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VwGH vom 15.09.1993, 92/13/0308

VwGH vom 15.09.1993, 92/13/0308

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des R und

2. der S, beide in W, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GZ 6/3 - 3384/92-04, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine Berufung betreffend Ergänzung der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften für die Jahre 1982 und 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Ehegatten waren Kommanditisten der P. GmbH & Co KG. Wie aus den zu hg. Zl. 92/13/0212 vorgelegten Akten zu entnehmen ist, haben die beiden Beschwerdeführer ihre Kommanditanteile an dieser Gesellschaft mit Abtretungsvertrag vom an Richard W. abgetreten. Nach den Ausführungen in der Beschwerdeschrift führte Richard W. das Unternehmen fort.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erliegt eine namens der P. GmbH & Co KG erteilte, offenkundig von der Zweitbeschwerdeführerin unterfertigte Vollmacht für den Wirtschaftstreuhänder Dkfm.Dr. R.G., die am beim Finanzamt eingebracht worden war.

Weiters enthalten die Akten die am beim Finanzamt eingelangte ebenfalls namens der P. GmbH & Co KG erteilte, offenkundig von Richard W. unterfertigte Vollmacht für den Wirtschaftstreuhänder Dkfm.Mag. E.M. vom . Gleichzeitig wurde Dkfm. Mag. E.M. ausdrücklich zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde bevollmächtigt, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen seien.

Am erließ das Finanzamt an die P. GmbH & Co KG einen Bescheid betreffend "Ergänzung" der einheitlichen gesonderten Feststellung von Einkünften für die Jahre 1982 und 1983 und stellte den Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin zu.

Mit Schriftsatz vom erhob Dkfm.Dr. R.G. namens der P. GmbH & Co KG Berufung gegen den genannten "Ergänzungsbescheid".

Das Finanzamt entschied über die Berufung mit einer an die P. GmbH & Co KG gerichteten Berufungsvorentscheidung vom , die der Zweitbeschwerdeführerin zugestellt wurde.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom beantragte Dkfm.Dr. R.G. namens der "ehemaligen" P. GmbH & Co KG die Entscheidung über die Berufung vom durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit einem an die beiden Beschwerdeführer als "ehem. Gesellschafter der ehem. P. GmbH & Co KG." gerichteten Bescheid wurde dieser Antrag als verspätet zurückgewiesen.

In der von Dkfm.Dr. R.G. eingebrachten Berufung gegen diesen Zurückweisungsbescheid wurde ausgeführt, er - nämlich Dkfm.Dr. R.G. - habe die Berufungsvorentscheidung vom am erhalten. In einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz vom wurde von Dkfm.D. R.G. die Auffassung vertreten, die Berufungsvorentscheidung vom hätte an Dkfm.Mag. E.M. zugestellt werden müssen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat darin sinngemäß die Auffassung, daß die Berufungsvorentscheidung deswegen an die Zweitbeschwerdeführerin zuzustellen gewesen sei, weil sie die Jahre 1982 und 1983 betroffen habe, Dkfm.Mag. E.M. aber erst nach dem Ausscheiden der beiden Beschwerdeführer von Richard W. bevollmächtigt worden sei. Dkfm.Mag. E.M. hätte aber von den Beschwerdeführern keine Vollmacht erhalten.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Peson als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Bei aufrechtem Bestand einer Zustellbevollmächtigung kann somit nicht an die Partei selbst zugestellt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/09/0293).

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß Dkfm.Mag. E.M. von der P. GmbH & Co KG eine Zustellbevollmächtigung erteilt worden ist. Damit war das Finanzamt aber verpflichtet, die in Rede stehende Berufungsvorentscheidung dem nunmehr Zustellbevollmächtigten zuzustellen, gleichgültig, ob sich die Berufungsvorentscheidung auf Zeiträume bezog, die vor der Erteilung der Zustellbevollmächtigung oder vor der Abtretung der Kommanditanteile durch die beiden Beschwerdeführer lagen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde steht der Zustellung an den Zustellbevollmächtigten im Beschwerdefall auch nicht § 81 Abs. 8 BAO entgegen. Nach dieser Bestimmung bleiben Vertretungsbefugnisse nach den Abs. 1 bis 7 des § 81 BAO auch für ausgeschiedene Gesellschafter von Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit hinsichtlich der vor dem Ausscheiden gelegenen Zeiträume und Zeitpunkte betreffenden Maßnahmen bestehen, solange dem nicht von seiten des ausgeschiedenen Gesellschafters oder der vertretungsbefugten Person widersprochen wird. Dieser Bestimmung kommt keineswegs die Bedeutung zu, daß im Falle eines Gesellschafterwechsels Erledigungen für die davor liegenden Zeiträume den ausgeschiedenen Gesellschaftern zuzustellen sind. Im Sinne einer vermuteten Kontinuität des gesellschaftlichen Engagements soll gerade durch § 81 Abs. 8 BAO sichergestellt werden, daß die Vertretung der Personenvereinigung auch eine Vertretung hinsichtlich der bereits ausgeschiedenen Mitglieder umfaßt, soferne diese nicht Widerspruch erheben. Da die Beschwerdeführer aber der Aktenlage nach keinen Widerspruch gegen die Vertretung durch den vom Erwerber ihrer Kommanditanteile bestellten Zustellbevollmächtigten erhoben haben, war die Abgabenbehörde gehalten, die Berufungsvorentscheidung an diesen zuzustellen.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Zur Klarstellung und im Hinblick auf den Umstand, daß die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof nicht vollständig vorgelegt worden sind, wird darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde offenbar Ermittlungen darüber unterlassen hat, ob Dkfm.Dr. R.G. - nach der am erfolgten Bevollmächtigung des Dkfm.Mag. E.M. - überhaupt (noch) berechtigt war, NAMENS DER P. GMBH & CO KG ein Rechtsmittel zu erheben. Weiters hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob und, gegebenenfalls, wann die der Zweitbeschwerdeführerin zugestellten Erledigungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 ZustellG dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen sind.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Unter Beachtung der Bestimmungen des § 7 GebG 1957 war dabei die Eingabengebühr je Ausfertigung nur im einfachen Ausmaß zuzusprechen.