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VwGH vom 25.04.1990, 89/03/0192

VwGH vom 25.04.1990, 89/03/0192

Betreff

N gegen Steiermärkische Landesregierung vom , Zl. 11 - 75 Bu 22 - 88 betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Verwaltungsrechtszug schuldig erkannt, sie habe vom bis an einer mit dem Straßenzug und mit Hausnummer bezeichneten Stelle eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, nämlich ein Vorschriftszeichen "gemäß § 52 a Z 13a" (zu ergänzen: "StVO") "Parken verboten" mit der Zusatztafel "Ausgenommen Mieter des Hauses ..... u. Kunden d. Fa. ..... . Widrigenfalls BesitzstörungsklageÜ" unbefugt angebracht. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit § 31 Abs. 1 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. e StVO wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin vermeine, daß sie zur Anbringung des Vorschriftszeichens befugt gewesen wäre, "da jenes Grundstück, für welches das gegenständliche Verkehrszeichen bestimmt ist, im Privateigentum steht". Die Beschwerdeführerin befinde sich mit dieser Meinung im Irrtum, da für die Wertung einer Landfläche als Straße nach der Straßenverkehrsordnung 1960 nicht die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern hiefür vielmehr das ausschließliche Merkmal des Fußgänger- oder Fahrzeugverkehrs entscheidend sei. Unter diesem Gesichtspunkt bestehe kein Anlaß, auf die vorgebrachten Einwände und gestellten Beweisanträge der Beschwerdeführerin - die die Eigentumsverhältnisse der Fläche vor dem Haus behandelten - näher einzugehen. Eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO könne von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freistehe. Bei Besichtigung des Tatortes wie auch aufgrund der im Akt aufliegenden Lichtbilder sei festzustellen gewesen, daß keine sichtbaren Hinweise vorhanden seien (z.B. Hinweiszeichen und Schranken), die den Straßenbenützer darauf hinweisen würden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handle. Für den konkreten Fall sei die Behörde aufgrund der äußeren Merkmale, nämlich der Begrenzung durch Randsteine, zum Schluß gekommen, daß es sich um einen Gehsteig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO handle. Dieser Straßenteil sei somit für den Fußgängerverkehr bestimmt. Daß dieser Straßenteil von allen Fußgängern zu den gleichen Bedingungen benützt werden könne, werde selbst von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Bemerkt werde noch, daß für die Widmung einer Straße mit öffentlichem Verkehr in abstracto und in concreto für den Gehsteig ein Widmungsakt nicht erforderlich sei. Da weder eine Abschrankung noch eine Kennzeichnung als Privatstraße, noch auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt seien, handle es sich jedenfalls um eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Keinesfalls könne die Beschwerdeführerin ein Recht auf Anbringung von Vorschriftszeichen aus ihrer Meinung ableiten, daß durch mehr als vier Jahrzehnte dauernde, unbeanstandete ausschließliche Benutzung durch sie bzw. die Eigentümer des Hauses ..... und die Mieter desselben Hauses (diese Personen hätten den Vorplatz stets zum Abstellen der in ihrem Eigentum stehenden Fahrzeuge benutzt) Ersitzung eingetreten sei. Das Rechtsinstitut der Ersitzung stehe jedenfalls in keinem Konnex zur Anbringung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, wobei festgehalten werde, daß im konkreten Fall die Verkehrsfläche die Qualifikation eines Gehsteiges erfülle, wodurch der Fahrzeugverkehr von der Benützung ohne weitere Vorkehrungen ohnedies ausgeschlossen sei. Weiters sei festzustellen, daß es sich bei dem von der Beschwerdeführerin angebrachten Verkehrszeichen um ein stabil angebrachtes Zeichen handle, das an einer Seite der öffentlichen Straße befestigt worden und schon nach seiner ganzen Aufmachung dazu bestimmt sei, den Verkehr an dieser Straßenstelle zu regeln, indem es ein Parkverbot ausspreche, wobei es eine bestimmte Gruppe von Verkehrsteilnehmern hievon ausnehme. Ob eine derartige Verkehrsregelung auch im Sinne der Vorschriften der Straßenverkehrsordnung 1960 möglich wäre, brauche in diesem Falle nicht behandelt zu werden. Die Einvernahme der beantragten Zeugen habe entfallen können, da der Sachverhalt genügend ermittelt sei und der Organwalter durch einen Ortsaugenschein am sich selbst informieren habe können, wo die entscheidungsrelevanten Tatsachen wahrzunehmen gewesen seien. Auch die dem Akt beigegebenen Lichtbilder und Pläne seien zur Entscheidungsfindung herangezogen worden. Die Bestimmungen des § 99 Abs. 2 lit. e StVO in Verbindung mit § 31 Abs. 1 StVO würden einen verwaltungsstrafrechtlichen Bestands- und Funktionsschutz der "Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs" normieren. Daher sei die Beschwerdeführerin zu bestrafen gewesen, da sie durch die Anbringung des Verkehrszeichens die verkehrssichernde bzw. -lenkende Funktion des Gehsteiges beeinträchtigt habe. Durch ihre Vorgangsweise habe sie eine Verkehrsfläche, die ansonsten für den Fußgängerverkehr vorbehalten sei, für den ruhenden Fahrzeugverkehr vorzubehalten versucht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. gilt dieses Bundesgesetz für Straßen ohne öffentlichen Verkehr insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Als Straße gilt gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen. Für den Begriff einer Straße ist demnach maßgebend, daß es sich um eine für den Fahrzeugverkehr oder für den Fußgängerverkehr bestimmte Landfläche handelt, wobei unter dem Fahrzeugverkehr sowohl der fließende als auch der ruhende Verkehr zu verstehen sind.

