VwGH vom 22.04.1999, 97/15/0169
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok. Dr.Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55/5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , RV/012-05/09/97, betreffend Abweisung eines Wertfortschreibungsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des im Inland gelegenen Grundstückes Nr. 2089/2. Mit Eingabe vom beantragte er eine Wertfortschreibung (Herabsetzung) des Einheitswertes dieses Grundstückes. Es sei eine wesentliche Wertminderung eingetreten, weil die Zufahrt zu dem Grundstück nicht mehr gegeben sei. Bisher sei die Zufahrt von der Gemeindestraße (Grundstück Nr. 2315/2) her gegeben gewesen. Die Gemeinde habe als Grundeigentümerin einen mehrjährigen Zivilprozess auf Unterlassung der Benutzung des Gst. Nr. 2315/2 als Zufahrt gegen den Beschwerdeführer geführt. Nach dem Urteil des OGH 3 Ob 2125/96p, dem Endurteil des Landesgerichtes Salzburg und dem abschließenden Urteil des Oberlandesgerichtes Linz sei ihm das Befahren jenes Bereiches der Gemeindestraße, der an das Gst. Nr. 2089/2 angrenze, untersagt worden. Das Grundstück könne daher mit keinem Fahrzeug mehr erreicht werden.
Das Finanzamt wies den Antrag ab und verwies zur Begründung darauf, dass die derzeitige praktische Unbenützbarkeit hauptsächlich auf das beeinträchtigte Verhältnis des Beschwerdeführers zur Gemeinde zurückzuführen sei. Derartige subjektive Momente seien aber bei der Ermittlung des gemeinen Wertes außer Acht zu lassen.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es wäre Aufgabe der Gemeinde als Baubehörde gewesen, die Bauaufschließung und Baubewilligung von der straßenbehördlichen Genehmigung abhängig zu machen. Das Gst. Nr. 2089/2 grenze unmittelbar an die Straße (Gst. Nr. 2315/2), die auch derzeit als solche gewidmet sei. Nur zu Prozesszwecken sei ein sogenannter Streifen an jener Seite der Straße konstruiert worden, welche auf das GSt. Nr. 2089/2 stoße. Auf diesem Streifen habe der Beschwerdeführer nur die ihm seinerzeit im Verwaltungsweg gemachten Auflagen (Aufschüttung der Straßenböschung zwecks Erreichbarkeit des Baugrundstückes) erfüllt. Obwohl die aufgeschüttete Fläche zur Gänze Verkehrsfläche sei, werde dem Beschwerdeführer die Benutzung untersagt.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass der gemeine Wert eine objektive Größe sei und die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Argumente subjektiver Natur seien. Im Übrigen sei es dem Beschwerdeführer unbenommen, einen Beweis dafür zu erbringen, dass der Verkehrswert geringer sei als der vom Finanzamt festgesetzte Einheitswert.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwies der Beschwerdeführer darauf, dass im Baubescheid vom die Aufschließung von der angrenzenden Gemeindestraße (GSt. Nr. 2315/2) festgestellt worden sei. Nunmehr sei ihm dieses Zufahrtsrecht in einem rechtskräftigen Urteil abgesprochen worden. Ohne die Aufschließung des mit einem Wohn- und Betriebsgebäude bebauten Grundstückes sei der Wert dieses Grundstückes beträchtlich niedriger. Wie sich aus dem Betriebsprüfungsbericht vom ergebe, sei im Zuge der Betriebsprüfung eine Wertminderung im Ausmaß von 20 % anerkannt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der OGH habe als Revisionsgericht der Revision des Beschwerdeführers teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes insoweit aufgehoben, als es ihm die Verkehrsanbindung seines Grundstückes versagt habe. In der Urteilsbegründung werde ausgeführt: "Bestand aber vormals ein Gemeingebrauch für das kreuzende Begehen der Straßenböschung - wie aus der Baubewilligung hervorgeht - könnte er in dieser Ausprägung auch nicht durch das rechtswidrige Herstellen einer Aufschüttung mit Asphaltdecke durch den Beklagten untergehen. Der Beklagte ist daher wie jeder andere berechtigt, die vormalige Straßenböschung auch nach deren baulichen Veränderung zu benutzen, um zum Grundstück 2089/2 zu gelangen". Die Salzburger Landesregierung habe in der Erledigung vom auf die Aufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers geantwortet, bei der Gemeinde sei die Frage nach dem Bestand und dem Umfang des Zufahrtsrechtes zum Grundstück des Beschwerdeführers noch nie angezweifelt worden; der Beschwerdeführer habe noch keinen Antrag auf Feststellung