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VwGH vom 19.11.1998, 97/15/0132

VwGH vom 19.11.1998, 97/15/0132

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

97/15/0133

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

97/16/0335 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerden des H in G, vertreten durch Dr. Rene Hirschenhauser, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Wiener Straße 41, gegen 1. den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/084-07/03/97, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, Säumniszuschlag, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Exekutionsgebühren, Verspätungszuschlag, Kraftfahrzeugsteuer und Kammerumlage sowie 2. den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/085-07/03/97, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, Körperschaftsteuer und Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde gegen den unter 1. genannten Bescheid wird insoweit als unbegründet abgewiesen, als sie die Haftung für andere Abgaben als Kraftfahrzeugsteuer betrifft. Die Entscheidung über die Haftung betreffend Kraftfahrzeugsteuer ergeht unter Zl. 97/16/0335.

Die Beschwerde gegen den unter 2. genannten Bescheid wird ebenfalls als unbegründet abgewiesen.

Die Kostenentscheidung ergeht unter Zl. 97/16/0335.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit den angefochtenen Bescheiden im Instanzenzug als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschulden in Anspruch genommen, und zwar mit dem erstangefochtenen Bescheid für Abgaben der H-GmbH & Co KG im Ausmaß von 243.070,40 S (davon Umsatzsteuer, Säumniszuschlag, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Exekutionsgebühren, Verspätungszuschlag und Kammerumlage im Ausmaß von 241.923,20) und mit dem zweitangefochtenen Bescheid für Abgaben der H-GmbH im Ausmaß von 67.828,80 S (Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, Körperschaftsteuer und Säumniszuschlag). Zur Begründung wird in den Bescheiden im wesentlichen gleichlautend ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei Geschäftsführer der H-GmbH und der H-GmbH & Co KG gewesen. Er habe im Berufungsverfahren zutreffend vorgetragen, daß sich aus der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der H-GmbH bzw des Konkurses über das Vermögen der H-GmbH & Co KG noch nicht die gänzliche Uneinbringlichkeit ihrer Abgabenschulden ergebe. Die Uneinbringlichkeit könne allerdings nach Ansicht der belangten Behörde angenommen werden, wenn sich in den Insolvenzverfahren herausstelle, daß die Schulden mangels ausreichenden Vermögens nicht getilgt werden könnten. Die H-GmbH und die H-GmbH & Co KG hätten am einen Zwangsausgleichsvorschlag eingebracht und dabei die Bezahlung einer Quote von 20 % der angemeldeten Konkursforderungen angeboten. Die belangte Behörde schließe daraus, daß der Abgabenrückstand lediglich in diesem Ausmaß einbringlich sei; für den Restbetrag sei der Haftungstatbestand erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Inanspruchnahme eines Haftenden nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches hinsichtlich des Primärschuldners unzulässig, weil die durch den Ausgleich bewirkte Befreiung des Primärschuldners infolge der Akzessorietät der Haftung auch zugunsten des in diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig zur Haftung Herangezogenen wirke. Im gegenständlichen Fall sei aber der Zwangsausgleich noch nicht rechtskräftig bestätigt, sodaß die Befreiung auch dem Haftenden gegenüber nicht wirke.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 95/16/0077, zu Recht erkannt, nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches sei der Primärschuldner von den die Quote übersteigenden Verbindlichkeiten befreit. Es dürfe daher für diesen Teil der Verbindlichkeiten die in § 9 BAO normierte Haftung nicht (mehr) geltend gemacht werden. In den Beschwerdefällen habe die belangte Behörde die Bescheide vor der rechtskräftigen Ausgleichsbestätigung erlassen. Die dem Erkenntnis 95/16/0077 zugrundeliegende Rechtsansicht dürfe nicht so verstanden werden, daß der Umfang der Haftungspflicht vom Zeitpunkt der Bestätigung durch das Gericht abhängig sei. Ansonsten müßte die Berufungsbehörde bestrebt sein, die Entscheidung über die Haftung nach Abstimmung über den Ausgleich, aber jedenfalls vor rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleiches zu treffen. Der Umfang der Haftung könne nicht davon abhängen, ob der Haftungsbescheid vor oder nach der rechtskräftigen Bestätigung des Ausgleiches erlassen werde. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Heranziehung zur Haftung schon dann unzulässig, wenn mit der Bestätigung des Ausgleiches zu rechnen sei. Die belangte Behörde hätte daher mit ihrer Entscheidung (über die Berufung) bis zur Bestätigung des Zwangsausgleiches zuwarten und sodann die erstinanzlichen Haftungsbescheide aufheben müssen. Sie habe aber - einem Erlaß entsprechend - ihre Entscheidungen vor der Bestätigung des Ausgleiches getroffen.

