VwGH vom 31.03.1992, 92/14/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des NN in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/176/1-BK/Ma-1991, betreffend Einkommensteuer 1986 und Verspätungszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Angestellter einer inländischen AG und hatte als solcher die Funktion eines Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft inne. Ende November 1985 wurde er wegen Überschreitung seiner Befugnisse, die zu hohen Verlusten geführt hätten, entlassen. Am selben Tag schenkte er ein Einfamilienhaus unter Vorbehalt eines Fruchtgenußrechtes seinem Sohn. Wenige Tage später wurde seine Ehe geschieden. Im Scheidungsvergleich überließ der Beschwerdeführer die Ehewohnung und eine weitere Wohnung der Ehefrau und verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltsleistungen an diese für sie und die gemeinsamen Kinder (monatlich zusammen S 23.000,--). Der noch im Dezember 1985 vom Beschwerdeführer gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die AG, anhängig gemachte Prozeß auf Fortzahlung von Lohn und Bezahlung von Abfertigung wurde bereits im Jänner 1986 bis zur Erledigung eines gerichtlichen Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer unterbrochen und bisher nicht fortgesetzt. Der Beschwerdeführer war über illegale Waffengeschäfte einer anderen Tochtergesellschaft der erwähnten AG informiert. Ein Geschäftsführer dieser anderen Tochtergesellschaft sagte dem Beschwerdeführer, mit dem er auch dessen angespannte finanzielle Situation infolge der Entlassung erörterte, Verwendung für eine finanzielle Unterstützung zu. Der Beschwerdeführer war vom Februar 1986 bis Mitte November 1986 flüchtig und wurde damals von ausländischen Behörden nach Österreich überstellt. Bereits im März 1986 erhielt die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers über Vermittlung des erwähnten Geschäftsführers der anderen Tochtergesellschaft im Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit des Beschwerdeführers für dessen erwähnten Arbeitgeber zwei Sparbücher mit einem Einlagenstand von zusammen S 2,095.000,-- ausgefolgt; dieser Betrag lag nahe dem Klagsbetrag des oben genannten Prozesses. In seiner Einkommensteuererklärung für 1986 vom brachte der Beschwerdeführer vor, die Beträge seien ihm zu treuen Handen seiner Gattin übergeben worden, sie entspringen seinem ehemaligen Dienstverhältnis.
Im Verfahren betreffend Festsetzung der Einkommensteuer 1986 vertrat der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß er in diesem Kalenderjahr nur beschränkt steuerpflichtig gewesen sei (kein inländischer Wohnsitz, kein sechs Monate übersteigender gewöhnlicher Aufenthalt im Inland), die ihm zurechenbaren Einkünfte aus Kapitalvermögen hätten nur S 5.000,-- betragen, die Leistungen von S 2,095.000,-- im März 1986 seien nicht durch einen Dritten, sondern durch seinen ehemaligen Arbeitgeber erfolgt, es handle sich daher um abzugspflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, weshalb es an den Voraussetzungen für eine Veranlagung gemäß §§ 39, 41 EStG 1972 fehle.
Die belangte Behörde setzte im Instanzenzug mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Einkommensteuer vorläufig fest, wobei sie von der unbeschränkten Steuerpflicht des Beschwerdeführers im Streitjahr, von Einkünften aus Kapitalvermögen des Beschwerdeführers im Ausmaß von S 65.000,-- abzüglich Freibetrag von S 10.000,-- und davon ausging, daß es sich bei der Leistung von S 2,095.000,-- um einen Vorteil des Beschwerdeführers im Hinblick auf das ehemalige Dienstverhältnis handle, der ihm von dritter Seite zugeflossen sei. Diesen Sachverhalt nahm die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung nach Abwägung der einzelnen Ermittlungsergebnisse als erwiesen an. Die Voraussetzungen für die vorläufige Abgabenfestsetzung erblickte die belangte Behörde in der Ungewißheit über das Zufließen von Provisionen an den Beschwerdeführer im Streitjahr.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht entgegen den Bestimmungen der §§ 39, 41 EStG 1972 im Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer herangezogen zu werden, sowie im Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei Sachverhaltsfeststellungen auszuübenden Ermessens. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt einen Eingriff in die Verfassungssphäre (Seite 13 der Beschwerde, vorletzter Absatz). Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art. 133 Z. 1 VwGG zur Prüfung dieses Vorwurfes nicht zuständig.
Bei Sachverhaltsfeststellungen hat die Behörde kein Ermessen zu üben. Sie hat den Sachverhalt auf Grund eines gesetzmäßigen Verfahrens festzustellen. Ein Recht "auf fehlerfreie Handhabung des bei Sachverhaltsfeststellungen auszuübenden Ermessens" steht dem Beschwerdeführer daher nicht zu. Er kann daher in diesem von ihm als Beschwerdepunkt bezeichneten Recht auch nicht verletzt worden sein.
