zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 08.10.1998, 97/15/0114

VwGH vom 08.10.1998, 97/15/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des H F in G, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 3076-6/96 betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1991 bis 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.950 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bewohnt mit seiner Familie - seine Gattin erzielt keine Einkünfte - ein Haus am Familienwohnsitz in G. Seit ist er als Arzt am Krankenhaus in R beschäftigt; aus dieser Tätigkeit erzielt er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Für die Jahre 1991 bis 1993 machte er Fahrtspesen (jährlich zwischen ca. 31.000 S und 59.000 S) und Kosten einer kleinen Mietwohnung in R (jährlich zwischen ca. 54.000 S und 65.000 S) als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sowie die in den Mietkosten enthaltene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt anerkannte die genannten Beträge bei Festsetzung der Einkommen- und Umsatzsteuer nicht. In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe seit Beginn seiner Tätigkeit in R Anstrengungen unternommen, um für sich und seine Familie in der Nähe des Krankenhauses ein Eigenheim errichten zu können. Als Leiter der Unfallchirurgie müsse er häufig Bereitschaftsdienste leisten und deshalb in der näheren Umgebung von R wohnen. Er habe ein Grundstück erworben, nach dem Kauf aber erfahren müssen, daß eine Bebauung - vorerst - nicht möglich sei, weil nur für einen Teil des Grundstückes die Baulandwidmung gegeben gewesen sei. Dabei sei bei Abschluß des Kaufvertrages eine Bestätigung der Gemeinde vorgelegen, wonach das gesamte Grundstück in der Bauzone liege. Eine Rückabwicklung des Kaufes habe nicht vorgenommen werden können, weil die Verkäufer den Kaufpreis bereits verbraucht gehabt hätten. Die außergewöhnlichen Verzögerungen zur Erlangung der behördlichen Bewilligungen sei alleinige Ursache dafür, daß der Familienwohnsitz noch nicht nach R verlegt worden sei.

Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer Unterlagen vor, aus denen sich Bemühungen (Verhandlungen) im Jahr 1987 um Ankauf bzw. Anmietung verschiedener Häuser ergeben. Er legte Bestätigungen des Krankenhausverwalters und seines Rechtsanwaltes vor, in denen festgehalten wird, daß er sich um Ankauf bzw. Anmietung von Liegenschaften im Raum R bemüht habe. Es sei sodann Ende 1989/Anfang 1990 zum Erwerb der Liegenschaft in EZ 91 GB L - nahe R - gekommen. Die Gemeinde L habe noch am bestätigt, daß das Grundstück im Flächenwidmungsplan als Wohngebiet ausgewiesen sei. Erst der das Einfamilienhaus planende Architekt habe den Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, daß die Baulandwidmung nur hinsichtlich eines Teiles gegeben, das Grundstück daher unverbaubar sei. Die Rückabwicklung des Kaufes sei daran gescheitert, daß die Verkäufer nicht mehr über den Kaufpreis verfügt hätten. Allerdings habe die Gemeinde L noch im April 1991 die Umwidmung zu Bauland vorgenommen. Dieser Umwidmung sei aber zunächst das Land Tirol als Aufsichtsbehörde entgegengetreten. Ein weiterer Umwidmungsbeschluß der Gemeinde L vom sei sodann von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom aufsichtsbehördlich genehmigt worden. In der Folge sei mit der Planung des Hauses begonnen worden. Die Verlegung des Familienwohnsitzes sei somit durch außergewöhnliche Umstände verhindert worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe diverse Anstrengungen zum Erwerb eines Grundstückes, eines Hauses oder einer Wohnung in der Umgebung von R unternommen. Die Versuche seien gescheitert, weil die Objekte zu klein, zu groß, deutlich zu teuer oder zu weit entfernt gewesen seien. Ende 1989 sei dann aber ein Grundstück in L gefunden worden. Gewiß hätten administrative Schwierigkeiten, die durch die Gemeinde L verursacht worden seien, zu Verzögerungen in der Bebaubarkeit des Grundstückes geführt. Diese Versäumnisse seien aber im April 1993 durch die Tiroler Landesregierung saniert worden. Innerhalb der darauf folgenden weiteren vier Jahre sei es dem Beschwerdeführer allerdings immer noch nicht gelungen, einen realisierbaren und entscheidungsreifen Bebauungsentwurf bei der Gemeinde L einzureichen. Daraus schließe die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer gar nicht an einer Verlegung des Familienwohnsitzes interessiert sei. Der Beschwerdeführer habe auch einräumen müssen, daß er kein einziges Mal in der lokalen Presse um ein entsprechendes Wohnobjekt inseriert habe. Nach Ansicht der belangten Behörde müsse nach fruchtlosem Ablauf einer Zeitspanne von ca. zwei Jahren zum Ankauf eines Objektes als Zwischenlösung eine Mietwohnung gesucht werden; auch eine solche Suche werde Zeit in Anspruch nehmen, mit Ablauf des Jahres 1990 wäre es dem Beschwerdeführer aber bei zielgerichtetem Suchen gelungen, ein Mietobjekt für sich und seine Familie zu finden. Ein Mann mit den Möglichkeiten des Beschwerdeführers sei in der Lage, den Familienwohnsitz innerhalb von zehn Jahren zu verlegen. Es sei üblich, daß eine planmäßig betriebene Verlegung des Familienwohnsitzes innerhalb von vier Jahren zum Erfolg führe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Unbestritten ist, daß der Ort der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers so weit vom Familienwohnsitz entfernt ist, daß eine tägliche Rückkehr nicht zumutbar ist, sodaß die Fahrtaufwendungen nicht mit dem Pendlerpauschale abgegolten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0246).

