VwGH vom 22.09.2004, 2001/08/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal Rechtsanwälte KEG in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63-P 355/00, betreffend Haftung für Zuschläge gemäß § 25a Abs. 7 BUAG (mitbeteiligte Partei: Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer verpflichtet, gemäß § 25a Abs. 7 BUAG den Zuschlagsrückstand einer näher bezeichneten GmbH für den Zeitraum Oktober 1998 bis Mai 1999 in der Höhe von S 881.079,-- zuzüglich 7 % Zinsen pro Jahr zu entrichten. In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer sei seit allein zur Vertretung nach außen befugter Geschäftsführer der näher bezeichneten GmbH. Über das Vermögen der GmbH sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom das Konkursverfahren eröffnet worden. Die GmbH habe in den letzten eineinhalb Jahren vor Konkurseröffnung Zuschläge in der Höhe von S 728.267,-- an die mitbeteiligte Partei entrichtet. Der Masseverwalter habe diese Zahlungen wegen unzulässiger Begünstigung angefochten. In einem außergerichtlichen Vergleich habe sich die mitbeteiligte Partei zur Rückzahlung eines Betrages von S 300.000,-- an die Konkursmasse verpflichtet. Hinsichtlich der von der GmbH nicht entrichteten Zuschläge habe die mitbeteiligte Partei den Beschwerdeführer mit Rückstandsausweis in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer habe die Höhe der Forderung nicht bestritten. Er habe lediglich eingewendet, dass ihn kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Zuschläge treffe. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/08/0191, habe er vorgebracht, aus rechtlichen Überlegungen nicht zur Haftung für die bei der GmbH nicht einbringlichen Beiträge herangezogen werden zu können. Der Gesetzgeber habe es nämlich - abgesehen von zwei Bestimmungen im ASVG - unterlassen, den gesetzlichen Vertretern der Beitragsschuldner die Pflicht aufzulegen, dafür zu sorgen, dass die Beiträge entrichtet werden. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Haftungsbetrag unrichtig, weil sich die mitbeteiligte Partei durch den Vergleichsabschluss im Konkursverfahren wegen der angefochtenen Beträge Zahlungen erspart habe, die ihr nicht zustünden. Außerdem werde jeder Konkursgläubiger voraussichtlich eine derart hohe Quote erhalten, dass eine Haftung in dem begehrten Umfang rein ziffernmäßig gar nicht in Frage komme.
Dem Beschwerdeführer sei nach der Bescheidbegründung diesbezüglich entgegenzuhalten, dass sich der im Rahmen des Konkursverfahrens eingegangene außergerichtliche Vergleich nur auf bereits bezahlte Beiträge bezogen habe. Die im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Zuschlagsrückstände seien hingegen von der GmbH trotz Fälligkeit nicht entrichtet worden. Es sei daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer neben der GmbH zur Haftung herangezogen werden könne. Das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom sei auf die Haftungsbestimmungen des BUAG nicht anzuwenden. Das BUAG enthalte nämlich - anders als das ASVG, auf das sich das genannte Erkenntnis bezogen habe - in § 32 leg. cit. eine Blankettstrafnorm, die sich auch auf das Zuwiderhandeln gegen die Gebotsnorm des § 25 leg. cit. beziehe. Daraus ergebe sich, dass die im § 25a Abs. 7 BUAG genannten Vertreter der Zuschlagsschuldner neben diesen verpflichtet seien, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Zuschläge gemäß § 21 BUAG zu sorgen. Die Haftungsnorm des § 25a Abs. 7 leg. cit. umfasse auch die schuldhafte Verletzung dieser sich aus § 21 leg. cit. ergebenden Verpflichtung.
Die Uneinbringlichkeit der haftungsrelevanten Zuschlagsschulden bei der GmbH ergebe sich daraus, dass durch die Zahlung des Vergleichsbetrages durch die mitbeteiligte Partei Zuschlagsforderungen aus dem Zeitraum Juli 1998 bis September 1998, welche durch die angefochtenen Zahlungen vorübergehend abgedeckt worden waren, aufleben würden. Sollte es im Zuge des Konkursverfahrens zur Ausschüttung einer Quote an die mitbeteiligte Partei als Konkursgläubigerin kommen, würde sie diese auf diese "alten" Schuldposten, die nicht Gegenstand der Haftung des Beschwerdeführers seien, anrechnen.
Es sei Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers, darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, weshalb er nicht entsprechend den ihm obliegenden Verpflichtungen dafür Sorge habe tragen können, dass die Zuschläge rechtzeitig - zur Gänze oder zumindest anteilig - entrichtet worden seien. Lege er nicht dar, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Verpflichtungen unmöglich gewesen sei, könne angenommen werden, dass er seiner Pflicht in schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei. Nach der Aktenlage habe die GmbH die Löhne ihrer Dienstnehmer im Haftungszeitraum zur Gänze beglichen. Die auf die Löhne entfallenden Zuschläge seien hingegen unberichtigt geblieben. Dies reiche zur Annahme eines haftungsbegründenden Verschuldens des Beschwerdeführers aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25a Abs. 7 des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972 idF der Novelle BGBl. Nr. 754/1996, haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Zuschlagsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Zuschläge insoweit, als die Zuschläge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend. § 25 Abs. 3 bis 8 leg. cit. gilt sinngemäß.
