VwGH vom 27.09.1995, 92/13/0297
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der A KG in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GZ. 6/1-1109/91-03, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt eine Apotheke, bei deren Erwerb im Jahre 1986 ein Betrag von ca. 12,7 Mio. S als Firmenwert aktiviert wurde. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob dieser Firmenwert ein abnutzbares und damit abschreibbares Wirtschaftsgut darstellt (Auffassung der Beschwerdeführerin) oder ob dies nicht der Fall ist (Auffassung der belangten Behörde).
Im angefochtenen Bescheid verweist die belangte Behörde darauf, daß nach § 10 Apothekengesetz eine Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nur bei Bestehen eines entsprechenden Bedarfes zu erteilen sei. Es werde daher bei Erteilung einer Apothekenkonzession auf bereits bestehende Apotheken Rücksicht genommen. Dieser durch die Apothekenkonzession weitgehend gewährleistete Schutz vor Konkurrenzierung bewirke, wie dies auch der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , B 259/77, ausgesprochen habe, eine weitreichende Umsatzgarantie. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, der Firmenwert sei auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers zurückzuführen, weil die Warenumsätze eine Folge des hohen Ausbildungsstandes seien, und die Kunden nicht wegen des günstigen Standortes, sondern wegen des Wissens um eine gute fachliche Beratung eine bestimmte Apotheke aufsuchten, sei dem entgegenzuhalten, daß der Ausbildungsstand für alle Apotheker gleich sei, da das Apothekengesetz den akademischen Grad des Magisters der Pharmazie zur Erlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke voraussetze. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens würde zur Beratung in medizinischen Fragen überwiegend der Arzt herangezogen und eine Apotheke nur zur Besorgung der zur Behandlung notwendigen Arzneimittel aufgesucht werden; diese seien außerdem überwiegend rezeptpflichtig, sodaß die Konsultation eines Arztes ohnedies unumgänglich sei. Die belangte Behörde gelange daher zu der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall der Firmenwert in erster Linie auf die restriktiven Bedingungen bei der Erteilung einer Apothekenkonzession und den damit verbundenen Schutz vor Konkurrenzierung zurückzuführen sei, und die Leistungen des Rechtsvorgängers für den Firmenwert nur von untergeordneter Bedeutung seien.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Apothekengesetz, RGBl 5/1907, in der für das Streitjahr relevanten Fassung (BGBl. Nr. 502/1984) lautet:
(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat,
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2. | ein Bedarf für eine Apotheke besteht und | |||||||||
3. | durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit | |||||||||
bestehender öffentlicher Apotheken nicht gefährdet wird. |
(2) Bei der Prüfung des Bedarfes sind insbesondere die Anzahl der zu versorgenden Personen unter Berücksichtigung der ständigen Einwohner und die Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke zu berücksichtigen. Ferner sind die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie der Verkehr im Standort und in der Umgebung, die vorhandenen Krankenanstalten, Heime, Schulen und Erziehungsanstalten, größere gewerbliche und industrielle Betriebe, der Umfang des Geschäftsbetriebes der im Standort und in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken sowie deren Turnusdienst in Betracht zu ziehen. Ein Bedarf ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn
1. a) in Orten, in denen keine öffentliche Apotheke besteht, die Zahl der in einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt oder
b) in Orten, in denen eine oder mehrere öffentliche Apotheken bestehen, die Zahl der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personenen weniger als 5 500 beträgt und
2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen Apotheke weniger als 500 m beträgt. Diese Entfernung darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.
(3) Eine öffentliche Apotheke gilt in ihrer Existenzfähigkeit gefährdet, wenn der Fortbestand der bestehenden Apotheke durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung nicht gewährleistet erscheint. Hierüber ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Das Gutachten hat unter Berücksichtigung der nach statistischen Grundsätzen durch die Österreichische Apothekerkammer ermittelten durchschnittlichen und objektiv angemessenen Kosten und Erträge vergleichbarer öffentlicher Apotheken die zu erwartende zukünftige betriebliche Lage und Entwicklung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu beurteilen.