Straßen mit öffentlichem Verkehr sind gemäß § 1 Abs. 1 zweiter Satz StVO solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Eine Straße kann dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist somit ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, d.h. also nicht darauf, ob die Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht. Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind. Auch kann aus dem einzigen Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern benutzt werden darf, z.B. nur von Anrainern, nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt (siehe u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/02/0296, und vom , Zl. 86/03/0234).

Die Beschwerdeführerin selbst geht davon aus, daß die Landfläche, an der sie das Parkverbotszeichen samt Zusatztafel angebracht hatte, für den Verkehr, und zwar ihrer Ansicht nach für den ruhenden Verkehr von Fahrzeugen, bestimmt sei. Was den maßgebenden Sachverhalt anlangt, ist die Feststellung der belangten Behörde, daß in Ansehung dieser Landfläche weder eine Abschrankung, noch eine Kennzeichnung als Privatstraße vorhanden gewesen sei und daß auch keine auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt gewesen seien, nach der Aktenlage und auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht als rechtswidrig zu erkennen. Daraus ergibt sich aber im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage, daß auch die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung, diese Landfläche sei eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO, nicht mit Rechtswidrigkeit belastet ist.

Den in der Beschwerde ins Treffen geführten Umständen - "deutliche Einbuchtung"; "klare Abgrenzung zur Straße ..... bzw. zum diesbezüglichen Gehsteig", gemeint offenbar der Umstand, daß die örtlichen Bereiche innerhalb und außerhalb der Einbuchtung nach eben dieser ihrer jeweiligen örtlichen Lage zu unterscheiden seien; "mittels weißer Linie vorgenommene Trennung", dies ohne Bezugnahme auf Kriterien wie Abschrankung oder Kennzeichnung als Privatstraße; vierzigjährige Alleinbenützung als Parkplatz durch die Eigentümer und Bewohner des Objektes .....; tatsächliche Gehlinie der Fußgänger und tatsächliche Unmöglichkeit des Begehens des Vorplatzes durch Fußgänger zufolge parkender Autos - kommt nach der dargestellten Rechtslage keine rechtliche Relevanz zu.

Dem Beschwerdevorbringen ist weiters entgegenzuhalten, daß für die Behandlung des vorliegenden Beschwerdefalles die dem Verkehr offenstehende Landfläche maßgebend, der Raum, den die Stiege einnimmt, jedoch unerheblich ist.

Dem Beschwerdevorbringen ist ferner entgegenzuhalten, daß es im Beschwerdefall nur auf die Beurteilung der Frage ankam, ob es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, daß hingegen die Frage, ob diese Straße etwa unter die Begriffe "Fahrbahn" (§ 2 Abs. 1 Z. 2 StVO), "Parkplatz" oder "Parkstreifen" (im Sinne des § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a StVO, wenn im vorliegenden Fall auch nicht durch das betreffende Hinweiszeichen gekennzeichnet) oder "Gehsteig" (§ 2 Abs. 1 Z. 10 StVO) fällt, nicht entscheidend war.

Soweit die Beschwerdeführerin auf die von ihr behauptete Widmung zur Benutzung durch einen bestimmten Kreis von Privatpersonen abstellt, vermag sie mit dem betreffenden Beschwerdevorbringen, da sie es losgelöst von den nach der dargestellten Rechtslage maßgebenden Kriterien, wie Abschrankung oder Kennzeichnung als Privatstraße erstattet, ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. An der maßgebenden Rechtslage gehen auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Argumente der Ersitzung und der Art der Erledigung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen eine wegen unzulässigen Parkens angezeigte Person vorbei.

Nicht rechtswidrig war schließlich die Auffassung der belangten Behörde, daß das von der Beschwerdeführerin angebrachte Zeichen dazu bestimmt sei, den Verkehr an der betreffenden Straßenstelle zu regeln, "in dem es ein Parkverbot ausspricht, wobei es eine bestimmte Gruppe von Verkehrsteilnehmern hievon ausnimmt". In den am Ende der Zusatztafel aufscheinenden Worten "Widrigenfalls BesitzstörungklageÜ" liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein Wortlaut, der sich als Kennzeichnung als Privatstraße im Sinne der dargelegten Rechtslage darstellen würde, zumal es bei einer Besitzstörung gemäß § 339 ABGB nicht auf die "Beschaffenheit" des Besitzes (den Bestand eines entsprechenden Rechtes) ankommt.

Unbeschadet dieser Erwägungen ist der vorliegenden Beschwerde Erfolg beschieden.

Gemäß § 31 Abs. 1 StVO dürfen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden. Nach § 99 Abs. 2 lit. e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

Die Verbots-(Straf-)norm des § 31 Abs. 1 StVO typisiert das Beschädigen, das unbefugte Anbringen, das Entfernen, das Verdecken und das Verändern nach Lage und Bedeutung (die Strafsanktionsnorm des § 99 Abs. 2 lit. e StVO bezieht sich auf entsprechende Verhaltensweisen). Tatbestandsmäßig für eine Bestrafung nach § 31 Abs. 1 (in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO) ist somit u.a. ausschließlich das unbefugte Anbringen (Zustandsdelikt), nicht aber die anschließende Unterlassung der Beseitigung eines derartig geschaffenen rechtswidrigen Zustandes (Dauerdelikt). Die belangte Behörde faßte den Schuldspruch dahin, daß die Beschwerdeführerin das umschriebene Vorschriftszeichen "vom bis " "unbefugt angebracht" habe. Sie legte der Beschwerdeführerin solcherart ein schuldhaftes Verhalten während des gesamten angeführten Zeitraumes zur Last. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Schuldspruch steht demzufolge mit der dargelegten Rechtslage in Widerspruch. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.