VwGH vom 13.09.1994, 92/14/0065

VwGH vom 13.09.1994, 92/14/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der L in B, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl 30.672-3/90, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 1985) und Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin reichte für das Jahr 1985 ua eine Einkommensteuererklärung ein, in welcher neben anderen Einkünften auch solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 10.659,-- ausgewiesen sind. Dieser Erklärung war eine "Gewinn- und Verlustrechnung" sowie eine Beilage hiezu angeschlossen, in welcher durch Zu- und Abrechnung von Kundenforderungen und Lieferantenverbindlichkeiten sowie weiteren Posten (Rückstellungen, passive Rechnungsabgrenzung, Verrechnung Umsatzsteuer, sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten) der erklärte Gewinn aus Gewerbebetrieb aus der Gewinn- und Verlustrechnung abgeleitet wurde.

Die Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer 1985 erfolgte erklärungsgemäß.

Anläßlich einer im Jahre 1990 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde neben in ihren Auswirkungen relativ geringfügigen Feststellungen zum Jahr 1985 der laufende Gewinn "in Anlehnung an die erklärten Werte" wegen im Detail angeführter Mängel der Aufzeichnungen geschätzt, wobei unterstellt wurde, daß die Warenvorräte zum und zum gleich hoch gewesen seien. Weiters wurde in dem über die Durchführung der Prüfung ergangenen Bericht festgehalten, daß der ab wegen Überschreitens der Grenzen gemäß § 125 BAO gegebenen Buchführungsverpflichtung erst zum Rechnung getragen worden sei. Der sich aus dem Übergang der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG 1972 auf § 4 Abs 1 EStG 1972 ergebende "Übergangszuschlag" sei somit bereits mit zu ermitteln. In weiterer Folge wurde ein "Übergangszuschlag" in Höhe von S 757.407,-- zum in Ansatz gebracht und darauf hingewiesen, daß der von der Beschwerdeführerin in Ansatz gebrachte "Übergangszuschlag" zum über S 1,042.619,-- zu entfallen habe.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers, nahm das Einkommensteuerverfahren für 1985 bescheidmäßig wieder auf und erließ einen entsprechenden neuen Sachbescheid. In einer gegen diese Bescheide eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, daß die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens den gesetzlichen Kriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände nicht entsprochen habe. Der Umstand, daß bereits zum der "Übergangszuschlag" zu berechnen gewesen wäre, stelle keine neue Tatsache dar, weil dies bereits im Prüfungsbericht vom ausgeführt worden sei. Aus der eingereichten Steuererklärung für 1985 sei eindeutig ersichtlich gewesen, daß davon abweichend der Gewinn gemäß § 4 Abs 3 EStG 1972 ermittelt worden sei.

Wiederaufnahmegründe lägen daher nur hinsichtlich der sonstigen Prüfungsfeststellungen vor, welche jedoch wegen ihrer relativen Geringfügigkeit eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Einerseits hätte sich erst im Zuge der Prüfung herausgestellt, daß die wesentlichen Korrekturposten (betreffend den Übergangsgewinn) zum Teil mit Brutto-, zum Teil mit Nettobeträgen ausgewiesen gewesen seien. Die wesentlichste Zuschlagsposition, nämlich der Warenbestand zum , sei überhaupt nicht bekanntgegeben worden. Dem Finanzamt wäre auf Grund der mangelhaften und unvollständigen Erklärungen samt Beilagen eine (genaue) Ermittlung des "Übergangszuschlages" nicht möglich gewesen. Andererseits hätten die Einkommen- und Gewerbesteuererklärung für 1985 keinen Hinweis darauf geboten, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen sei, den Gewinn ab 1985 gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972 zu ermitteln. Mit der Ansicht, die bereits zum verwirklichte Voraussetzung für die Pflicht zur Berechnung des "Übergangszuschlages" stelle im Hinblick auf den Prüfungsbericht vom keine "neue Tatsache" dar, verkenne die Beschwerdeführerin den Umfang der Offenlegungspflicht. Verschweige die Abgabepflichtige in ihren Steuererklärungen, daß sie der Verpflichtung den Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG 1972 zu ermitteln, nicht nachgekommen sei, und habe sie daher auch keinen Übergangsgewinn erklärt, so könne dem Finanzamt nicht zum Vorwurf gemacht werden, es hätte unterlassen, den Prüfungsbericht vom im Kontrollmitteilungsband des Veranlagungsaktes zur Prüfung der (unvollständigen) Steuererklärungen heranzuziehen.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus der Beschwerde in Verbindung mit dem Schriftsatz vom ergibt, erachtet sich die Beschwerdeführerin nur in dem Recht verletzt, daß bei der gegebenen Sachlage die Wiederaufnahme des Verfahrens mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 303 Abs 4 BAO unterbleibt.

Gemäß § 303 Abs 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs 1 lit a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (vgl das hg Erkenntnis vom , 85/15/0372). Im Beschwerdefall kann von keiner so vollständigen Offenlegung des Sachverhaltes hinsichtlich der möglichen richtigen Ermittlung des Übergangsgewinnes ohne weiteres Verfahren ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin zeigt auch mit ihren in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen über eine etwaige unsinnige Vorgangsweise nicht auf, daß sie für die Veranlagung der Einkommensteuer 1985 hinsichtlich des Übergangsgewinnes ihrer Offenlegungspflicht nachgekommen wäre. Es konnte daher nach den entsprechenden Sachverhaltsergänzungen durch die Behörde (im Beschwerdefall im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung) nicht mit Erfolg dargetan werden, daß keine Tatsachen neu hervorgekommen wären. So bestreitet die Beschwerdeführerin etwa selbst nicht, der anläßlich der Prüfung festgestellte Umstand, daß für die Ermittlung des Übergangsgewinnes wesentliche Posten (Kundenforderungen und Lieferantenverbindlichkeiten) zum Teil mit Brutto-, zum Teil mit Nettobeträgen ausgewiesen und der Warenbestand zum überhaupt nicht offengelegt waren, wäre keine nach Abschluß des Einkommensteuerverfahrens 1985 neu hervorgekommene Tatsache. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, es wäre der Behörde aus den eingereichten Erklärungen und Beilagen nicht möglich gewesen, den Übergangsgewinn zu ermitteln, sind daher entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zur Begründung dafür geeignet, daß im Prüfungsverfahren Tatsachen neu hervorgekommen sind, die zur Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1985 berechtigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.