrift seines Sohnes im Ausland zu verschaffen, zumal nur dann eine ausreichende Beurteilung in Ansehung der subjektiven Tatseite möglich erscheint. Die Meinung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer wäre verpflichtet gewesen, jedenfalls (auch) die inländische Anschrift des Sohnes bekanntzugeben, könnte nur für den Fall zutreffen, daß sich dieser nur kurzfristig, wie etwa für die Dauer eines Urlaubs, im Ausland aufhalten wollte. Auch darüber fehlen entsprechende Erhebungen. Mit dem bloßen Hinweis der belangten Behörde, der Sohn habe sich nach seinen eigenen Angaben tatsächlich nur von Anfang Juli bis Mitte August 1988 in Andorra aufgehalten, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen.

Der belangten Behörde ist zwar beizupflichten, daß einer Anschrift in der Form, wie sie der Beschwerdeführer angegeben hat, das Merkmal der Unvollständigkeit anhaftet. Der Beschwerdeführer hat sich aber schon in der Berufung damit verantwortet, daß dennoch von ihm an seinen Sohn unter dieser Anschrift gerichtete Briefe diesen erreicht hätten. In einem Fall wie dem vorliegenden, wo es sich um einen Kleinststaat - wie Andorra - handelt, kann aber nicht von vornherein mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, daß eine Zustellung nicht dennoch erfolgreich durchgeführt werden kann. Es hätte daher auch in dieser Hinsicht zielführender zusätzlicher Erhebungen bedurft.

Alle diese Ausführungen zeigen, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.