VwGH vom 18.02.1999, 97/15/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , Zl. GA 6-96/5091/05, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1990 (mitbeteiligte Partei: Verlassenschaft nach R in F, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Im Bericht über das Ergebnis einer Buch- und Betriebsprüfung vom findet sich unter Tz 23 ("außerbilanzmäßige Zurechnungen") betreffend die mitbeteiligte Partei folgende Feststellung: "Aufgrund der von der Firma vorgelegten Unterlagen und den vom Prüfer durchgeführten Erhebungen kam die Betriebsprüfung zur Auffassung, daß mit dem Verkauf der Grundstücke 657/4 und 657/5 ein Deponierecht verkauft wurde". Der Kaufpreis für das Deponierecht ermittle sich nach dem Kaufpreis lt. Vertrag in Höhe von S 37,197.200,-- abzüglich eines Anteiles für Grund und Boden von S 611.940,-- (das sind 61.194 m2 x S 10,--) mit S 36,585.260,--. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb (Mülldeponie; Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG) wurde nach Tz 24 des Betriebsprüfungsberichtes um diesen Betrag im Jahr 1990 erhöht.
In der gegen den unter Berücksichtigung der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 1990 eingebrachten Berufungsschrift vom wurde ausgeführt, die Grundstücke Nr. 657/4 und Nr. 657/5 seien am an die R-GmbH verkauft worden. Auf dem Grundstück Nr. 657/4 befinde sich der Deponieabschnitt BA 01 mit einer Fläche von 29.996 m2. Diese Fläche sei zu einem Preis von S 200,--/m2 verkauft worden. Der Abschnitt BA 02 befinde sich auf dem Grundstück Nr. 657/5 und habe ein Ausmaß von 31.198 m2. Hiefür seien S 1.000,--/m2 bezahlt worden. Der unterschiedliche Kaufpreis pro m2 sei auf die unterschiedlichen freien Füllmengen der Abschnitte BA 01 und BA 02 zurückzuführen. Die Finanzbehörde habe, bedingt durch die Höhe des Quadratmeterpreises, die Tatsache als gegeben angesehen, daß das Entgelt nicht nur den nackten Grund und Boden betroffen habe, sondern auch "das Recht Müll zu deponieren damit verbunden wäre". Seitens des Steuerpflichtigen sei immer wieder betont worden, daß es sich hiebei um gewidmete Grundstücke (Müll zu deponieren) handle, wobei sich der angesetzte Quadratmeterpreis eher im Mittelfeld der Marktpreise befinde. Diese Argumente seien von der Betriebsprüfung verworfen und für den nackten Grund und Boden nur ein Betrag von S 10,--/m2 berücksichtigt worden. Eine in Auftrag gegebene Studie über die Kauf- und Pachtpreise im Raum Niederösterreich bestätige die Argumentation des Steuerpflichtigen über den Kaufpreis für "gewidmeten nackten Grund und Boden". Es sei nur "ein gewidmetes Grundstück jedoch nie ein damit verbundenes Recht" verkauft worden. Auch eine Baubewilligung, die ein Grundeigentümer erwirke, könne nicht ein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut darstellen, nur weil aufgrund einer solchen Baubewilligung auch tatsächlich gebaut werden könne. Die Betriebsprüfung habe unrichtigerweise das Entstehen eines Rechtes an der Erteilung der Bewilligungen festgemacht. Ob Grund und Boden als Deponie genutzt werden, sei allerdings keine Frage der individuellen Bewilligung, sondern der allgemeinen Widmung. Wenn durch eine Verordnung eine allgemeine Widmung erfolgt sei, könne jeder, der Eigentümer des Grund und Bodens sei, eine Bewilligung erhalten. Eine Widmung könne wohl unbestritten kein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut sein. Ein zu dieser Thematik in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten einer Rechtsanwaltskanzlei, das der Berufungsbegründung beigelegt werde, bestätige "unser Rechtsdenken".
