VwGH vom 16.12.1998, 92/13/0282
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Elisabeth C. Schaller, Rechtsanwältin in Wien III, Schützengasse 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3 - 3373/90-05, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1986 und Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1985 bis 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, welche nach dem Inhalt der Beschwerde und dem ihr in Kopie angeschlossenen angefochtenen Bescheid im Jahr 1976 einen Sicherheitskindersitz für Sessellifte zum Patent angemeldet hatte, beschäftigte sich in den folgenden Jahren mit der Verwertung dieses Patentes, wobei sie in ihren Steuererklärungen zwischen 1977 und 1987 diesbezüglich einen Gesamtverlust von rund S 5 Mio erklärte.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1985 bis 1987 vertrat der Prüfer in dem über die Prüfung ergangenen Bericht vom Jänner 1990 die Ansicht, daß die Tätigkeit der Patentverwertung in den geprüften Jahren nicht als Einkunftsquelle im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1972 bzw. § 2 Abs. 5 UStG 1972 anzusehen sei, weil auf Dauer gesehen keine Gewinne zu erwarten seien.
Das Finanzamt folgte dieser Ansicht und erließ für die genannten Jahre entsprechende Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide, sowie u.a. einen Umsatzsteuerbescheid für 1986.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde neben der Beschreibung der bis dahin ausgeführten Tätigkeiten insbesondere eingewandt, daß es sich gegenständlich um keine Liebhabereitätigkeit im Sinn einer Befriedigung persönlicher Neigungen, sondern um eine echte gewerbliche Tätigkeit handle.
In einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung wurde hiezu insbesondere darauf hingewiesen, daß die in der Berufung erwähnten Probeläufe auf Sesselliften bereits in den Jahren 1979 und 1980 stattgefunden hätten, aber auch in den Folgejahren keine Sitze verkauft worden seien. In einer hiezu erstatteten umfangreichen Stellungnahme brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen zum Ausdruck, daß sie sich durch zahlreiche positive Stellungnahmen und Auszeichnungen im In- und Ausland - Präsentationen des Sicherheitssitzes für Sesselliftanlagen seien auch im Ausland positiv aufgenommen, Bestellungen aber von einer Verwendung in Österreich abhängig gemacht worden - bestärkt gesehen habe, ein vernünftiges, brauchbares Produkt, für welches auch ein Bedarf bestanden habe, mit sehr viel eigenem Arbeitseinsatz zu realisieren. Daß ihr bisher der durchschlagende Erfolg versagt geblieben sei, liege am "Veto bzw. der Untätigkeit der Behörde", nicht am Produkt oder einer etwaigen liebhabereimäßigen Gebarung durch die Beschwerdeführerin. Im Jahr 1981 sei nach einem zuvor ergangenen Prüfungsergebnis - ein solcher Kindersicherheitssitz sei an sich zu begrüßen, eine generelle Benützungsbewilligung könne aber wegen der Verschiedenartigkeit der vorhandenen Sessellift-Sesselformen nicht erteilt werden, weshalb jeweils Einzelgenehmigungen anzustreben seien - das "Aus" gekommen, als entschieden wurde, daß der Sicherheitskindersitz nicht verwendet werden dürfe. Der Beschwerdeführerin sei geraten worden, ein Übergutachten der Technischen Universität Wien zu erbringen. Nach einer Wartefrist von vier Jahren habe die Beschwerdeführerin nach etlichen Urgenzen ein "sehr gutes" Gutachten erhalten. Mittlerweile sei jedoch die Entwicklung weiter fortgeschritten, die meisten Urlaubszentren verfügten über Kleingondelbahnen - bestimmt die beste Art, kleine Kinder zu befördern - und die Wetterlage bzw. der Schneemangel der vergangenen Winter habe die Investitionsfreude der Sesselliftbetriebe