VwGH vom 18.02.1999, 97/15/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien III, Petrusgasse 2/15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. B B7-6/95, betreffend Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer als schuldig erkannt, als ehemaliger Geschäftsführer (Verantwortlicher) der H-GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen durch Nichterklären von Umsätzen sowie durch ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuern Verkürzungen an Vorauszahlungen von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten zu haben (I-XII 1987 S 98.959,--, I-XII 1988 S 384.056,--, I-XII 1989 S 386.771,--, I-XII 1990 S 84.495,-- und I 1991 S 784,--; Gesamtverkürzung sohin S 955.065,--). Er habe hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen und werde gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG unter Bedachtnahme auf eine rechtskräftige Verurteilung mit Strafverfügung vom nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG gemäß § 21 Abs. 3 FinStrG mit einer Zusatzgeldstrafe in der Höhe von S 300.000,-- (im Fall der Nichteinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten) bestraft.
In der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist zu lesen, der Beschwerdeführer sei seinerzeit Geschäftsführer der H-GmbH gewesen, die sich derzeit in Liquidation befinde. Durch den Beschwerdeführer seien für die H-GmbH mehrere Jahre hindurch stets Umsatzsteuervoranmeldungen mit "Vorsteuerüberhängen" abgegeben worden. Da diese ständigen Vorsteuerüberschüsse aufgefallen seien, sei eine Betriebsprüfung sowie eine Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen durchgeführt worden. Dabei sei es zur Feststellung gekommen, daß Erlöse aus einer Flüchtlingsbeherbergung nicht zur Umsatzsteuer vorangemeldet worden seien, obwohl die entsprechenden Leistungen bereits erbracht worden seien. Weiters sei festgestellt worden, daß für die erklärten Vorsteuern keine Rechnungen hätten vorgelegt werden können. Der Beschwerdeführer habe lediglich eine Anzeige mit Bestätigung vom vorgelegt, wonach Unterlagen gestohlen worden seien. Bei der Ermittlung der Umsätze aus der Flüchtlingsbeherbergung sei von den Mindestständen lt. Bundesministerium für Inneres ausgegangen und somit strafbestimmend der absolut "niedrigst denkmögliche Umsatz" angenommen worden. Der Beschwerdeführer habe zur Einleitung des Finanzstrafverfahrens trotz Aufforderung keine Rechtfertigung abgegeben, sondern lediglich einen "vorbereiteten und erläuternden Schriftsatz" übermittelt, in dem er den strafbestimmenden Wertbetrag nicht bestreite, sondern lediglich vorbringe, "er habe nur von der BH H. verlangte Investitionen für den Betrieb getätigt, vom Bundesministerium für Inneres seien für die Asylantenbetreuung noch S 553.000,-- zu leisten, welcher Betrag nunmehr inklusive Zinsen bereits S 800.000,-- ausmache, und könne er im übrigen aufgrund seiner retograden Amnesie nichts näheres zum Vorwurf ausführen". Da sich der Beschwerdeführer zu der vor dem Spruchsenat durchgeführten Verhandlung nicht eingefunden und sich am Verfahren nicht beteiligt habe, sei der Sachverhalt vom Spruchsenat durch Vernehmung des Amtsbeauftragten und Einsichtnahme in die zugrundeliegenden Akten nochmals einer genauen Prüfung unterzogen worden. Demnach habe der Beschwerdeführer ab 1987 monatlich Vorsteuern beantragt und sich diese Guthaben auszahlen lassen (1987 S 180.000,--, 1988 S 384.056,-- und 1989 S 386.771,--). Diese Vorsteuern entsprächen Ausgaben von rund S 4,7 Millionen, denen keine Einnahmen gegenüberstünden. Die Angaben des Beschwerdeführers, die Ansprüche auf die Vorsteuern tatsächlich gehabt zu haben, seien nicht glaubwürdig, weil die Finanzierung des Investitionsaufwandes von rund S 4,7 Millionen unerklärbar sei und auch im Zuge der Betriebsprüfung durch Außenbesichtigung des Objektes keinerlei Anzeichen von Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten erkennbar gewesen seien. Sollten tatsächlich Investitionen bzw. namhafte Wareneinkäufe erfolgt sein, "so bliebe vollkommen unverständlich, daß der Beschuldigte nicht wenigstens die Lieferanten namhaft gemacht hätte, um die behaupteten Geschäftsfälle nachzuprüfen" (betreffend eines einzigen namhaft gemachten Lieferanten seien die Vorsteuerbeträge in Höhe von S 83.333,-- ohnedies nicht im strafbestimmenden Wertbetrag berücksichtigt). Es sei daher unglaubwürdig bzw. handle es sich offensichtlich um eine reine Schutzbehauptung, wenn der Beschwerdeführer angebe, daß Rechnungen mit Vorsteuerabzugsberechtigung gestohlen worden seien. Zur Unglaubwürdigkeit trage auch bei, daß auch für Zeiträume nach dem behaupteten Diebstahl keinerlei Rechnungen hätten vorgelegt werden können. Der Beschwerdeführer habe zwischen Juli 1990 und Jänner 1991 vom Bundesministerium für Inneres zugewiesene Asylanten beherbergt. Vom Bundesministerium verlangte Abrechnungen habe er nicht entsprechend vorgelegt, sodaß mangels Rechnungslegung keine Zahlungen erfolgt seien. Als "Sollversteuerer" nach dem UStG hätte er dennoch die Umsatzsteuer entrichten müssen. Allerdings seien Vorsteueransprüche im Zusammenhang mit der Versorgung der Asylanten im Schätzungswege anzuerkennen, sodaß sich der strafbestimmende Wertbetrag für das Jahr 1990 mit S 84.495,-- und für 1991 mit S 784,-- ergebe. Weiters gelangte die Behörde im erstinstanzlichen Straferkenntnis zur Ansicht, daß der subjektive Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG im Hinblick auf die festgestellten Umstände begründet und die Strafe unter Berücksichtigung einer rechtskräftigen Bestrafung vom wegen § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG (S 8.000,--) als Zusatzgeldstrafe mit S 300.000,-- zu bemessen sei.
