VwGH vom 13.06.1990, 89/03/0103
Betreff
N gegen Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb2-V-7051/7-89, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 12.08 Uhr in Innsbruck einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Egger-Lienz-Straße in Richtung Westen gelenkt und auf Höhe des Lehrbauhofes die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 20 km/h überschritten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 52 Z. 10a StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 600,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt wurde. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, auf Grund der Zeugenaussage des Zulassungsbesitzers, derzufolge das Fahrzeug von Anfang Juni bis dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt worden sei, gehe sie davon aus, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt habe. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch ein geeichtes und nach der Zeugenaussage des Meldungslegers den Bedienungsvorschriften entsprechend aufgestelltes Radarmeßgerät gemessen worden, weshalb die Geschwindigkeitsüberschreitung im angeführten Ausmaß als erwiesen angenommen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bemängelt, daß an ihn keine Aufforderung nach § 103 KFG ergangen sei. Ohne eine solche Aufforderung hätte nicht als erwiesen angenommen werden dürfen, daß er zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, der Behörde gleich mitzuteilen, daß nicht er, sondern seine Lebensgefährtin der Lenker des Fahrzeuges gewesen sei. Da er nie angegeben habe, selbst der Lenker des Fahrzeuges gewesen zu sein, und dies in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis ausdrücklich in Abrede gestellt habe, wäre "die Behörde im Sinne des Grundsatzes der Erforschung der materiellen Wahrheit und im Sinne des Grundsatzes der Amtswegigkeit verpflichtet gewesen, die tatsächliche Lenkerin durch eine entsprechende Aufforderung gemäß § 103 KFG auszuforschen".
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Lenkereigenschaft eines Beschuldigten - wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem im Erkenntnis vom , Zl. 88/02/0138, ausgesprochen hat - nicht nur im Wege einer Aufforderung nach § 103 KFG ermittelt werden kann. Vielmehr handelt es sich bei der Feststellung, wer ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, um einen Akt der Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG 1950.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die von der belangten Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG 1950 vorgenommene Beweiswürdigung nur insoweit seiner nachprüfenden Kontrolle, als die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, d.h. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber auch dahin, ob ein Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053).
Die belangte Behörde gründete ihre Annahme, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit das Fahrzeug gelenkt hat, auf die Zeugenaussage des Zulassungsbesitzers, der angegeben hat, daß er den Beschwerdeführer als Lenker namhaft gemacht habe, weil er ihm sein Fahrzeug von Anfang Juni bis zur Verfügung gestellt habe - es habe ein mündlicher Kaufvertrag bestanden - und eine Weitergabe des Fahrzeuges ohne sein Einverständnis nicht möglich gewesen wäre. Da der Beschwerdeführer nach Kenntnisnahme dieser Zeugenaussage lediglich vorgebracht habe, daß das Fahrzeug auch noch im Besitze anderer Personen gewesen sei, ohne jedoch weiter darzutun, um welche es sich gehandelt habe, habe die Behörde keine Verpflichtung gesehen, weitere Ermittlungen dazu anzustellen, zumal erst in der Berufung vom Beschwerdeführer vorgebracht worden sei, daß er nicht der Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag es nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde auf Grund dieser Zeugenaussage im Zusammenhalt mit dem Verhalten des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren auf seine Täterschaft geschlossen hat. Weder dem gegen die dem vorliegenden Verfahren vorausgegangene und zufolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft getretene Strafverfügung erhobenen Einspruch noch der Rechtfertigung des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren ist die Behauptung zu entnehmen noch kann daraus zwingend geschlossen werden, daß vom Beschwerdeführer die Tat deswegen bestritten werde, weil er nicht der Lenker gewesen sei. Eine solche Behauptung wurde vom Beschwerdeführer ausdrücklich erst in der Berufung aufgestellt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Erstinstanz ging also ungeachtet dessen, daß ihm zum Vorwurf gemacht wurde, die Geschwindigkeitsüberschreitung als Lenker des Fahrzeuges begangen zu haben (vgl. z.B. den Ladungsbescheid vom ), nicht etwa dahin, daß er schon mangels Lenkereigenschaft als Täter nicht in Betracht komme, sondern war vielmehr darauf gerichtet, daß der Lenker des Fahrzeuges - ohne diesen allerdings zu nennen - die Tat nicht begangen habe, wobei als Begründung eine Reihe von den Vorfall betreffenden Umständen angeführt wurde, die nur dem Lenker bekannt sein können. Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer, wenn er nicht selbst der Lenker war, diesen kennen mußte. Dennoch unterließ es der Beschwerdeführer, und zwar auch noch im Berufungsverfahren, diesen der Behörde bekanntzugeben und nannte ihn erst in der vorliegenden Beschwerde. Nun befreit der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verwaltungsverfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 5007/A). Der Beschwerdeführer hat in keinem Stadium des Verfahrens Angaben darüber gemacht, wer das Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt habe oder aus welchen Gründen er derartige Angaben nicht machen könne, obwohl ihm - wie vorstehend dargelegt - die Person des Lenkers jedenfalls bekannt sein mußte. Der Beschwerdeführer hat es solcherart an der ihm auch im Verwaltungsstrafverfahren obliegenden Mitwirkungspflicht mangeln lassen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde ihm Rahmen der ihm zustehenden (eingeschränkten) nachprüfenden Kontrolle nicht entgegentreten kann, wenn sie die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers ohne weitere Ermittlungen als erwiesen annahm (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/02/0138).