stark beeinträchtigt. Während der vierjährigen Wartezeit habe die Beschwerdeführerin einen anderen Sicherheitskindersitz, und zwar einen solchen für Krankenhäuser entwickelt. Dieser habe ebenfalls zu positiven Stellungnahmen der Krankenhäuser geführt, und es seien auch 130 solcher Sitze verkauft worden, in der Folge sei aber die Firma, die den Vertrieb der Sitze übernommen hatte, von einer anderen Firma übernommen worden, welche aber den Krankenhausbedarf nicht mehr forciert habe. Zur Lizenzverpflichtung sei diese Firma dennoch gestanden. Die Stellungnahme des Prüfers verwechsle ein bloßes Indiz für das Vorliegen eines "Liebhaberei-Unternehmens", nämlich die kommerzielle Unergiebigkeit, mit einem rechtlichen Beurteilungskritierium. Ausschlaggebend sei das gewerblich-kommerzielle Motiv und die Unabhängigkeit von "persönlich-privater Verwendbarkeit des Unternehmens".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin in den Jahren 1977 bis 1988 hinsichtlich der strittigen Tätigkeit Verluste in Gesamthöhe von rund S 5,3 Mio bei Umsätzen von insgesamt rund S 500.000,-- erzielt habe. Nach eigenen Angaben seien auch bis Mai 1990 keine weiteren Umsätze zu verzeichnen gewesen. Als einziger (möglicher, keineswegs sicherer) Lichtstreif am Horizont seien in Zukunft S 130.000,-- pro Jahr aus der Patentverwertung (hinsichtlich der Krankenhaus-Sicherheitskindersitze) zu erwarten. Daß bei den Spitälern des Inlandes der Bedarf mit den quasi Probe-Sicherheitskindersitzen gedeckt gewesen sei, ergebe sich daraus, daß seit Jahren keine weiteren Bestellungen erfolgt seien, mögen auch die Medien und die Spitäler noch so positiv auf die Erfindung des Kindersicherheitssitzes reagiert haben. Am geschäftlichen Mißerfolg änderten auch die Ehrungen und Auszeichnungen, die die Beschwerdeführerin erhalten habe, nichts. Die erhofften Bestellungen aus dem Ausland seien gänzlich ausgeblieben. Bei den Kindersicherheitssitzen für Sessellifte sei die Situation noch gravierender, weil trotz bester Presse und gegebener Fernsehreportage, wie die Beschwerdeführerin erläutert habe, "das Aus kam". Auch das im Jahr 1985 von der Technischen Universität Wien erhaltene "sehr gute Gutachten" habe zu keinerlei wirtschaftlichem Erfolg geführt. Unter Berücksichtigung der von der jetzigen Lizenznehmerin gezahlten S 130.000,-- pro Jahr würde es - wenn der Beschwerdeführerin keine weiteren Aufwendungen erwüchsen - über 40 Jahre dauern, bis die bisher angefallenen Verluste abgedeckt wären. Die gegenständliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei daher als Voluptuar im Sinne des Steuerrechtes einzustufen, unabhängig davon, daß der tägliche Sprachgebrauch bei dem Wort Voluptuar einen etwas anderen Begriffsinhalt habe. Die Interpretation der Liebhabereiverordnung durch die Beschwerdeführerin sei unzutreffend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde erwogen:
Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß im Beschwerdefall - wiewohl er die Streitjahre 1985 bis 1987 betrifft - die Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 322/1990 anzuwenden war, weil der angefochtene Bescheid nach deren Kundmachung und vor Aufhebung der Übergangsbestimmung des Art. II durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , V 53/91-15, erlassen wurde.