Im Beschwerdefall sind die angefochtenen Bescheide am erlassen worden. Der zwischen der H-GmbH und ihren Gläubigern und der zwischen der H-GmbH & Co KG und ihren Gläubigern abgeschlossene Zwangsausgleich wurden jeweils mit Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom bestätigt.

Gemäß § 156 Abs. 1 KO wird der Gemeinschuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen. Der rechtskräftig bestätigte Ausgleich führt dazu, daß der Schuldner den Gläubigern den Ausfall nicht ersetzen muß, die Verbindlichkeit sich zu einer Naturalobligation wandelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/16/0077).

Ob die Haftung zu Recht besteht, hat die Berufungsbehörde nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zu entscheiden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2797). Es ist unbestritten, daß in den Beschwerdefällen im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide die in § 156 Abs. 1 KO angeordnete Rechtsfolge noch nicht eingetreten war. In den angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen können, daß die Primärschuldner von dem die Ausgleichsquote übersteigenden Teil der Verbindlichkeiten befreit seien, weshalb eine Einschränkung der Haftung aus den Überlegungen, die dem hg. Erkenntnis 95/16/0077 zugrundeliegen, nicht in Betracht gekommen ist. Aus der Sicht des Beschwerdefalles mußte auch nicht untersucht werden, ob die dem erwähnten Erkenntnis zugrundeliegende Rechtsansicht weiter aufrecht erhalten werden kann.

Soweit der Beschwerdeführer aber vorbringt, die belangte Behörde habe zu früh eine Entscheidung über die Berufungen getroffen, sie hätte weiter zuwarten müssen, ist ihm entgegenzuhalten, daß dem Gesetz eine solche Verpflichtung nicht zu entnehmen ist. Das Gesetz (§ 311 Abs. 1 BAO und § 27 VwGG) verbietet vielmehr die Verzögerung bei der Erledigung von Parteienanbringen. Daran ändert nichts, daß, weil für die Inanspruchnahme der Haftung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung maßgebend ist, unter Umständen bei einem weiteren Zuwarten - etwa im Fall des Auftauchens weiteren Vermögens beim Primärschuldner - ein anders lautender Bescheid hätte ergehen müssen.

In der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid bringt der Beschwerdeführer weiters vor, die Geltendmachung der Haftung für Abgabenschulden der H-GmbH & Co KG stütze sich auf die §§ 9 Abs. 1 iVm 80 Abs. 1 und 81 Abs. 1 BAO. Der Spruch des erstinanzlichen Haftungsbescheides führe zwar die §§ 9 Abs. 1 und 80 BAO an, nicht aber die Bestimmung des § 81 Abs. 1 BAO. Desgleichen enthalte der Spruch des angefochtenen Bescheides keinen Hinweis auf § 81 BAO und leide daher an einem formalen Mangel.

Auch dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Anders als etwa § 59 Abs. 1 AVG und § 44a VStG schreiben die den Bescheidinhalt regelnden Bestimmungen der BAO (§ 93 BAO sowie - für Berufungsentscheidungen - § 288 BAO) nicht vor, daß der Spruch die zur Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen anzuführen habe.

Die Beschwerden erweisen sich sohin in dem im Spruch genannten Umfang als unbegründet und waren daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am