VwGH vom 25.06.1997, 97/15/0013
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der R in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B K 15-9/95, betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am geborene Beschwerdeführerin ist Halbwaise. Sie war mehrere Jahre als Friseurin tätig, konnte diese Tätigkeit aber nach Auftreten von allergischen Reaktionen gegen Arbeitsmittel nicht mehr ausüben. Sie besuchte in der Folge ab September 1994 eine Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe.
Am beantragte die Beschwerdeführerin, daß ihr gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 für die Zeit ihrer Berufsausbildung ab September 1994 Familienbeihilfe gewährt werde. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag durch Auszahlung der Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag).
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die für den Zeitraum September 1994 bis Juli 1995 gewährte Familienbeihilfe und den für diesen Zeitraum gewährten Kinderabsetzbetrag zurück. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die monatlichen Einkünfte der Beschwerdeführerin hätten S 7.500,-- (von September bis Dezember 1994) bzw. S 7.710,-- (von Jänner bis Juli 1995) betragen, sodaß der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Mutter kein Unterhaltsanspruch zugestanden sei.
In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe eine Halbwaisenpension von monatlich S 2.624,-- und eine Beihilfe nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz bezogen; die genannte Beihilfe sei ein steuerfreier Bezug, der gemäß § 6 Abs. 3 FLAG für den Bereich der Familienbeihilfe nicht zu berücksichtigen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Das Finanzamt habe im Juli 1995 festgestellt, daß die Beschwerdeführerin im September 1994 ein "verfügbares Einkommen" von beinahe S 10.000,--, in den Monaten ab Oktober 1994 ein solches von ca. S 12.000,-- pro Monat erzielt habe. Dieses Einkommen setze sich im wesentlichen aus einer Beihilfe nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz (ca. S 300,-- pro Tag) und einer Halbwaisenpension zusammen. Aufgrund dieser Feststellungen habe das Finanzamt die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zurückgefordert. Es sei im gegenständlichen Fall entscheidend, ob der Beschwerdeführerin für den fraglichen Zeitraum ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrer Mutter zugestanden sei. Das Finanzamt habe den Unterhaltsanspruch im Hinblick auf die Einkünfte der Beschwerdeführerin verneint. Die belangte Behörde teile diese Auffassung. Sie berücksichtige dabei nicht nur das Einkommen der Mutter der Beschwerdeführerin, sondern insbesondere auch die sogenannten "Regelbedarfssätze". Da der Beschwerdeführerin sohin kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch zugestanden sei, bestehe im Grunde des § 6 Abs. 5 FLAG kein Beihilfenanspruch. Die in Rede stehenden Beträge seien daher zu Recht zurückgefordert worden.
Mit Beschluß vom , B 2395/96, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG (idF StruktanpG 1996, BGBl. 201/1996) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuerstatten, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch den Dienstgeber oder eine auszahlende Stelle verursacht worden ist.
Aus Art. II § 2 BGBl. 246/1993 idF StruktAnpG 1996 ergibt sich, daß - abgesehen von Familienbeihilfen an Dienstnehmer bestimmter Gebietskörperschaften und gemeinnütziger Krankenanstalten iSd § 46 FLAG - die Auszahlung der Familienbeihilfe durch das (Wohnsitz-)Finanzamt zu erfolgen hat.
§ 17 Abs. 2 FLAG, der eine Definition der "auszahlenden Stellen" enthalten hatte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 1372/73), wurde mit StruktAnpG 1996 - mit Wirksamkeit ab - aufgehoben. § 13 FLAG
idF StruktAnpG 1996 regelt, daß über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der antragstellenden Person zuständige Finanzamt zu entscheiden hat; ein Bescheid hat zu ergehen, insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß nach der durch das StruktAnpG 1996 (ab ) geänderten Rechtslage das Finanzamt als "auszahlende Stelle" iSd § 26 Abs. 1 FLAG anzusehen ist. Das Gesetz normiert durch § 26 Abs. 1 FLAG eine Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe, schließt diese Rückzahlungsverpflichtung aber insbesondere aus, soweit der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt (als auszahlende Stelle) verursacht worden ist.
Die bereits der Stammfassung des FLAG angehörende Bestimmung des § 26 Abs. 2 FLAG betrifft den zivilrechtlichen Anspruch auf Rückforderung von irrtümlich geleisteten Beihilfenzahlungen (vgl. die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung, wiedergegeben in Burkert/Hackl/Wohlmann/Wittmann, Der Familienlastenausgleich, A, § 26 Seite 1); die Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Anspruches auf Rückforderung der Familienbeihilfe durch die Behörde (vgl. hiezu § 2 lit. a Z. 1 BAO) stellt keinen Anwendungsfall des § 26 Abs. 2 FLAG dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde am im Instanzenzug die Rückforderung der Familienbeihilfe ausgesprochen. Die belangte Behörde hatte dabei hinsichtlich der Geltendmachung der Rückforderung das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg.N.F. 13.384/A).
Nach der Aktenlage hat die Beschwerdeführerin das Finanzamt bereits im September 1994 über den Bezug von Arbeitslosengeld informiert. In ihrer Berufung gegen den Rückforderungsbescheid verweist sie darauf, daß sie dem Finanzamt ihre Bezüge zur Kenntnis gebracht habe. Bei dieser Sachlage hätte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der nach ihrer Auffassung unrechtmäßige Bezug von Familienbeihilfe ausschließlich auf einen Fehler (insbesondere rechtsirrtümliche Anordnung der Auszahlung) des Finanzamtes zurückzuführen ist.
Die belangte Behörde hat in Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen für die Rückforderung der Familienbeihilfe nach § 26 Abs. 1 FLAG die Klärung dieser Verursachungsfrage unterlassen. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund nach § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben. Für den Verwaltungsgerichtshof erübrigt sich daher die Prüfung der Frage, ob die belangte Behörde zu Recht vom Fehlen des Beihilfenanspruches der Beschwerdeführerin ausgegangen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. 416/1994.