eingebracht, ob sich das Zufahrtsrecht noch im Rahmen des Gemeingebrauches befinde. Unter Berücksichtigung des unbestimmten Antrages und mangels Vorlage eines Sachverständigengutachtens, mit dem die totale Entwertung des Grundstückes zum glaubhaft gemacht werden könne, habe das Finanzamt den Antrag zu Recht abgewiesen. Es liege kein Grund für eine Wertfortschreibung zum vor. Nach der "Sachverhaltsdarstellung" im Urteil des OGH sei die Eigentumsfreiheitsklage der Gemeinde nur insoweit im Recht, als sie sich gegen die unbegrenzte Nutzung der ganzen zwischen dem Straßenkörper und dem Grundstück des Beschwerdeführers gelegenen Grundfläche des Gst. Nr. 2315/2 als Zufahrt und Parkplatz wende. Da auch das Amt der Salzburger Landesregierung in der Beantwortung der Aufsichtsbeschwerde die Behauptung des Beschwerdeführers, die Gemeinde habe die ursprünglich genehmigte Verkehrsanbindung über die Gemeindestraße widerrufen, nicht als erwiesen habe annehmen können, könne nicht festgestellt werden, dass das Grundstück des Beschwerdeführers seit dem ohne Verkehrsanbindung zu bewerten wäre. Der bei der Einheitsbewertung zum Hauptfeststellungsstichtag berücksichtigte Bodenwert liege daher weiterhin bei 100 S/m2.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich verletzt im Recht auf Wertfortschreibung zum .
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Bewertung von bebauten Grundstücken ist gemäß § 53 Abs. 1 BewG vom Bodenwert und vom Gebäudewert auszugehen.
Gemäß § 53 Abs. 2 BewG ist als Bodenwert der Wert maßgebend, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück gemäß § 55 BewG zu bewerten wäre. Dabei sind insbesondere die Lage und die Form des Grundstückes sowie alle anderen den gemeinen Wert von unbebauten Grundstücken beeinflussenden Umstände zu berücksichtigen. Der Wert jener Fläche, die das Zehnfache der bebauten Fläche nicht übersteigt, ist um 25 v.H. zu kürzen.
Gemäß § 53 Abs. 10 BewG ist bei bebauten Grundstücken, deren gemeiner Wert geringer ist als der auf Grund der Bestimmungen der Abs. 1 bis 9 ermittelte Wert, auf Antrag der gemeine Wert zugrundezulegen.
Gemäß § 55 Abs. 1 BewG sind unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Wert zu bewerten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargetan hat, können Fortschreibungen iSd § 21 BewG auch zur Beseitigung von Unrichtigkeiten, Fehlbeurteilungen, unzutreffenden Tatsachen- und Werturteilen vorgenommen werden, allerdings gegenüber früheren rechtskräftigen Feststellungsbescheiden nur auf spätere Stichtage. Wenn eine solche Fortschreibung auf Antrag vorgenommen werden soll, muss dem Antragsteller zugemutet werden, für die Unrichtigkeit der bisherigen Bewertung den Nachweis zu erbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/15/0141).
Im Falle eines Antrages auf Wertfortschreibung (§ 193 Abs. 2 BAO) hat somit der Antragsteller den Nachweis der Wertänderung zu erbringen. Wenn er aber durch ein geeignetes Vorbringen bzw Beweismittel die Wertminderung dem Grunde nach nachgewiesen hat, obliegt es auch der Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht, entsprechende Feststellungen über die Wertverhältnisse zu treffen. Den Antragsteller trifft nicht generell die Verpflichtung zur Beibringung eines Sachverständigengutachtens.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, die Zufahrtsberechtigung zum Grundstück des Beschwerdeführers sei - entgegen dessen Vorbringen im Verwaltungsverfahren - gegeben. Sie stützt sich dabei auf das . Im angefochtenen Bescheid wird aus diesem Urteil unter Setzung von Anführungszeichen zitiert: "Der Beklagte ist daher wie jeder andere berechtigt, die
vormalige Straßenböschung ... zu benutzen, um zum Grundstück 2098/2
