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VwGH vom 09.05.1990, 89/03/0051

VwGH vom 09.05.1990, 89/03/0051

Betreff

N gegen Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb2-V-7050/5-1989, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen des § 37 Abs. 1 StVO und des § 9 Abs. 1 leg. cit. bestraft, weil er am um 20.14 Uhr in Innsbruck den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Brunecker Straße, vor dem Posthof, in Richtung Norden gelenkt und 1) trotz eines durch hochgehobenen Arm deutlich sichtbaren Haltezeichens sein Fahrzeug nicht angehalten und 2) die dort befindliche Sperrlinie mit halber Fahrzeugbreite überfahren habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist auf den Beschwerdeeinwand einzugehen, daß der angefochtene Bescheid eine wesentliche Bestimmung der Bundesverfassung verletzte, nach der ein Verfahren nur vor dem gesetzlichen Richter möglich sei. Die belangte Behörde sei eine Verwaltungsbehörde und nicht der gesetzliche (unabhängige) Richter. Strafbescheide der Verwaltungsbehörden stünden "dem Grundsatz der Trennung von der Justiz und Verwaltung" gegenüber. Zudem widerspreche das Verwaltungsverfahren den Bestimmungen der Europäischen Konvention für Menschenrechte (MRK). Der Beschwerdeführer regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung "des vorliegenden Berufungserkenntnisses wegen Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter auf seine Verfassungsmäßigkeit" beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof versteht dieses - soweit überhaupt nachvollziehbare - Vorbringen zusammengefaßt dahin, daß im Gegenstande nicht Verwaltungsbehörden, sondern Gerichte zu entscheiden gehabt hätten, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen, die das mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene Strafverfahren nicht den Gerichten, sondern


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als die Bestrafung von Verwaltungsübertretungen betreffend - den Verwaltungsbehörden übertragen, auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin beim Verfassungsgerichtshof beantragen möge. Damit übersieht der Beschwerdeführer aber, daß das B-VG
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wie sich schon aus Art. 10 Abs. 1 Z. 6 und Art. 11 Abs. 2 leg. cit. ergibt -, ein Verwaltungsstrafrecht und ein Verwaltungsstrafverfahren zuläßt und daran sich auch in Hinsicht auf den Vorbehalt der Republik Österreich zu Art. 5 MRK nichts geändert hat. Der Vorbehalt der Republik Österreich zu Art. 5 MRK hinsichtlich der Verwaltungsverfahrensgesetze schließt bezüglich der unter diese Gesetze fallenden Verfahren auch die Anwendung des Art. 6 MRK aus. Es bestehen demnach keine Bedenken, daß die das Verwaltungsstrafverfahren den Verwaltungsbehörden zuweisenden gesetzlichen Bestimmungen gegen
Artikel 6 MRK verstoßen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 9158). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich demnach auch nicht zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof im Sinne der Anregung des Beschwerdeführers veranlaßt.

Mit den weiteren Beschwerdeausführungen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Er rügt in diesem Zusammenhang, daß eine Gegenüberstellung mit dem Meldungsleger an Ort und Stelle, allenfalls unter Durchführung eines Lokalaugenscheines, unterblieben sei und daß ferner nur der Meldungsleger als Zeuge vernommen, der Beschwerdeführer jedoch nicht einvernommen worden sei. Im Beschwerdefall stehe die Aussage des Meldungslegers den Angaben des Beschwerdeführers gegenüber. Nun sei aber nicht nur der Meldungsleger ein Beamter, sondern auch der Beschwerdeführer. Als solcher könne er sich eine falsche Aussage oder eine unrichtige Angabe, die er als Beschuldigter machen könnte, nicht leisten, weil dies für ihn mit einem Disziplinarverfahren verbunden sei. Vor allem aber habe die belangte Behörde den Grundsatz, daß im Zweifel für den "Angeklagten" zu entscheiden sei, mißachtet, zumal die Aussagen des Meldungslegers für eine Bestrafung des Beschwerdeführers nicht ausreichten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 8619/A) schließt die auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h., ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, weshalb wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung zur Aufhebung des Bescheides führen. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/02/0053).

Die belangte Behörde stützte die wesentlichen Feststellungen auf die mit der Anzeige übereinstimmenden Zeugenaussagen des Meldungslegers, der zum Sachverhalt wiederholt eingehend befragt wurde, eine Skizze über den Tatort anfertigte und eine schlüssige, widerspruchsfreie sowie logisch nachvollziehbare Darstellung des Geschehens gab. Die belangte Behörde begründete auch ausreichend, warum sie den Angaben des Meldungslegers folgte und nicht der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers Glauben schenkte. Es war ihr bei diesen Erwägungen nicht verwehrt, auch auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Meldungsleger bei seinen Aussagen unter Wahrheitspflicht stand. Demgegenüber konnte sich der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Beschuldigter ungeachtet dessen, daß er ebenfalls Beamter ist, in jeder Richtung frei verantworten, ohne daß gegen ihn allein deswegen ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden dürfte, wie der Beschwerdeführer zu Unrecht meint. Es darf ferner nicht übersehen werden, daß der Meldungsleger die Übertretungen - wie schon in der Anzeige festgehalten ist - während seines Überwachungsdienstes, im Zuge dessen er den Verkehr regelte, um einem Fahrzeug der Post das Ausfahren aus dem Posthof zu ermöglichen, feststellte und einem Organ der Straßenaufsicht - auch darauf wurde von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend hingewiesen - zuzubilligen ist, Vorgänge im Straßenverkehr - vor allem relativ einfacher Art wie die vorliegenden - richtig zu beobachten und korrekt wiederzugeben.

Bei diesem Sachverhalt kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einer Gegenüberstellung des Meldungslegers mit dem Beschwerdeführer an Ort und Stelle (allenfalls in Verbindung mit einem Lokalaugenschein) Abstand nahm, ganz abgesehen davon, daß weder das VStG noch das AVG dem Beschuldigten ein Recht auf Gegenüberstellung mit einem Zeugen einräumen und die Behörde zu einer solchen Gegenüberstellung nur dann gehalten ist, wenn die Möglichkeit einer Personenverwechslung besteht, was im Beschwerdefall jedoch nicht zutrifft (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/02/0159, und vom , Zl. 86/03/0189). Das VStG enthält ferner keine Bestimmung, die eine persönliche Einvernahme des Beschuldigten zwingend vorschreiben würde; die Vorschrift des § 51 AVG über die Vernehmung von Beteiligten findet im Verwaltungsstrafverfahren keine Anwendung. Die Gewinnung eines persönlichen Eindruckes vom Beschuldigten ist kein Beweisthema. Die Unterlassung der Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei stellt demnach keine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, zumal der Beschwerdeführer mehrfach, jedenfalls auch in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis, Gelegenheit zur Darlegung seines Standpunktes gehabt und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/02/0129, und vom , Zl. 89/18/0188).

Mit dem Vorbringen schließlich, es hätte im Zweifel für den Beschwerdeführer und nicht gegen ihn entschieden werden müssen, verkennt der Beschwerdeführer das Wesen der freien Beweiswürdigung und die Grenzen der gegenüber dieser freien Beweiswürdigung möglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Der Grundsatz "in dubio pro reo" greift nur Platz, wenn die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände nach der Beweiswürdigung der Behörde gleiches Gewicht haben, was jedoch nach den - wie vorstehend dargelegt - nicht als rechtswidrig zu erkennenden Erwägungen der belangten Behörde im Beschwerdefall zu verneinen ist.

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.