Der Beschwerdeführer erzielt Einkünfte ausschließlich durch die in R ausgeübte Tätigkeit. Der Beschwerdefall ist daher nicht unter dem Aspekt der Fahrten zwischen mehreren Orten beruflicher bzw. betrieblicher Tätigkeit, sondern unter dem Aspekt der Familienheimfahrten zu prüfen.

Die Beibehaltung eines Famlienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlaßt, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, daß derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlaßt gelten, als dem Steuerpflichtigen die Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0171, und vom , 95/14/0124).

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache etwa in einer Erwerbstätigkeit der Gattin oder im Bereich der privaten Lebensführung haben (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 96/15/0171). Nach der Sachlage des Beschwerdefalles kann sich die Unzumutbarkeit ausschließlich aus den Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Erlangung entsprechender Wohnräumlichkeiten in der Nähe des Berufsortes ergeben.

Nach den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer bereits ab Beginn seiner Tätigkeit in R Schritte zum Ankauf eines Grundstückes, eines Hauses oder einer Wohnung gesetzt. Nachdem diese Bemühungen in den ersten beiden Jahren nicht zum Erfolg geführt haben, wäre der Beschwerdeführer nach den weiteren Feststellungen der belangten Behörde gehalten gewesen, eine für seine Familie geeignete Mietwohnung zu suchen, was ihm bis Ende 1990 hätte gelingen müssen. Ab 1991 sei daher die Unzumutbarkeit nicht mehr gegeben.

Mit diesen Überlegungen vernachlässigt die belangte Behörde die Besonderheiten des Beschwerdefalles. Der Beschwerdeführer hat noch im Jahr 1989 ein vermeintlich geeignetes Baugrundstück gefunden und - nachdem die Gemeinde die Widmung als Baugebiet bestätigt hatte - gekauft. Im Zuge der Erstellung eines Bauplanes hat sodann der Architekt in Erfahrung gebracht, daß die zugesicherte Baulandwidmung nur für einen Teil des Grundstückes vorliege. Die belangte Behörde ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers, das Restgrundstück hätte nicht mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand bebaut werden können, nicht entgegengetreten. Die Bemühungen zur Erlangung einer entsprechenden Baulandwidmung durch Beschlüsse der Gemeindevertretung und der Landesregierung haben sodann erst im April 1993 zum Erfolg geführt. Ab diesem Zeitpunkt ist wiederum der Architekt mit der Erstellung eines Bauplanes befaßt gewesen. Bei dieser Sachlage scheint aber die Beibehaltung des Familienwohnsitzes (jedenfalls) bis zum Ablauf des Jahres 1993 vertretbar. Von einem Steuerpflichtigen, der ein Grundstück zum Zweck der Errichtung eines Familienwohnsitzes erwirbt, nachdem die Gemeinde unvorhersehbar eine unrichtige Auskunft über die Baulandwidmung des Grundstückes erteilt hat, und der sich in der Folge - den Umständen nach aussichtsreich - um die Baulandwidmung bemüht, kann in der ersten Zeit nach dem Grundkauf nicht erwartet werden, daß er die Kosten für die vorübergehende Anmietung einer familiengerechten Wohnung auf sich nimmt.

Daß der Beschwerdeführer auch nach Ablauf des Jahres 1993 noch keine entsprechenden Baumaßnahmen gesetzt hat, durfte bei Beurteilung der Verhältnisse in den Streitjahren - die Beschwerde zeigt dies zu Recht auf - keine Beachtung finden.

In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist die belangte Behörde offenkundig davon ausgegangen, daß die Leistungen nichtunternehmerischen Zwecken gedient haben. Aus den oben zur Einkommensteuer dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde auch hinsichtlich Umsatzsteuer die Rechtslage verkannt hat. Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings auch die Feststellung zu treffen sein, ob - mit Rücksicht darauf, daß die in R angemietete Wohnung sowohl mit der nichtselbständigen als auch mit der selbständigen ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im wirtschaftlichen Zusammenhang stand - die Leistungen in dem in § 12 Abs. 2 UStG 1972 vorgesehenen Ausmaß - nämlich überwiegend - unternehmerischen Zwecken gedient haben.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am