In einer Stellungnahme zur Berufung führte der Betriebsprüfer aus, die Grundstücke seien bis zum vom Einzelunternehmen, dessen Betriebsgegenstand das Deponieren von Müll sei, für diese Zwecke verwendet worden, wobei die erforderlichen Bewilligungen für das Mülldeponieren vorgelegen seien. Obwohl der Kaufvertrag über die Mülldeponiegrundstücke erst am geschlossen worden sei, habe die R-GmbH die Tätigkeit des Deponierens bereits am , also ein Jahr früher, aufgenommen. Die Einzelfirma sei ruhend gemeldet worden. Die R-GmbH sei durch die Grundstückskäufe in die sofortige Lage versetzt worden, auf diesen Müll zu deponieren, es "wurden daher nicht nur Grund und Boden erworben, sondern auch das damit verbundene Recht, eben auf diesen Müll ablagern zu dürfen". Die R-GmbH habe die Grundstücke mit dem Kaufpreis aktiviert und im Wege einer Absetzung für Substanzverringerung auf vier Jahre verteilt zur Gänze abgeschrieben. In einem von der steuerlichen Vertretung der R-GmbH am schriftlich beantworteten Vorhalt sei u. a. ausgeführt worden, daß das Recht zur Füllung des Deponiegrundes bereits 1985 (mit Beginn der Einzelfirma) erworben worden sei und dieses auf die GmbH weiterwirke. Dies sei wohl die Grundlage für das Finanzamt gewesen, einen Kaufpreis für derartige Grundstücke in dieser Höhe zu akzeptieren und eine Absetzung der Substanzverringerung "bis auf 0" zu gewähren (die Veranlagung der R-GmbH sei entsprechend dieser Vorhaltsbeantwortung erklärungsgemäß erfolgt). Im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens hätten der Abgabepflichtige bzw. sein steuerlicher Vertreter demgegenüber im Schreiben vom ausgeführt, daß das Recht zum Betreiben einer Deponie von jedem Betreiber neu erworben werden müsse. Zweckdienliche Unterlagen hätten hiefür aber nicht vorgelegt werden können. Auch bei den über nochmaliges Ersuchen des Prüfers vorgelegten Bewilligungen handle es sich keineswegs um neue Bewilligungen, sondern nur um inhaltliche Abänderungen zu den der Einzelfirma seinerzeit erteilten Genehmigungen. Diese Abänderungen beträfen eine "Aufhöhung" bzw. die Berechtigung, an zwei zusätzlichen Abfallsorten deponieren zu dürfen. Die Abänderungen stünden in keinem Zusammenhang zum Kauf der Grundstücke durch die R-GmbH. In allen Bewilligungen werde auf die seinerzeitige, der Einzelfirma erteilte Bewilligung Bezug genommen. Nach Erhebungen bei diversen Behörden sei die Betriebsprüfung zur Auffassung gelangt, daß das Recht, auf einem Grundstück Müll zu deponieren, nicht mit der Person, sondern mit dem betreffenden Grundstück verbunden sei. Die im Zuge der Berufung vorgelegte Erhebung von Kauf- und Pachtpreisen für Deponiegrundstücke im Raum Niederösterreich sei nach Ansicht des Prüfers für den Grundstücksverkauf des Jahres 1990 nicht relevant, weil die Studie Preise für Grundstücke habe erheben lassen, auf denen erst nach dem Ankauf die Adaptierung und die Bewilligung durch den Käufer eingeleitet werde. Im gegenständlichen Fall sei aber der Kaufgegenstand eine vollständig eingerichtete Mülldeponiefläche samt den erforderlichen Bewilligungen gewesen. Nachdem die Einzelfirma ab 1990 ruhend gemeldet worden sei und diese damit auf eine wirtschaftliche Nutzung der Deponiegrundstücke verzichtet habe, habe die R-GmbH zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich tätig werden können.