VwGH vom 22.04.1999, 97/15/0156
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der M KG in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und Dr. Gernot Murko, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX A) vom , GA 6-95/5065/01, betreffend Umsatzsteuer 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende KG betreibt das Massage-, Pediküre- und Handpflegegewerbe. Für den Zeitraum 1985 bis 1992 behandelte das Finanzamt ihre Tätigkeit als Liebhaberei.
Für das Jahr 1993 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Einreichung einer Umsatzsteuererklärung auf. Da sie in der Folge keine Abgabenerklärung einreichte, ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege und erließ dementsprechend einen Umsatzsteuerbescheid.
Die Beschwerdeführerin berief gegen diesen Bescheid. Zur Begründung führte sie aus, das Finanzamt habe mit Bescheiden vom (betreffend Umsatzsteuer, Abgabe von alkoholischen Getränken, Gewerbesteuer sowie Feststellung von Einkünften für 1985 bis 1992) festgestellt, dass ihre Tätigkeit im Hinblick auf die langjährig aufgetretenen Verluste als Liebhaberei zu qualifizieren sei. Sie vertrete die Ansicht, Umsätze aus einer solchen als Liebhaberei eingestuften Tätigkeit könnten nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Die Liebhabereiverordnung könne auf den gegenständlichen Fall nicht angewendet werden, weil sie nur für eine vorläufige Beurteilung (für vorläufige Bescheide) gelte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Liebhabereiverordnung vom , BGBl. 33/1993 (im folgenden LVO 1993), sei eine Durchführungsverordnung iSd Art. 18 Abs. 2 B-VG zu § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972. Nach § 6 der LVO 1993 könne Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn nur bei einer Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 der Verordnung, nicht hingegen bei einer Betätigung iSd § 1 Abs. 1 der Verordnung vorliegen. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin (Handpflege-, Pediküre- und Massagegewerbe) stehe nicht in einem Zusammenhang mit der Lebensführung des Unternehmers und sei daher als Betätigung iSd § 1 Abs. 1 der Verordnung anzusehen. In umsatzsteuerlicher Hinsicht liege daher keine Liebhaberei vor. Da der Beschwerdeführerin Unternehmereigenschaft zukomme, sei sie gemäß § 18 Abs. 1 UStG 1972 zur Führung von Aufzeichnungen verpflichtet. Sie sei auch zur Einreichung von Umsatzsteuererklärungen verpflichtet. Wenn die Abgabenpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die sie nach den Abgabenvorschriften zu führen habe, nicht vorlege, bzw. wenn sie ihrer Verpflichtung zur Einreichung von Steuererklärungen nicht nachkomme, habe die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen. Es seien daher im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Schätzung gegeben. In der weiteren Bescheidbegründung legt die belangte Behörde dar, welche Schätzungsmethode gewählt worden ist und wie sie konkret die Besteuerungsgrundlagen ermittelt hat.
Mit Beschluss vom , B 261/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - von der Beschwerdeführerin ergänzte - Beschwerde erwogen:
Abschnitt II der zu § 2 Abs. 3 EStG 1988,§ 7 Abs. 2 KStG 1988, § 2 UStG 1972 und § 200 Abs. 1 BAO ergangenen
LVO 1993 lautet:
"Umsatzsteuer
§ 6. Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn kann nur bei Betätigungen im Sinn des § 1 Abs. 2, nicht hingegen bei anderen Betätigungen vorliegen."
Die Beschwerdeführerin bringt vor, § 6 der LVO 1993 stehe im Gegensatz zur gesetzlichen Bestimmung des § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972.
Hiezu ist darauf zu verweisen, dass § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 in Zusammenschau mit dem auf die bloße Einnahmenerzielung ausgerichteten § 2 Abs. 1 UStG 1972 auch einer solchen Auslegung zugänglich ist, wie sie mit § 6 der LVO 1993 vorgenommen worden ist (vgl. Ruppe, UStG 1994, § 2 Tz 244 ff und 254).
Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin stellt unbestritten eine solche iSd § 1 Abs. 1 der LVO 1993 dar. Aus § 6 der LVO 1993 ergibt sich daher, dass im Streitjahr in umsatzsteuerlicher Hinsicht keine Liebhaberei vorliegt.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die LVO 1993 sei dann nicht mehr anzuwenden, wenn die Entscheidung betreffend Liebhaberei endgültig gefallen sei. Das Finanzamt habe rechtskräftig entschieden, dass ihre Tätigkeit auf Dauer gesehen Gewinne nicht erwarten lasse und daher als Liebhaberei iSd § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 anzusehen sei. Die neuerliche Beurteilung von schon endgültig und rechtskräftig als Liebhaberei eingestuften Betrieben sei nach der Lehre von der formellen und materiellen Rechtskraft von Bescheiden nur zulässig, wenn objektive Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorlägen. Solche Gründe seien aber nicht gegeben.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, dass die von ihr angesprochenen bescheidmäßigen Erledigungen nicht das Jahr 1993, sondern frühere Veranlagungsjahre betreffen. Mit einem Abgabenbescheid (bzw. einem Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO) wird aber jeweils nur für ein bestimmtes Veranlagungsjahr abgesprochen. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Rechtskraft der Entscheidungen erstreckt sich nicht auf andere Veranlagungsjahre. Auch wenn mit endgültigen und rechtskräftigen Bescheiden für Vorjahre von Liebhaberei ausgegangen worden ist, kann die Beurteilung späterer Veranlagungsjahre zu einem anderen Ergebnis führen.
Im gegebenen Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin keine Einwendungen gegen das Schätzungsergebnis erhoben und auch kein Vorbringen erstattet hat, aus dem sich ergeben würde, dass im konkreten Fall der Umfang der Umsatzbesteuerung im Streitjahr im Hinblick auf die Versagung des Vorsteuerabzuges in Vorjahren (mit Rücksicht auf die unveränderte Sachlage) allenfalls unsachlich wäre bzw. einen Verstoß gegen das System des Umsatzsteuerrechts darstellte.
Schließlich bringt die Beschwerdeführerin vor, es treffe sie keine Verpflichtung zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen, weshalb die belangte Behörde zu Unrecht eine Schätzungsberechtigung angenommen habe.
Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung zur Einreichung der Umsatzsteuererklärung nicht nachgekommen ist. Schon aufgrund dieses Umstandes hatte die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 184 Tz 8). Da die Beschwerdeführerin - wie oben ausgeführt - im Streitjahr als Unternehmerin iSd UStG 1972 anzusehen war, haben sie aber auch die in § 18 UStG 1972 normierten Aufzeichnungspflichten getroffen. Auch aus dem Umstand, dass diese Aufzeichnungen nicht geführt worden sind, ergibt sich die Schätzungsberechtigung (§ 184 Abs. 3 BAO).
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am