Die Behörde hat allerdings, soweit nicht Tatsachen bei der Abgabenbehörde offenkundig sind oder das Gesetz für sie eine Vermutung aufstellt - daß dies im Beschwerdefall in Betracht gekommen wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht -, gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Dieser als Beweiswürdigung der Behörde bezeichnete Vorgang unterliegt nur beschränkt der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, nämlich hinsichtlich der Schlüssigkeit, insbesondere der Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und menschlichem Erfahrungsgut. Hinsichtlich keiner der entscheidungswesentlichen Beweiswürdigungsvorgänge des angefochtenen Bescheides zeigt die Beschwerde eine solche Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung auf.
Zur Frage des inländischen Wohnsitzes des Beschwerdeführers (§ 1 Abs. 1 EStG 1972, § 26 Abs. 1 BAO) gelangte die belangte Behörde auf Grund zahlreicher Indizien, darunter vor allem auf Grund eigener zeitnaher Angaben des Beschwerdeführers über seine Wohnung in Österreich und den Mittelpunkt seines Lebensinteresses in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung, daß der Beschwerdeführer auch noch 1986 über einen Wohnsitz an der seiner geschiedenen Ehegattin ins Eigentum übertragenen Wohnung verfügte und er diesen Wohnsitz auch beibehalten wollte (Seite 19/20 des angefochtenen Bescheides).
Dieser Sachverhalt reicht zu der von der belangten Behörde vorgenommenen rechtlichen Beurteilung unbeschränkter Steuerpflicht im Streitjahr entgegen der Meinung des Beschwerdeführers völlig aus. Gegen die Schlüssigkeit dieser Beweiswürdigung bringt der Beschwerdeführer nichts vor. Seine Angriffe gegen die Eventualbegründung des angefochtenen Bescheides, es habe auch der gewöhnliche Aufenthalt des Beschwerdeführers im Streitjahr in Österreich gelegen, sind schon deshalb aussichtslos, weil bereits der von der belangten Behörde festgestellte Wohnsitz im Inland für die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers im Streitjahr ausreicht.
Ob die Vermögensteuererklärung vom Beschwerdeführer im Inland oder im Ausland aufgegeben wurde, ist für das aus ihr von der belangten Behörde verwendete Indiz belanglos, wonach der Beschwerdeführer darin am den Mittelpunkt des Lebensinteresses mit "natürlich Österreich" bezeichnet hatte.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß der Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO kein Eigentum an der Wohnung im Inland voraussetzt. Der Beschwerdeführer konnte daher auch in Räumen seiner geschiedenen Gattin eine Wohnung innehaben. Er bestreitet auch nicht, daß er eine der beiden Wohnungen auch noch im Berufungszeitraum beibehalten und die andere Wohnung noch im Februar 1986 als "meine Wohnung" bezeichnet hatte. Die Feststellung der belangten Behörde ist denkmöglich und widerspricht nicht der Lebenserfahrung.
Die Beschwerde zeigt daher im Zusammenhang mit der Lösung der Frage der unbeschränkten Steuerpflicht durch die belangte Behörde keine Rechtsverletzung auf, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte.
Was die Zurechnung der Kapitalerträge aus den beiden Sparbüchern von zusammen S 2,095.000,-- anlangt, ging die belangte Behörde auf Grund freier Beweiswürdigung (Seite 27 bis Seite 30 des angefochtenen Bescheides) davon aus, daß der Beschwerdeführer die Sparguthaben seiner geschiedenen Ehegattin nicht übereignet hat, sondern er diese nur ermächtigt hat, den rückständigen und laufenden Unterhalt daraus entsprechend dem Unterhaltsvergleich zu decken, sodaß in einer allfälligen Verausgabung der lukrierten Zinsen durch die geschiedene Ehegattin nur eine bloße Einkommensverwendung der vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erblicken sei. Im übrigen fehlten klare Vereinbarungen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner geschiedenen Ehegattin, die dem Finanzamt rechtzeitig angezeigt worden wären. Im Zweifel könne nicht davon ausgegangen werden, daß die anvertrauten Sparbücher übereignet worden seien.