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. In der Begründung hielt die belangte Behörde (insoweit allerdings ohne erkennbaren Begründungswert) fest, daß der in Rede stehende Kaufpreis für die Grundstücke aufgrund der Buchungsdarstellung (Konto Verbindlichkeit/Forderung) niemals bezahlt worden sei. Der hier anzuwendende Eigentumsbegriff des ABGB sei - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - ein "sehr weiter". Als ein Recht betrachtet sei nach § 354 ABGB Eigentum die Befugnis mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen. Es umfasse auch das "Deponierecht". Auch das in der Berufung vorgelegte Rechtsgutachten komme zu dem Schluß, daß ein eigenes Deponierecht nicht anzusetzen sei, weil Deponiebewilligungen keine selbständig bewertungsfähigen Wirtschaftsgüter darstellten. Unter Hinweis auf eine Literaturstelle ("RdW 194, SWK A 261, abgedruckt im Steuerindex von Neuner und Zechmeister, Jahr 1993") vertritt die belangte Behörde sodann den Standpunkt, ein Deponierecht, das der Abnutzung unterliege, sei nur dann anzusetzen, wenn der Nutzer der Deponie und der Grundstückseigentümer nicht ident seien. Bei dem vorliegenden Grundstücksverkauf sei daher der Ansatz eines "Deponierechtes" denkunmöglich. Die Preisgestaltung habe sich nach den freien Füllvolumina gerichtet. Da sich "freie Füllvolumina durch die Nutzung des nackten Grund und Bodens ergeben, sind sie bei der Gewinnermittlung außer Ansatz zu lassen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gemäß § 292 BAO erhobene Präsidentenbeschwerde erwogen:
In seiner Stellungnahme zur Berufung hat der Betriebsprüfer unter Hinweis auf eine Vorhaltsbeantwortung, verschiedene vorgelegte Bewilligungen und auch von ihm durchgeführte Erhebungen die Ansicht vertreten, daß mit dem strittigen Kaufpreis nicht nur Grund und Boden, sondern auch das damit verbundene Recht, auf diesem Müll ablagern zu dürfen, erworben worden sei, und diesem Recht auch steuerrechtlich gesonderte Wirtschaftsgutqualität zukomme. Die teilweise auch nur schwer nachvollziehbare Begründung des angefochtenen Bescheides läßt erkennen, daß sich die belangte Behörde mit den Argumenten der Betriebsprüfung schon deshalb nicht näher auseinandergesetzt hat (und auch keine entsprechenden Feststellungen in bezug auf etwa erworbene Rechte getroffen hat), weil sie von rechtlich verfehlten Voraussetzungen ausging. So weist die Präsidentenbeschwerde zu Recht darauf hin, daß nicht allein der Eigentumsbegriff des ABGB maßgebend ist, sondern nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, ob "Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände", auch wenn diese zivilrechtlich "kein selbständiges Schicksal" haben, als Wirtschaftsgut einzustufen sind. Zutreffend bezeichnet es der beschwerdeführende Präsident in diesem Zusammenhang als "nicht verständlich" (und auch aus der angegebenen Literaturstelle nicht ableitbar), daß ein Deponierecht nur dann angesetzt werden könne, wenn der Nutzer der Deponie und der Grundstückseigentümer nicht ident seien (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes betreffend ein mit dem Grundeigentum verbundenes Jagdrecht vom , 90/14/0199, und vom , 90/14/0077). Veräußert ein Grundeigentümer mit dem Grundstück verbundene Rechte (hier: zur Nutzung als Mülldeponie) ist insoweit eine gesonderte (immaterielle) Wirtschaftsguteigenschaft nicht ausgeschlossen. Der vorliegende Beschwerdefall unterscheidet sich auch von dem in der Gegenschrift der belangten Behörde angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/13/0179. Nach dem damals zu beurteilenden Sachverhalt handelte es sich nur um den Erwerb von Grundstücken, die noch nicht Teil einer bereits adaptierten Mülldeponie waren (auch diesbezügliche Rechte standen nicht zur Beurteilung).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am