VwGH vom 01.12.1992, 92/14/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde 1.) der F G.m.b.H. & Co KG, 2.) des MD, 3.) der GD, sämtliche in N und vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der FLD für OÖ vom , Zl. 4/60/4-BK/D-1990, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO bzw. GewSt für die Jahre 1985 und 1986 sowie USt für 1987,
Spruch
den Beschluß gefaßt
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin betreffend Gewerbesteuer und Umsatzsteuer wird zurückgewiesen;
im übrigen zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin, deren Gesellschafter die beiden anderen Beschwerdeführer sind, beauftragte 1979 einen Rechtsanwalt (in der Folge: RA) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber ihren Gläubigern. Im Zuge dieser Tätigkeit wurde auch der Ausgleich der Erstbeschwerdeführerin angemeldet. Auf Grund des Mandatsverhältnisses kam es beim RA zu Zahlungseingängen für die Erstbeschwerdeführerin. Der RA beglich aus diesen Eingängen zum Teil Schulden der Erstbeschwerdeführerin, den Rest von rund S 2,6 Mio hielt er zurück. Nach Auflösung des Auftragsverhältnisses legte der RA der Erstbeschwerdeführerin mit Juni 1982 eine Honorarnote über rund S 8,3 Mio. Die Beschwerdeführerin und ihre Gesellschafter klagten im Herbst 1982 den zurückbehaltenen Betrag bei dem RA ein und bestritten in diesem Verfahren dessen Honorarforderung dem Grunde und der Höhe nach. Das Zivilgericht erster Instanz verurteilte im Februar 1985 den RA zur Bezahlung des Betrages von rund S 2,6 Mio samt Anhang. Die Berufung des RA hatte keinen Erfolg, das Oberlandesgericht bestätigte das Ersturteil im November 1985. Der Revision des RA gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom April 1986 nicht Folge, weil dem RA an den für den Klienten kassierten Beträgen weder das Recht der Zurückbehaltung zugunsten seiner Honorarforderung zustehe, noch ein Recht zur Aufrechnung des Herausgabeanspruches des Klienten mit der Honorarforderung des RA. Dieser hätte den Betrag lediglich zu Gericht erlegen können, was er jedoch nicht getan habe. Auf Grund dieses Urteils erlegte der RA den Betrag samt Zinsen zu Gericht und begehrte seinerseits mit Klage gegenüber der Erstbeschwerdeführerin deren Zustimmung zur Ausfolgung des Betrages an ihn im Hinblick auf seine Honorarforderung von rund S 8,3 Mio. Die Erstbeschwerdeführerin bestritt in diesem Verfahren diesen Anspruch und wendete Verjährung ein. Dieser Einwendung hielt der RA entgegen, daß er bereits im vorangegangenen Rechtsstreit eine Aufrechnungseinrede erhoben habe. Seine Klage wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom Februar 1987 abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Juni 1987. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des RA mit Urteil vom Oktober 1987 nicht Folge. Die Klagsabweisung wurde mit der bereits drei Jahre nach Beendigung des Mandatsverhältnisses eingetretenen Verjährung der Honorarforderung begründet. Hierauf erhielt die Erstbeschwerdeführerin die umstrittenen Beträge ausbezahlt.
Auf Grund der Ergebnisse einer im Jahr 1989 über die Kalenderjahre 1985 bis 1987 bei der Erstbeschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat das Finanzamt in seinen Bescheiden die Ansicht, daß sich in der Bilanz zum eine Gewinnerhöhung im Ausmaß des Entfalles der verjährten Honorarforderung des RA (S 2,6 Mio und S 5,7 Mio) und der von dieser zu bezahlenden Zinsen zu ergeben hätte, weil durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes in diesem Jahr die Ungewißheit über die Honorarforderung beseitigt worden sei. Außerdem sei für das Jahr 1987 gemäß § 16 Abs. 3 UStG 1972 die Vorsteuer aus der Honorarforderung zu berichtigen.
Die Erstbeschwerdeführerin erhob Berufung und machte vorerst geltend, daß die erwähnten Vorgänge schon in der Bilanz per ihren Niederschlag hätten finden müssen. In der Berufungsverhandlung machte die Erstbeschwerdeführerin geltend, daß die Ausbuchung bereits im Jahre 1984 hätte erfolgen müssen, weil die Verjährung "effektiv" am eingetreten sei.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend die Feststellung von Einkünften und betreffend die Gewerbesteuer, jeweils für 1985, und die Berufung betreffend die Umsatzsteuer für 1987 als unbegründet ab. Hinsichtlich der Berufung betreffend die Feststellung von Einkünften für 1986 und betreffend Gewerbesteuer für dieses Jahr gab die belangte Behörde dem Begehren teilweise Folge. Sie ging in Übereinstimmung mit der Berufungsvorentscheidung betreffend Gewerbesteuer und Feststellung von Einkünften für 1986 und 1987 davon aus, daß erstmals zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung zum - spätestens am - das endgültige Ergebnis im zweitgenannten Rechtsstreit bereits bekanntgewesen sei. Unter Beachtung des strengen Mindestwertprinzipes wären die "Prüfungsfeststellungen" zwar nicht in der Bilanz zum , sondern bereits in der Bilanz zum erfolgswirksam zu erfassen gewesen, nicht jedoch früher. Die Zinsen von S 1,5 Mio wurden von der belangten Behörde auf 1986 und 1987 entsprechend aufgeteilt. Zur Frage der Vorsteuerberichtigung schloß sich die belangte Behörde ebenfalls der Berufungsvorentscheidung an, die die Ansicht des Prüfers gebilligt hatte.