Auch hier zeigt der Beschwerdeführer keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung auf. Er hatte in seiner Einkommensteuererklärung selbst von einer Übergabe der Sparbücher an seine Ehegattin zu treuen Handen gesprochen und davon, daß der übergebene Geldbetrag aus seinem ehemaligen Dienstverhältnis entspringe. Ob sich aus dem Inhalt des Strafaktes keine Zweifel daran ergeben, daß die Sparbücher nicht "in Verwahrung" des Beschwerdeführers gewesen seien, ist daher ohne Bedeutung, weil die belangte Behörde schon auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers davon ausgehen durfte, daß die geschiedene Ehegattin die Sparbücher nur als Treuhänderin des Beschwerdeführers übernommen, verwahrt und allenfalls über sie und ihre Erträge verfügt hatte. Zu einer Vernehmung der geschiedenen Ehegattin bestand bei dieser Sachlage von Amts wegen keine Veranlassung. Auch wenn die Sparbücher "ausdrücklich als Zahlung des Unterhalts für sie und die drei Kinder" deklariert wurden, ändert dies nichts daran, daß danach lediglich der laufende Unterhalt von monatlich S 23.000,-- entnommen werden durfte. Eine Zurechnung des Kapitals als Einkunftsquelle an die geschiedene Ehegattin läßt sich auch daraus nicht entnehmen. Wenn die belangte Behörde der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe seiner Ehegattin die Einkunftsquelle überlassen, nicht geglaubt hat, war dies nach der gegebenen Sachlage nicht unschlüssig. Die Beschwerde bringt nichts vor, was davon überzeugen könnte, die belangte Behörde hätte noch weitere Ermittlungen von Amts wegen anstellen müssen, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätten führen können. Daß der Beschwerdeführer irgendwelche erfolgversprechenden Beweisanträge in diesem Zusammenhang gestellt hätte, die von der belangten Behörde abgelehnt wurden, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Auch der Zurechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen an den Beschwerdeführer haftet daher nach dem Inhalt der Beschwerde keine Rechtswidrigkeit an, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte.
Gegen die Schätzung der Höhe der Kapitalerträge des Streitjahres, die dem Beschwerdeführer aus den beiden Sparbüchern von zusammen S 2,095.000,-- erwachsen sind, mit einem Betrag von S 65.000,-- bringt die Beschwerde nichts vor.
Schon im Hinblick auf diese Einkünfte aus Kapitalvermögen, von denen der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß es sich um steuerabzugspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gehandelt habe, ist die Veranlagung des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer für das Streitjahr gemäß § 41 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 selbst dann zu Recht erfolgt, wenn es sich - wie der Beschwerdeführer behauptet - bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von S 2,095.000,-- um solche gehandelt haben sollte, von denen ein Steuerabzug vom Arbeitslohn vorzunehmen gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher auch nicht in dem im Beschwerdepunkt bezeichneten Recht verletzt, nicht zur Veranlagung zur Einkommensteuer herangezogen zu werden.
Folglich sind auch die Ausführungen unter Punkt 3. b.) der Beschwerde (Seite 8 bis Seite 15 der Beschwerde) ungeeignet, eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers im Beschwerdepunkt aufzuzeigen, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte. Darin wird versucht, darzulegen, daß die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, die beiden erwähnten Sparbücher seien dem Beschwerdeführer von dritten Personen und nicht von seinem ehemaligen Arbeitgeber zugeflossen. Selbst wenn es sich nämlich um eine Leistung des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers gehandelt haben sollte und nicht um eine Leistung einer dritten Person, wären diese Einkünfte bei der Veranlagung in die Ermittlung des Einkommens einzubeziehen gewesen. Nur die gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge hätten auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden müssen. Insoweit unrechtmäßigerweise keine Abzugssteuern einbehalten wurden, kommt es nämlich bei der Veranlagung zu einer Nachholwirkung (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer Handbuch, 2. Auflage, Tz 9 zu § 46, Seite 792; Erkenntnis vom , 90/13/0154).
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß sein ehemaliger Arbeitgeber die Abzugssteuer einbehalten habe, oder daß er einen solchen Einbehalt vor den Verwaltungsbehörden behauptet und hiefür Beweise angeboten habe. Dergleichen läßt sich auch der Schilderung des Schriftsatzes nicht entnehmen, den der Beschwerdeführer als Beilage zur Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung beigebracht hat. Schließlich bietet auch der vom Beschwerdeführer bezeichnete Beschwerdepunkt keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beschwerdeführer durch Unterlassung der Anrechnung von durch Steuerabzug einbehaltenen Beträgen gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in seinen Rechten verletzt erachtet.
Das Beschwerdevorbringen unter Punkt 3. b.) zeigt daher auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte.
Im übrigen ist der Beschwerdeführer auch mit seiner Ansicht im Unrecht, durch die Übermittlung des Berichtes des Finanzamtes vom samt Beilagen gemeinsam mit der Zustellung der Verständigung von der Anberaumung der Berufungsverhandlung am sei ihm keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt und deshalb das Parteiengehör verletzt worden, weshalb er seine Stellungnahme erst in der Berufungsverhandlung am hätte vortragen können. Einer Aufforderung zur Stellungnahme zu den Ermittlungsergebnissen anläßlich deren Mitteilung an den Beschwerdeführer bedurfte es nämlich zur Gewährung des Parteiengehörs keineswegs, weil dem Beschwerdeführer jederzeit Stellungnahme in schriftlicher Form freigestanden wäre.
Es ließ daher bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß dem angefochtenen Bescheid die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Damit erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.