§ 25a Abs. 7 BUAG ist nicht anders zu verstehen als die dieser Vorschrift entstehungsgeschichtlich zu Grunde liegenden Vorschriften des § 9 Abs. 1 BAO und des § 67 Abs. 10 ASVG. Knüpft
§ 9 Abs. 1 BAO nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Verletzung spezifisch abgabenrechtlicher Pflichten und § 67 Abs. 10 ASVG - nach der insoweit im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 15.528/A, aufrecht erhaltenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - an die Verletzung spezifisch sozialversicherungsrechtlicher Pflichten an, so ist die Haftung nach § 25a Abs. 7 BUAG auf die schuldhafte Verletzung der Pflichten zu beziehen, die das Gesetz den in ihr genannten Vertretern (und nicht nur den Zuschlagsschuldnern selbst) im Zusammenhang mit den Zuschlägen gemäß §§ 21 ff BUAG "auferlegt". Zu diesen die Vertreter selbst im Außenverhältnis treffenden Pflichten gehört hier - auf Grund der Blankettstrafnorm des § 32 Abs. 1 BUAG - aber auch die Zahlung der Zuschläge. Aus der Besonderheit, dass die Nichtentrichtung von Abgaben hier unter Strafsanktion steht und diese den Vertreter trifft, ergibt sich daher insoweit - ausgehend von einem gleichen Verständnis der Haftungsnorm - im Unterschied zur Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG auf Grund des hier weiter reichenden Ausmaßes der den Vertretern im Außenverhältnis "auferlegten Pflichten", dass die Mithaftung des Vertreters für die Zuschläge nach dem BUAG an die Verletzung einer ihn gegenüber der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse treffenden Pflicht, für die Entrichtung der Zuschläge zu sorgen, anknüpfen kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom , 97/08/0568, und vom , 2001/08/0043).
Die belangte Behörde ist dieser Rechtsauffassung gefolgt. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde hat sie die Haftungsvoraussetzungen des § 25a Abs. 7 BUAG richtig dargestellt. Soweit aber die Beschwerde vorbringt, die Uneinbringlichkeit der Zuschläge bei der GmbH stehe noch nicht fest, ist sie im Recht:
Die belangte Behörde hat es nämlich unterlassen, die erforderlichen Feststellungen über die primäre Haftungsvoraussetzung der Uneinbringlichkeit der Zuschläge zu treffen. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 25a Abs. 7 BUAG ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Zuschläge beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgeblichen weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , 2001/08/0127). Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass die mitbeteiligte Partei allfällige Beträge aus dem Konkursverfahren auf "alte Schuldposten", die nicht Gegenstand der Haftung des Beschwerdeführers seien, anrechnen könne. Damit ist sie dem Vorbringen der mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom gefolgt. Darin hatte die mitbeteiligte Partei ausgeführt, der Haftungsbetrag sowie die Forderungsanmeldung im Konkurs umfassten die Zuschläge für den Zeitraum September 1998 nur insoweit, als diese im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht entrichtet worden seien, nämlich im Ausmaß von S 56.420,--. Der bis dahin bereits entrichtete Betrag von S 67.367,-- sei von dem vom Masseverwalter erhobenen Anfechtungsanspruch umfasst gewesen. Durch Zurückzahlung dieses Betrages - auf Grund des außergerichtlichen Vergleiches - sei die Forderung wieder aufgelebt. Diese Forderung von S 67.367,-- sei jedoch in der Haftungssumme und in der im Konkurs angemeldeten Forderung nicht enthalten. Käme es daher im Zuge des Konkursverfahrens zur Ausschüttung einer Quote an die mitbeteiligte Partei, so könne sie diese Quote auf diese älteste Schuldpost, die also nicht Gegentand der Haftung sei, anrechnen.
Die Richtigkeit dieser Einschätzung der mitbeteiligten Partei, der sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid angeschlossen hat, muss hier nicht geprüft werden, weil sie nichts daran ändert, dass die belangte Behörde die Bedeutung der primären Haftungsvoraussetzung der Uneinbringlichkeit der Zuschläge, für deren Bejahung die Konkurseröffnung als solche noch nicht ausreicht, nicht erkannt und deshalb zur Frage, in welchem Ausmaß schon feststehe, dass die Befriedigung der Forderungen im Konkurs nicht möglich sein werde, weder Ermittlungen gepflogen noch Feststellungen getroffen hat (vgl. hiezu etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , 97/08/0568, mwN).
Der Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gegründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am