VwGH vom 09.05.1995, 92/14/0092
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Dr. P in A, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 441/1-5/Se-1991, betreffend Jahresausgleich für 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei Durchführung eines beantragten Jahresausgleiches für 1990 korrigierte das Finanzamt beim Beschwerdeführer - einem ÖBB-Bediensteten - das bis dahin für eine mit der Bahn zurückgelegte Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von über 60 km in Anspruch genommene Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 in Höhe von S 10.800,-- jährlich auf den Betrag von S 2.016,-- (S 1.800,-- gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit c leg cit zuzüglich S 216,-- als Kosten des Werkverkehrs) mit der Begründung, er werde im Werkverkehr befördert.
In einer dagegen eingebrachten Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Beförderung im Werkverkehr; es handle sich um ein öffentliches Verkehrsmittel, welches von jedermann zu verschiedenen tariflichen Bedingungen benützt werden könne. Ein Nachweis über eine bestimmte Höhe der Benützungskosten des öffentlichen Verkehrsmittels sei in den steuerrechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen. Diese hätten im Jahr allerdings nicht S 216,--, sondern S 432,-- betragen. Auf ihren öffentlichen Eisenbahnlinien betrieben die ÖBB keinen "Werksverkehr". "Werksverkehr" könne laut Eisenbahngesetz 1957 nur auf nichtöffentlichen Eisenbahnen zugelassen werden. Die Beförderung durch das Massenbeförderungsmittel erfolge auch nicht bis zur Arbeitsstätte, was ebenfalls gegen die Annahme eines "Werksverkehrs" spräche. In einer Berufungsvorentscheidung, in welcher lediglich weitere S 216,-- als Kosten der Beförderung zusätzlich berücksichtigt wurden, wurde die Ansicht vertreten, daß bei ÖBB-Bediensteten, die zur Gänze oder teilweise mit Zügen oder Bussen der ÖBB zwischen Wohnung und Arbeitsstätte befördert würden, Werkverkehr vorliege.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ergänzte der Beschwerdeführer, es fehlten wesentliche Merkmale eines "Werksverkehrs" auch insofern, als die Beförderung nicht (vom Wohnort) bis zur Arbeitsstätte, sondern nur bis zu einem öffentlichen Bahnhof oder einer Haltestelle erfolge. Der Fahrplan sei - anders als bei "Werksverkehr" - nicht auf die Arbeitszeiten der Mitarbeiter abgestimmt. Auch durch eine Gleitzeitregelung könne die Arbeitszeit nur in den wenigsten Fällen optimal dem Fahrplan angepaßt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Lohnsteuergutschrift im gleichen Ausmaß wie in der Berufungsvorentscheidung angesetzt, im übrigen die Berufung aber abgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer für die täglichen Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück überwiegend den Zug, also ein Massenverkehrsmittel seines Arbeitgebers, zu nur Dienstnehmern seines Arbeitgebers zustehenden günstigen Konditionen verwende. Es liege daher nach der gesetzlichen Definition eine Beförderung im Werkverkehr vor, sodaß nur das Pendlerpauschale (in Höhe von S 1.800,-- für die nicht im Werkverkehr zurückgelegte Wegstrecke Wohnung - Bahnhof) zuzüglich der Kosten des Werkverkehrs in Höhe von S 432,-- zustehe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich (nach dem Inhalt der Beschwerde) durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit b EStG 1988 für eine Fahrtstrecke von über 60 km (S 10.800,--) verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift, die belangte Behörde erstattete ihrerseits eine Äußerung auf diese Replik, worauf der Beschwerdeführer abermals replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wobei mit dem Verkehrsabsetzbetrag und allenfalls den in lit b und c konkretisierten Pauschbeträgen alle entsprechenden Ausgaben abgegolten sind. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gemäß § 26 Z 5 EStG 1988 liegt Werkverkehr vor, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Fahrzeugen in der Art eines Massenbeförderungsmittels befördern läßt.
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß die Art und Weise, wie er seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklegt, insbesondere im Sinne der Verkehrsauffassung nicht als Werkverkehr bezeichnet werden kann.
In seinem subjekten Recht auf Zuerkennung eines Pauschbetrages im Sinne des § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 wird der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid aber dennoch aus folgenden Erwägungen nicht verletzt:
Die Bedeutung der Bestimmung, daß dem Arbeitnehmer, der im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr befördert wird, die im § 16 Abs 1 Z 6 lit b und c EStG 1988 normierten Pauschbeträge nicht zustehen, ist darin zu sehen, daß eine pauschale Berücksichtigung von Werbungskosten dann nicht gerechtfertigt ist, wenn - wie dies bei Werkverkehr typisch ist - dem betreffenden Arbeitnehmer keine (oder gegenüber Arbeitnehmern, die nicht im Werkverkehr befördert werden, erheblich geringere) Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erwachsen und ein aus der kostenlosen oder begünstigten Beförderung entstehender Vorteil - wie dies § 26 Z 5 EStG 1988 normiert - nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört.
Wiewohl der Gesetzgeber nur im Fall des Werkverkehrs ausdrücklich normiert, daß diesfalls die Werbungskostenpauschalien nicht zustehen, erfordert die ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgeanordnung, nämlich daß ein entsprechendes Pauschale grundsätzlich nicht zusteht, entstehende Kosten aber bis zur Höhe des entsprechenden Pauschales als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, auch auf den gegenständlichen Fall. Diese Beurteilung ist im Beschwerdefall insbesondere auch deswegen geboten und gerechtfertigt, weil einerseits der aus der Beförderung des Arbeitnehmers im Werkverkehr resultierende Vorteil aus dem Dienstverhältnis gemäß § 26 Z 5 EStG nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört, andererseits der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung der eigenen Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen bei Beförderungsunternehmen gemäß § 3 Z 21 EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit sind, somit in beiden Fällen kein Sachbezug zu versteuern ist. (Daher ist auch die Ansicht des Beschwerdeführers verfehlt, daß gegenständlich die "gesetzmäßige und richtige Vorgangsweise eine Versteuerung eines Sachbezuges" wäre.) Dem Umstand, daß der aus dem Werkverkehr resultierende Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört, während der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung der eigenen Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen bei Beförderungsunternehmen zwar zu diesen Einkünften gehört, aber gemäß § 3 Z 21 EStG 1988 steuerfrei ist, ist in bezug auf die gegenständlich zu lösende Rechtsfrage nicht von Bedeutung. Der belangten Behörde ist daher im Ergebnis zuzustimmen, daß dem Beschwerdeführer das von ihm geltend gemachte Werbungskostenpauschale nicht zusteht.
Da die von der Beschwerde gerügte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus den angeführten Erwägungen nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.