(4) Besteht ein zwingender Bedarf der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke, so ist die Konzession trotz Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke zu erteilen."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im zeitlichen Geltungsbereich des § 6 EStG 1972 der Firmenwert sowohl ein abnutzbares als auch ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut darstellen. Entscheidend für die Abnutzbarkeit ist, daß der Firmenwert auf die persönliche unternehmerische Fähigkeit und Leistung des Rechtsvorgängers zurückzuführen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 88/13/0031). Abnutzbarkeit wird nicht anzunehmen sein, wenn der Firmenwert nicht auf die unternehmerische Initiative, sondern etwa auf den Konkurrenzschutz zurückzuführen ist und sich nach dem Erwerb des Unternehmens an dieser Situation nichts ändert (vgl. Schubert/Pokorny/Schuch, Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 6 Tz 28). Auch wenn sich der Firmenwert aus einer Vielzahl von Wertfaktoren zusammensetzt, stellt er dennoch ein einheitlich zu bewertendes Wirtschaftsgut dar, das je nach Art und Gewichtung seiner Wertfaktoren entweder zur Gänze als abnutzbar oder zur Gänze als nicht abnutzbar anzusehen ist, wobei auf die Umstände des einzelnen Falles abzustellen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom , 92/14/0038).
Die Beschwerdeführerin rügt als Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe keine Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen, daß für jene Apotheken, die neben den üblichen Arzeimitteln, Arzneispezialitäten und Arzneimittelzubereitungen Hausspezialitäten erzeugen sowie spezielle Verzehrprodukte, Diätika und Kosmetika vertreiben, eine über das Studium der Pharmazie hinausgehende Schulung erforderlich sei, um eine fachgerechte Betreuung der Kunden sicherzustellen. Die belangte Behörde habe überdies die unrichtige Annahme getroffen, Apotheken würden hauptsächlich mit verschriebenen Arzneimitteln handeln. Tatsächlich würden aber die Umsätze, die mit frei verkäuflichen Arzneimitteln - hiezu gehörten auch die apothekeneigenen Arzneispezialitäten - und dem Apothekenrandsortiment erzielt würden, eine mehr als bedeutende Komponente des Gesamtumsatzes darstellen. Gerade beim Kauf nicht rezeptpflichtiger Medikamente ("Selbstmedikation") übe jeder Apotheker eine Beratungstätigkeit aus, die ihn von allen anderen Apothekern unterscheiden würde und somit als persönliche Leistung Teil des Firmenwertes sei. Die belangte Behörde übersehe auch, daß in einer Apotheke eine Vielzahl von Dienstleistungen angeboten würden, wie etwa die Gewichtsmessung, die Blutdruckmessung und der Verleih von Höhensonnen, Babywaagen und elektrischen Milchpumpen. Hätte die belangte Behörde diese Feststellungen getroffen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß im gegenständlichen Fall der Firmenwert zumindest zum überwiegenden Teil auf den persönlichen unternehmerischen Fähigkeiten und Leistungen des Rechtsvorgängers beruht habe. Im übrigen treffe die belangte Behörde auch keine Feststellungen darüber, daß eine "geschützte Stellung" eines Apothekenunternehmers nur im ländlichen Bereich gegeben sei, während der Kunde im städtischen Bereich stets zwischen mehreren Apotheken wählen könne. Der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin habe durch Kontakte zu den umliegenden Ärzten, Altersheimen, etc., einen Kreis an Stammkunden aufgebaut. Die belangte Behörde übersehe ferner, daß vor allem in städtischen Ballungszentren Apotheken in unmittelbarem Konkurrenzkampf zu Drogerien, Drogeriediskontern und Parfümerien stünden.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten:
Im erstinstanzlichen Bescheid hatte das Finanzamt die Abnutzbarkeit des Firmenwertes mit der Begründung verneint, dieser sei in erster Linie nicht auf persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers, sondern auf den wettbewerbsgeschützten Standort zurückzuführen. In der Berufungsvorentscheidung - dieser kommt auch die Wirkung eines Vorhaltes zu (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2713) - führte das Finanzamt aus, auf Grund der geschützten Stellung einer Apotheke könne der Firmenwert nur dann abschreibbar sein, wenn im konkreten Fall über das übliche Ausmaß hinausgehende persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers gegeben wären; die Beschwerdeführerin habe jedoch nur auf allgemeine, alle Apothekeninhaber gleichermaßen betreffende Umstände, wie etwa den hohen Ausbildungsstand und den Wunsch der Kunden auf gute Beratung hingewiesen. Der Vorlageantrag erschöpft sich in der Wiederholung des Berufungsvorbringens und konkretisiert in keiner Weise die persönlichen Leistungen des Rechtsvorgängers. Bei dieser Verfahrenslage war aber die belangte Behörde nicht verpflichtet, von Amts wegen Erhebungen darüber anzustellen, ob der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt hatte, die in relevanter Weise über jene anderer Apotheker hinausgegangen wären und zu einem entsprechenden Firmenwert geführt hätten.