zu gelangen". In Wahrheit spricht aber der OGH in seinem Urteil nicht von "benutzen", sondern von "begehen". Wenn das Urteil des OGH im angefochtenen Bescheid dahingehend zusammengefasst wird, dass die Gemeinde nur insoweit im Recht sei, als sie sich gegen die unbegrenzte Nutzung der ganzen zwischen dem Straßenkörper und dem Grundstück des Beschwerdeführers gelegenen Grundfläche als Zufahrt und als Parkplatz wendet, so erweist sich dies als irreführende Wiedergabe. In der Entscheidung des OGH wird zunächst darauf verwiesen, dass gemäß § 3 Abs. 1 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden habe, mangels einer Entscheidung der zuständigen Straßenrechtsbehörde die Gerichte aber den Bestand und Umfang des Gemeingebrauches als Vorfrage zu beurteilen hätten. Sodann wird in der Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass zwar aufgrund des Gemeingebrauches ein Zugangsrecht zum Grundstück des Beschwerdeführers bestehe, nicht aber die Berechtigung zur Zufahrt zu diesem Grundstück; allerdings habe die Gemeinde im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nicht die rechtliche Möglichkeit, einen Straßenanrainer von der Anbindung seines Bauplatzes an das öffentliche Verkehrsnetz nach Belieben auszuschließen, sondern unterliege einem Kontrahierungszwang, auf dessen inhaltliche Gestaltung der OGH aber im gegebenen Zusammenhang nicht näher eingehen müsse. Das Klagebegehren sei, soweit es andere Gebrauchsarten des streitverfangenen Grundstreifens betreffe als das Begehen, nicht entscheidungsreif, weil die Urteilsanträge inhaltlich unbestimmt seien. Die Abgrenzung des Grundstreifens in der Natur sei nämlich unklar. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die klagende Partei zu einer Präzisierung des noch nicht erledigten Teiles ihres Begehrens anzuleiten haben. Diesem nicht erledigten Teil des Klagebegehrens könne nur dann stattgegeben werden, wenn es bestimmt formuliert werden sollte.
Weil eine Entscheidung der zuständigen Straßenrechtsbehörde gemäß § 3 Abs. 2 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972 über den Bestand und Umfang des Gemeingebrauches - aus diesem hat der Beschwerdeführer vormals sein Zufahrtsrecht abgeleitet - nicht vorlag, hatte die belangte Behörde die Frage, ob sich das Zufahrtsrecht aus dem Gemeingebrauch ergibt, als Vorfrage zu beurteilen. Sie konnte sich dabei der Beurteilung des OGH anschließen. Es wäre ihr auch unbenommen gewesen, die Frage eigenständig zu lösen. Wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass das Zufahrtsrecht nicht besteht, wäre zu klären gewesen, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde - im Hinblick auf den Kontrahierungszwang - zur Einräumung eines Zufahrtsrechtes verpflichtet ist.
Für die nach § 93 Abs. 3 lit. a BAO gebotene Begründung eines Abgabenbescheides hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Begründung erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0200).
Diesen Anforderungen an eine Begründung entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Er lässt nicht erkennen, aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen die belangte Behörde vom Vorliegen eines Zufahrtsrechtes ausgegangen ist. Aus der Berufung auf die Entscheidung des OGH ist dies jedenfalls nicht abzuleiten, weil diese Entscheidung zu einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage gelangt.
Der angefochtene Bescheid gibt weiters ein Schreiben der Salzburger Landesregierung vom wieder. Demnach habe diese die Behauptung des Beschwerdeführers, die Gemeinde habe die ursprünglich genehmigte Verkehrsanbindung des Grundstückes widerrufen, nicht als erwiesen annehmen können. Bei der Gemeinde sei die Frage über den Bestand und den Umfang des Zufahrtsrechtes noch nie angezweifelt worden. In Wahrheit finden sich diese Ausführungen im Antwortschreiben der Salzburger Landesregierung nicht. Es findet sich aber der Hinweis, dass bei der Straßenrechtsbehörde (hier: der Bürgermeister der Gemeinde) ein Antrag auf bescheidmäßige Feststellung des Umfanges des Gemeingebrauches noch nicht gestellt worden sei.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid somit die (unrichtige) Wiedergabe der Erledigung der Salzburger Landesregierung herangezogen und daraus abgeleitet, es könne nicht festgestellt werden, dass das Grundstück ab als Grundstück ohne Verkehrsanbindung zu bewerten wäre. Auch diese Ausführungen vermögen den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Es kommt nämlich im gegebenen Zusammenhang weder darauf an, ob die Salzburger Landesregierung einen Widerruf als erwiesen angenommen hat, noch ob es überhaupt einen "Widerruf" gegeben hat. Entscheidend ist lediglich, ob ein Zufahrtsrecht besteht (bzw. bei Fehlen eines Zufahrtsrechtes die Frage nach den Konditionen für dessen Begründung).
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.
Wien, am