VwGH vom 15.12.1989, 88/18/0363
Beachte
Vorgeschichte:
89/18/0033 E ;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. AS, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-9/1213/87/Str, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom , Zl. MA 70- 11/53/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am um 7.30 Uhr in Wien 1, Opernring gegenüber Nr. 5 (Nebenfahrbahn) einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw mit drei Rädern auf einer Sperrfläche zum Halten abgestellt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit. m der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter anderem ausgeführt, nach der Anzeige und nach der Zeugenaussage des Meldungslegers sei die Sperrfläche zur Tatzeit gut sichtbar gewesen. Der Meldungsleger habe auch eine Skizze angefertigt. Die Berufungsbehörde folge diesen Angaben des Meldungslegers. Das Haus Opernringhof habe die Ordnungsnummern 1, 3 und 5, das Fahrzeug des Beschwerdeführers sei gegenüber der ONr. 5 auf der Nebenfahrbahn, die sich nicht nur vor dem Opernringhof erstrecke, abgestellt gewesen. Einer verordnungsmäßigen Grundlage habe die Bodenmarkierung seit dem nicht mehr bedurft. Die Beweisanträge des Beschwerdeführers seien aus näher dargelegten Gründen abzuweisen gewesen.
Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde zu einer Äußerung dahin aufgefordert, ob der gegenständlichen Sperrfläche eine vor dem erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundegelegen sei oder ob die Sperrfläche im zeitlichen Geltungsbereich der erwähnten 13. Novelle zur StVO als straßenbauliche Einrichtung im Sinne des § 55 Abs. 8 StVO in der genannten Fassung angebracht worden sei. Die belangte Behörde hat sich am dahin geäußert, dass dieser Sperrfläche keine vor dem erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundegelegen sei. Die Sperrfläche sei aber auch nicht im zeitlichen Geltungsbereich der 13. StVO-Novelle als straßenbauliche Einrichtung angebracht worden. Aus dem weiteren Inhalt der Äußerung der belangten Behörde geht hervor, dass die Sperrfläche vor dem , aber ohne Rechtsgrundlage in einer erlassenen und kundgemachten Verordnung, angebracht worden war.
Mit Beschluss vom stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 55 Abs. 8 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom , Zl. G 52/89 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof die genannte Gesetzesstelle als verfassungswidrig auf. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Wirksamkeit. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da der vorliegende Fall ein Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist, war die aufgehobene Gesetzesstelle trotz der Fristsetzung durch den Verfassungsgerichtshof auf diesen Fall nicht anzuwenden, das bedeutet, es ist diesbezüglich von den rechtlichen Gegebenheiten vor der 13. Novelle zur Straßenverkehrsordnung auszugehen. Nun steht auf Grund der Äußerung der belangten Behörde vom fest, dass der Sperrfläche keine vor dem erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundelag. Die Sperrfläche wurde vor dem , aber ohne Rechtsgrundlage in einer erlassenen und kundgemachten Verordnung, angebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der 13. Novelle zur Straßenverkehrsordnung (z.B. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 10649/A, vom , Zl. 85/18/0306) liegt dann, wenn einer angebrachten Sperrfläche keine derartige Verordnung zugrundeliegt, in der Nichtbeachtung dieser Sperrfläche kein strafbarer Tatbestand.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom , BGBl. Nr. 206, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war deshalb abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-38076