Aus der Gewinn- und Verlustrechnung der Beschwerdeführerin für das Streitjahr ist ersichtlich, daß von den gesamten Erlösen in Höhe von ca. 11,7 Mio. S ein Betrag von
ca. 8,4 Mio. S auf Krankenkassenrezepte entfällt. Bereits daraus ergibt sich, daß der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde betreffend das Überwiegen des Verkaufes rezeptpflichtiger Arzneimittel nicht entgegengetreten werden kann. Das Überwiegen der Umsätze aus anderen Tätigkeiten wäre bei einer Apotheke im übrigen nach der allgemeinen Lebenserfahrung unüblich, sodaß es Sache der Beschwerdeführerin gewesen wäre, im Verwaltungsverfahren entsprechende Behauptungen vorzutragen.
Es mag zutreffen, daß im Bereich der nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel der Beratung durch den Apotheker eine gewisse Bedeutung zukommt. Auf Grund des untergeordneten Ausmaßes des aus dem Verkauf dieser Produkte erzielten Umsatzes konnte die belangte Behörde jedoch unbedenklich zu dem Ergebnis gelangen, daß der Firmenwert nicht wesentlich durch diese Beratungsleistungen des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin geprägt war.
Was die übrigen Leistungen der Beschwerdeführerin betrifft, mit denen sie in Konkurrenz zu anderen Gewerbetreibenden, insbesondere zu Drogerien und Drogeriemärkten, steht, zeigt sie in keiner Weise auf, daß diese bei ihrem Rechtsvorgänger zu einem Firmenwert geführt hätten, den abzugelten sie bereit gewesen wäre. Darauf hinzuweisen ist, daß der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin und nun auch die Beschwerdeführerin selbst unter einer eingetragenen Marke nicht rezeptpflichtige Arzneimittel und Kosmetika herstellt und verkauft, die Beschwerdeführerin das auf die Marke entfallende Entgelt zu Recht aber nicht als Firmenwert, sondern (mit 3 Mio S) als eigene Bilanzposition ("Markenrechte") aktiviert hat.
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich vorbringt, ihr Rechtsvorgänger hätte durch entsprechende Kontakte zu umliegenden praktischen Ärzten, Fachärzten, Altersheimen und durch Vereinbarungen mit Unternehmen (Betriebsärzten) einen großen Kreis an Stammkunden aufgebaut, so stellt dies eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar, weil im Verwaltungsverfahren eine derartige Behauptung nicht aufgestellt worden ist.
Die belangte Behörde ist ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften zu dem Ergebnis gelangt, daß der Firmenwert im gegenständlichen Fall überwiegend durch die auf Grund des Apothekengesetzes geschützte Stellung bedingt war.
Bei dieser Sachlage hat die belangte Behörde auf Grund der durch das Apothekengesetz normierten Bedarfsprüfung und des daraus resultierenden Konkurrenzschutzes frei von Rechtsirrtum die Nichtabsetzbarkeit des Firmenwertes angenommen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin besteht auf Grund dieser Bedarfsprüfung die geschützte Stellung auch dann, wenn im städtischen Bereich - die Apotheke der Beschwerdeführerin befindet sich in W - dem Kunden mehrere Apotheken zur Verfügung stehen.
Da sich die Beschwerde damit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.