Gegen das erstinstanzlichen Straferkenntnis erhoben sowohl der Amtsbeauftragte (vor allem wegen zu geringer Strafe) als auch der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Amtsbeauftragten insoweit teilweise statt, als sie die verhängte Zusatzgeldstrafe von S 300.000,-- auf S 500.000,-- erhöhte. Die Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde als unbegründet ab.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach der Schilderung des Verwaltungsgeschehens im Erwägungsteil zu einem Antrag auf Vertagung der Berufungsverhandlung durch den Beschwerdeführer ausgeführt, dieser sei abzuweisen gewesen, weil dem Antrag in der Berufung vom , die mündliche Verhandlung unter Bedachtnahme auf die für die "Bilanznachreichung und Rekonstruktion" erforderliche Zeit von drei bis vier Monaten anzuberaumen, durch die Ladung zur Verhandlung am über Gebühr Rechnung getragen worden sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, obwohl er bereits am im Zuge der Ankündigung der Betriebsprüfung auf das Erfordernis des Vorliegens von Rechnungen hingewiesen worden sei, weder die Zeit seiner Arbeitslosigkeit noch die der Berufungstätigkeit genützt, um irgendeinen Beleg beizuschaffen. Die Behauptung, er sei erst jetzt aus finanziellen Gründen in der Lage, die Unterlagen beizuschaffen, gehe ins Leere, weil der Beschwerdeführer seit März berufstätig sei und von der Abhaltung der mündlichen Verhandlung bereits am verständigt worden sei. Die Ermittlungen seitens der Finanzstrafbehörde seien daran gescheitert, daß der Beschwerdeführer weder im Abgaben- noch im Finanzstrafverfahren seit dem Jahr 1990 einen Unternehmer genannt habe, der an ihn Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis gestellt hätte. Die Umsätze aus der Unterbringung von Asylwerbern, die bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages herangezogen worden seien, seien nach den vom Bundesministerium für Inneres im Schreiben vom bekanntgegebenen Mindestständen errechnet und vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht bestritten worden. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe seine Forderungen an das Bundesministerium für Inneres aus der Asylantenbetreuung an die Abgabenbehörde zur Begleichung seiner Abgabenschulden abgetreten, wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, es sei weder die Aufgabe des Finanzamtes, die Forderungen der H-GmbH an das Bundesministerium einbringlich zu machen, noch hätte ein Forderungseingang auf dem Abgabenkonto der H-GmbH unmittelbare Auswirkungen auf das Finanzstrafverfahren. Auch sei es völlig unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer im angeblich im Mai 1990 gestohlenen roten Aktenkoffer neben weiteren Buchhaltungsunterlagen sämtliche zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen seit Betriebseröffnung sowie sämtliche Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH transportiert hätte. Er habe im bisherigen Verfahren keinerlei konkrete Angaben über von der GmbH durchgeführte Investitionen bzw. Aufwendungen in den Jahren 1986 bis 1989 gemacht. Ein aus der Höhe der geltend gemachten Vorsteuern resultierendes Investitionsvolumen von ca. S 4,5 bis 5 Millionen in vier Jahren an einem Objekt, bei dem der Betriebsprüfer im Jahr 1990 keine Investitions- bzw. Bautätigkeit habe feststellen können und dieses sogar als "verwahrlost" bezeichnet habe, sei unglaubwürdig. Außerdem habe der Beschwerdeführer nicht einmal für die Zeit nach dem behaupteten Diebstahl am Belege vorgelegt. Die belangte Behörde schließe sich daher der Auffassung der Behörde erster Instanz an, daß der Beschwerdeführer die Vorsteuern wissentlich ohne Vorliegen von dem Gesetz entsprechenden Rechnungen geltend gemacht und von den vom Finanzamt ausbezahlten Vorsteuerbeträgen seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Im Rahmen der Strafbemessung gelangte die belangte Behörde unter näherer Darstellung der hiefür als maßgebend erachteten Gründe zu der Ansicht, daß die Erhöhung der festgesetzten Geldstrafe auf S 500.000,-- schuldangemessen und den derzeitigen Einkommensverhältnissen des Beschwerdeführers entsprechend (bei einem Strafrahmen von insgesamt rd. S 1,9 Millionen) sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Vorwurf der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträge wird in der Beschwerde vorgebracht, es fehlten im Verfahren Unterlagen, in welchem Zeitraum der Beschwerdeführer tatsächlich handelsrechtlicher Geschäftsführer der H-GmbH und damit verantwortlich gewesen sei, "wie von der belangten Behörde angenommen". Abgesehen davon, daß selbst in der Beschwerde nicht die Behauptung aufgestellt wird, der Beschwerdeführer wäre nicht als Verantwortlicher für die GmbH anzusehen gewesen, wird auch in der Sachverhaltsschilderung der Beschwerde dargestellt, daß der Beschwerdeführer seit Gründung der H-GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren in keiner Weise damit argumentiert, er wäre nicht für die steuerlichen Agenden der H-GmbH verantwortlich gewesen (die im Akt befindlichen Umsatzsteuervoranmeldungen weisen beispielsweise erkennbar die Unterschrift des Beschwerdeführers auf), sodaß die in der Beschwerde diesbezüglich aufgeworfene "Zweifelsfrage" auch dem Neuerungsverbot unterliegt.
Als weiters nicht von Relevanz erweisen sich die in der Beschwerde erhobenen Vorwürfe, es "hätte im Rahmen der Betriebsprüfung an Ort und Stelle mit dem Beschwerdeführer erörtert werden können", welche Leistungen und Aufwendungen den geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträgen zugrunde gelegen seien, bzw. hätte der Beschwerdeführer schon "nach den ersten mangelhaft abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen in der ersten Hälfte des Jahres 1987" aufgefordert werden müssen, darüber genaue Angaben zu machen. Welche Anhaltspunkte sich konkret im Hinblick auf die in Rede stehenden Vorsteuerbeträge durch eine derart vermißte Erörterung oder Aufforderung hätten ergeben können, zeigt die Beschwerde nicht auf. Auch läßt die Beschwerde die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Feststellung des Betriebsprüfers unwidersprochen, wonach dieser bei seiner Betriebsbesichtigung keine Investitions- bzw. Bautätigkeit habe feststellen können. Die belangte Behörde war auch nicht gehalten, den Liquidator der H-GmbH "zu diesen Tatbeständen" zu befragen, zumal dessen Einvernahme vom Beschwerdeführer im Verfahren weder beantragt wurde noch auch in der Beschwerde hiefür ein bestimmtes Beweisthema genannt wird. Unter Bedachtnahme auf die weiters im angefochtenen Bescheid dargestellten Umstände - so trotz mehrmals gebotener Gelegenheit keinerlei Nachweis oder Glaubhaftmachung hinsichtlich der Berechtigung der strittigen Vorsteuerbeträge - durfte die belangte Behörde in schlüssiger Weise davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer wissentlich zu Unrecht die Vorsteuerbeträge geltend gemacht hat. Zur Erfüllung des finanzstrafrechtlichen Tatbestandes nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG kann es dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer aus diesen Vorsteuerbeträgen auch seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Die belangte Behörde hatte daher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Feststellungen darüber zu treffen, von welchen Einkünften "der Beschwerdeführer gelebt hat".
Zum Bereich der nicht erklärten Umsätze aus der Beherbergung von Asylanten in den Jahren 1990 und 1991 (nicht wie in der Beschwerde angeben in den Jahren 1986 bis 1990) weist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darauf hin, daß es hier zur Erfüllung des Tatbestandes nicht auf die tatsächlich vom Bundesministerium für Inneres geleisteten Zahlungen ankam. Das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ist bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der nicht entrichteten Umsatzsteuervorauszahlung vollendet (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/13/0278). Auf die "Zahlungsflüsse aufgrund der Abrechnungen des Bundesministeriums für Inneres" kam es daher für die Deliktsverwirklichung bei Entstehung der Steuerschuld nach § 19 Abs. 2 UStG 1972 (Sollbesteuerung) nicht an. Daß die belangte Behörde die Erlöse aus der Beherbergung von Asylanten zu Lasten des Beschwerdeführers unrichtig ermittelt hätte, brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vor (er bezifferte vielmehr diese selbst in einer Eingabe vom mit ca. S 550.000,--,
Umsatzsteuer etwa S 90.000,--).
Die Beschwerde, die im übrigen die Höhe der verhängten Geldstrafe nicht bekämpft, zeigt insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am