Nach Ablehnung ihrer Behandlung trat der Verfassungsgerichtshof die zunächst bei ihm eingebrachte Beschwerde mit Beschluß vom , B 172/91-4, an den Verwaltungsgerichtshof ab.
Die Beschwerdeführer erachten sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Vorsteuerberichtigung unterbleibe und im Hinblick auf die Verjährung der Honorarforderung "periodenrichtige Gewinnverwirklichung" erfolge. Die Beschwerdeführer behaupten inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragen deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in
der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zweit- und Drittbeschwerdeführer wurden hinsichtlich Umsatz- und Gewerbesteuer nicht in Anspruch genommen. Der angefochtene Bescheid wurde nicht gegen sie gerichtet, zumal sie gegen die Bescheide erster Instanz, die ebenfalls nicht an sie gerichtet waren, auch kein Rechtsmittel erhoben haben und auch dem Rechtsmittel der Erstbeschwerdeführerin nicht beigetreten sind. Sie können daher hinsichtlich dieser Abgaben durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt sein.
Die Beschwerde war deshalb insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG unter Bedachtnahme auf § 12 Abs. 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
Im übrigen ist die Beschwerde nicht berechtigt.
Die Beschwerdeführer vertreten die Meinung, weil die Verjährung der Honorarforderung schon 1984 eingetreten sei, hätte dies in den Folgejahren keine Auswirkungen auf die Betriebsergebnisse mehr haben können. Dabei übersehen die Beschwerdeführer, daß die Verjährung nicht zum Verlust des Rechtes führt, sondern nur zum Verlust seiner Klagbarkeit (vgl. Schubert in Rummel, Kommentar zum ABGB2, 2. Band, Rz 1 zu § 1451) und, daß gemäß § 1501 ABGB auf die Verjährung ohne Einwendung der Parteien von Amts wegen kein Bedacht zu nehmen ist. Schließlich wird die Verjährung gemäß § 1497 ABGB unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkannt hat. Neues Tatsachenvorbringen ist im Zivilprozeß grundsätzlich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht zulässig (vgl. § 482 ZPO).
Ausreichende Gewißheit über die Verjährung der Honorarforderung des RA gegenüber der Erstbeschwerdeführerin bestand daher - selbst wenn man Ungewißheit in der Auslegung des Gesetzes außer Betracht läßt - frühestens mit dem Zeitpunkt, in dem feststand, daß die Erstbeschwerdeführerin von der Verjährungseinrede Gebrauch machen und der Verjährungsgegner keine tauglichen Unterbrechungstatbestände behaupten werde. Vor diesem Zeitpunkt kam eine Abschreibung der Schuld nicht in Betracht (vgl. etwa Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz 1 zu § 6 Z 3 EStG 1972). Daß dieser Zeitpunkt aber bereits vor dem Kalenderjahr 1986 gelegen gewesen wäre, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan. Folglich kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Wegfall der Honorarforderung schon in der Bilanz zum zu erfassen gewesen wäre.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften machen die Beschwerdeführer geltend, der Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig geblieben, weil der Betrag von S 2,6 Mio samt Zinsen "offenbar" ein zweites Mal als erfolgswirksam behandelt worden sei. Diese Forderungen seien nämlich über Erlöskonto längst vor 1984 als Forderung verbucht worden.
Dieses Vorbringen ist vor dem Verwaltungsgerichtshof - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend erkannt hat - wegen des Neuerungsverbotes unbeachtlich. Die behauptete Tatsache ist keineswegs "offenbar", hätte also des Vorbringens durch den mitwirkungspflichtigen Steuerpflichtigen im Verwaltungsverfahren bedurft. Ein solcher Vortrag ist dort nicht erfolgt.
Die Beschwerdeführer übersehen in diesem Zusammenhang im übrigen, daß die belangte Behörde den Gewinn in Summe nur um die verjährte Honorarforderung (S 8,3 Mio) erhöht hat, in diesem Betrag also die vom RA zurückbehaltene Forderung der Erstbeschwerdeführerin gegen ihn (S 2,6 Mio) bereits enthalten ist. Schon deshalb ist der Vorwurf unrichtig, der Betrag von S 2,6 Mio sei "ein zweites Mal" als erfolgswirksam behandelt worden. Schließlich blieben die Beschwerdeführer auch eine Erklärung dafür schuldig, wieso Nebenansprüche (Zinsen), die erst mit Urteil im Jahre 1986 zuerkannt wurden, bereits "weit vor dem Jahre 1984 über Erlöskonto verbucht" gewesen sein konnten.
Eine Rechtswidrigkeit der Vorsteuerberichtigung wurde in der Beschwerde weiter nicht begründet. Sie ist nach der Aktenlage nicht erkennbar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.