Ebenfalls erstmalig wird in der vorliegenden Beschwerde konkret eingewendet, daß die entsprechenden Verkehrszeichen zur Tatzeit verschmutzt, verdeckt oder durch sonstige Einflüsse nicht wahrnehmbar gewesen seien. Im Verwaltungsstrafverfahren brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, daß eine Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei, wenn das Verkehrszeichen verdeckt, verschmutzt oder durch sonstige Einflüsse nicht wahrnehmbar sei, ohne zu behaupten, daß solche die Wahrnehmbarkeit der Verkehrszeichen beeinflussende Umstände auch im Beschwerdefall vorgelegen wären. Demnach war dieses Vorbringen nicht auf die Feststellung bestimmter Tatsachen, deren im konkreten Fall gegebenes Vorliegen vom Beschwerdeführer behauptet worden wäre, sondern auf die Durchführung eines bloßen Erkundigungsbeweises gerichtet, dem zu entsprechen die Behörde, wie sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht ausführte, nicht verpflichtet war (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/03/0161). Dazu kommt, daß dem Radarfoto - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkte - keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, daß die Witterungs- und Straßenverhältnisse zur Tatzeit derart beschaffen gewesen wären, daß eine Verschmutzung von Verkehrszeichen nahelag und etwa aus diesem Grunde ergänzende Ermittlungen erforderlich gewesen wären.
Der Beschwerdeführer stellt auch in der vorliegenden Beschwerde in Abrede, zu schnell gefahren zu sein. Es sei gar nicht möglich, daß auf der Egger-Lienz-Straße zur Mittageszeit wegen des zu dieser Zeit täglich herrschenden Kolonnenverkehrs eine Geschwindigkeit von 80 km/h gefahren werde. Das Radarmeßgerät habe daher zweifelsfrei nicht richtig funktioniert und sei nicht richtig eingestellt gewesen. Der Eichschein könne niemals Beweis dafür sein, daß das Meßgerät richtig funktioniert habe. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, daß das Meßgerät keiner technischen Überprüfung unterzogen und kein Lokalaugenschein zur Mittageszeit durchgeführt worden sei. Auch sei die Behörde seinem Antrag, den genauen Standort des Meßgerätes anzugeben, nicht nachgekommen.
Auch diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Die Funktionstüchtigkeit des Radarmeßgerätes konnte die belangte Behörde auf Grund des vorgelegten Eichscheines in Verbindung mit der Zeugenaussage des Meldungslegers, wonach sich auch nachträglich, bezogen auf den Tatzeitpunkt, keine Meßfehler ergeben haben, als gegeben annehmen, ohne daß es einer technischen Überprüfung des Meßgerätes bedurfte, zumal auch der Beschwerdeführer diesbezüglich außer der Behauptung, daß das Radarmeßgerät "zweifelsfrei" nicht richtig funktioniert habe, nichts Bestimmtes vorzubringen vermag. Was aber die Aufstellung, Einstellung und Bedienung des Gerätes anlangt, bleibt der Einwand des Beschwerdeführers ebenfalls abstrakt, ohne konkret darzutun, "welche Bedienungsvorschriften auf welche Art und Weise" vom Meldungsleger nicht beachtet worden seien und daß gegen das Meßergebnis aus bestimmten sich aus dem Aufstellungsort des Meßgerätes ergebenden Gründen Bedenken bestünden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0093). Im übrigen ist einem mit der Radarmessung betrauten Beamten auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Radargerätes zuzumuten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/03/0284), wozu im Beschwerdefall noch kommt, daß es sich beim Meldungsleger - worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht hinweis - um einen Beamten handelt, der seit ca. 12 Jahren regelmäßig Radarmessungen vornimmt. Die Durchführung eines "Lokalaugenscheines zur Mittagszeit an Ort und Stelle" hätte schon deswegen nichts erbracht, weil bei diesem die Verhältnisse zum Tatzeitpunkt in Ansehung des vom Beschwerdeführer behaupteten Kolonnenverkehrs nicht mehr rekonstruierbar gewesen wären. Da eine Radarmessung grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit darstellt, wobei die belangte Behörde - wie dargelegt - von der Richtigkeit des Meßergebnisses ausgehen durfte, ist der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie die Geschwindigkeitsüberschreitung als erwiesen annahm, die nach dem Vorgesagten der Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges zu verantworten hat.
Aber auch die Ansicht des Beschwerdeführers, daß der angefochtene Bescheid einen Nullakt darstelle und nichtig sei, weil er weder vom "Landeshauptmann" noch von XY, dem mutmaßlichen Sachbearbeiter, unterfertigt sei, entbehrt der Grundlage. Sollte der Beschwerdeführer damit die ihm zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides meinen, übersieht er § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG 1950, wonach an die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden die Beglaubigung der Kanzlei treten kann, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Eine solche Beglaubigung enthält die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides. Die Urschrift des Geschäftstückes (des angefochtenen Bescheides) trägt aber, wie den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsstrafakten zu entnehmen ist, unter leserlicher Beifügung des Namens die Unterschrift dessen, der die Erledigung "Für die Landesregierung" genehmigt hat.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist auch der im Straferkenntnis mit "Egger-Lienz-Straße, auf Höhe des Lehrbauhofes" umschriebene Tatort im Sinne des § 44a lit. a VStG, auch wenn es sich beim Lehrbauhof um ein größeres "Areal" handelt, hinreichend konkretisiert. Durch die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Bezeichnung des Tatortes ist ein ausreichend enger Bezug zwischen der dem Beschwerdeführer angelasteten, im Fahren gesetzten Tat mit einem bestimmten Ort hergestellt, sodaß der Tatort unverwechselbar feststeht. Es besteht kein Zweifel, wofür der Beschwerdeführer bestraft worden ist. Der Beschwerdeführer wurde durch die gewählte Tatortumschreibung weder in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt noch der Gefahr ausgesetzt, für dieselbe Tat doppelt bestraft zu werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/03/0273, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).
Die zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.