VwGH vom 12.12.1995, 92/14/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Graf und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 473/1-10/K-1991 und 562/2-10/K-1992, letzterer betreffend Abweisung des Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld,
Spruch
1) den Beschluß gefaßt:
Das Verfahren hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides wird eingestellt.
2) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen Bescheid der belangten Behörde vom , Zl 562/2-10/K-1992, ergibt sich folgender Sachverhalt: Der Beschwerdeführer betrieb gemeinsam mit seinem Bruder ein Unternehmen in der Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung kam es zu einer Nachforderung von betrieblichen Abgaben (Umsatzsteuer und Gewerbesteuer) in der Höhe von S 283.255,--. Hierauf brachte der Beschwerdeführer die Hälfte dieses Betrages (S 141.627,50) zur Einzahlung, sein Bruder aber nur S 70.000,--, sodaß ein Betrag von rund S 64.000,-- unberichtigt blieb, für den das Finanzamt den Beschwerdeführer in Anspruch nahm.
In einem auf Entlassung aus der Gesamtschuld gerichteten Antrag machte der Beschwerdeführer geltend, daß er "den ihn betreffenden Hälfteanteil" dieser Nachforderung termingerecht entrichtet habe. Durch die Nachforderung seien die anteiligen Einkünfte aus dem Unternehmen niedriger geworden, wodurch es in der Folge zu Einkommensteuergutschriften beim Beschwerdeführer und seinem Bruder in Höhe von jeweils S 80.000,-- gekommen sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre die Einkommensteuergutschrift auf dem "Teilhaberkonto mit der anteiligen Nachzahlung des Kontos der GesnbR zu verwenden bzw die Konten zu verknüpfen" gewesen. Bei derartiger "Verrechnung und Verwendung" des Einkommensteuerguthabens seines Bruders hätte kein Rückstand mehr bestanden. Demgegenüber habe das Finanzamt aber seinem Bruder Zahlungserleichterung gewährt und überdies einem Ausgleich mit einer 20-%igen Ausgleichsquote zugestimmt. Der Beschwerdeführer betrachte es daher als unbillige Härte, den Rückstand bei ihm als ehemaligem Teilhaber einzufordern.
Mit dem angefochtenen Bescheid, Zl 562/2-10/K-1992, wies die belangte Behörde die gegen die Abweisung des Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld gerichtete Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß in der Einhebung einer im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses bestehenden Abgabenschuld nur gegenüber einem Gesamtschuldner wegen der gesetzlichen Wirkung des Gesamtschuldverhältnisses keine Unbilligkeit liege.
In einem am zur Post gegebenen Schriftsatz führte der Beschwerdeführer aus, daß er gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, "Zl 473/1-10/K-1991, 562/2-10/K-1992, vom " Beschwerde erhebe. In der Folge führte der Beschwerdeführer aus, weshalb der Bescheid der belangten Behörde vom , Zl 562/2-10/K-1992, nicht dem Gesetz entspreche, und beantragte die Aufhebung "der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit seines" Inhaltes.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/14/0174-2, stellte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gemäß § 34 Abs 2 VwGG zur Behebung ua der der Beschwerde hinsichtlich des angefochtenen Bescheides Zl 473/1-10/K-1991 anhaftenden Mängel zurück. Der Beschwerdeführer erstattete fristgerecht unter Wiedervorlage der Beschwerde einen ergänzenden Schriftsatz, in welchem die Mängel der Beschwerde hinsichtlich des zuletzt genannten Bescheides jedoch zur Gänze nicht behoben wurden, weshalb das Verfahren hinsichtlich dieses Bescheides gemäß § 34 Abs 2 und § 33 Abs 1 VwGG einzustellen war.
Über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde, Zl 562/2-10/K-1992, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 237 Abs 1 BAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Ebenso wie im § 236 BAO ist auch für die im § 237 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung tatbestandsmäßige Voraussetzung die Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.
Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall bereits die Rechtsfrage, ob die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten unbillig sei oder nicht, verneint.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraus, daß die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben (vgl für viele das hg Erkenntnis vom , Zl 92/13/0129). Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus "persönlichen" Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, daß die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Eine "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl abermals das oben zitierte Erkenntnis).
Daß die Abstattung der gegenständlichen Abgabenschuld mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Er sieht die Unbilligkeit vielmehr darin, daß er trotz Bezahlung "seines Anteiles" an der Abgabenschuld der von ihm und seinem Bruder gebildeten GesnbR nunmehr (teilweise) auch zur Zahlung "des Anteiles" seines Bruders herangezogen werden soll.
Nun ist aber das Wesen der Gesamtschuld gerade darin zu sehen, daß der Gläubiger die Mitschuldner nicht nur anteilsmäßig in Anspruch nehmen, sondern daß er auch die gesamte Schuld nur einem der Gesamtschuldner gegenüber geltend machen darf (vgl Ritz, BAO, Kommentar, Rz 2 zu § 6). Im gegenständlichen Fall ist daher darin, daß der Beschwerdeführer zur Zahlung für einen größeren Teil als der Hälfte der gesamten Abgabenschuld herangezogen wurde, kein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis zu erkennen. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie im Rahmen ihrer Rechtsentscheidung eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint und schon deswegen die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Gesamtschuld abgelehnt hat. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen zu behaupteten Versäumnissen des Finanzamtes in anderen (den Bruder des Beschwerdeführers betreffenden) Verfahren, die nach Ansicht des Beschwerdeführers dafür verantwortlich waren, daß sein Bruder "seinen Anteil" an der Gesamtschuld nicht in voller Höhe entrichtete.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.