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß hinsichtlich ihrer Verwertungstätigkeit bezüglich des Kindersicherheitssitzes ein kommerzieller Erfolg nicht zu erwarten ist. Sie meint aber, ausgehend von einem gegebenen subjektiven Gewinnstreben, daß ihr Engagement auch objektiv geeignet gewesen sei, auf Dauer einen Gewinn zu erzielen. Tatsächlich sei der rechtzeitige "marktentsprechende Bedarf" nur daran gescheitert, daß das Verkehrsministerium die notwendige Genehmigung keineswegs versagt, sondern den von ihm beauftragten Sachverständigen trotz zahlreicher Nachfragen und Urgenzen ihrerseits nicht zur Arbeit angehalten, die Sache also gewissermaßen "verschlafen" habe, was außerhalb der Einflußmöglichkeiten der Beschwerdeführerin gelegen sei. Um den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten bzw. doch noch Gewinne zu erzielen, habe die Beschwerdeführerin sich sogar bemüht, noch einen zweiten Anwendungsbereich für ihre Sicherheitskindersitze zu finden, was ihr in Form der Spitalssitze auch gelungen sei. Für diese Sitze habe sich sogar eine Lizenznehmerin gefunden, die sich jedoch im Gegensatz zu ihr nicht annähernd so tüchtig und engagiert um den Verkauf der Kindersitze gekümmert habe. Das unternehmerische Denken und Engagement der Beschwerdeführerin sei daher in höchstem Maße geeignet gewesen, eine dauerhafte Gewinnquelle "auf die Beine zu stellen". Daß es dennoch nicht geklappt habe, liege einerseits an der Eigenheit und dem Risiko jeder Erfindertätigkeit und andererseits - zum größeren Teil - an der Untätigkeit des Verkehrsministeriums, worin eine Art "höhere Gewalt" zu sehen sei. Denn das nach jahrelangem Warten endlich erstattete Sachverständigengutachten sei positiv gewesen. Es liege aber auf der Hand, daß auch dem bemühtesten wirtschaftlichen Streben, welches alle Erfolgskriterien aufweise, die Luft ausgehen könne, wenn es von "höherer Stelle" faktisch blockiert werde und sich letztlich auch der Lizenznehmer der Ersatzerfindung "als anderweitig zu sehr absorbiert" erweise.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 322/1990 ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten, bei einer Betätigung, die durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn die Absicht nicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist.
Bei der Absicht, durch die die Betätigung veranlaßt ist, also der subjektiven Komponente des Ertragsstrebens, handelt es sich nicht um Wunschvorstellungen desjenigen, der die Betätigung entfaltet, mögen diese Wunschvorstellungen auch noch so weit von jeder Realisierbarkeit entfernt sein, sondern um ein Streben, auf das anhand objektiver Umstände geschlossen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/14/0044).
Im Beschwerdefall ist es vor diesem Hintergrund nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde nicht von der Absichtserklärung der Beschwerdeführerin, einen Gesamtgewinn erzielen zu wollen, ausgegangen ist, sondern die Frage dieser Absicht nach ihrer Realisierbarkeit anhand objektiver Umstände geprüft hat. Dabei durfte sie berücksichtigen, daß trotz mehrfach bekundeten Interesses an dem von der Beschwerdeführerin angebotenen Produkt einerseits hinsichtlich der für Krankenhäuser vorgesehenen Sicherheitssitze letztlich ein zu geringer Bedarf bestand und andererseits hinsichtlich der für Sessellifte vorgesehene Sicherheitssitze ein einen Gesamtgewinn ermöglichender Absatz an der erforderlichen behördlichen Bewilligung und (in der Folge) an ebenfalls zu geringem Bedarf scheiterte. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um höhere Gewalt, wenn eine behördliche Bewilligung, die für den Absatz entsprechender, einen Gesamtgewinn ermöglichender Mengen eines neuen Produktes erforderlich ist, nicht zeitgerecht vorliegt, sondern um eine fehlende Voraussetzung zur Realisierbarkeit der Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin nie dargetan, wie viele Sicherheitssitze - abgesehen von der erforderlichen behördlichen Bewilligung und unabhängig von ihrer Überzeugung, ein sinnvolles Produkt auf den Markt zu bringen - sie unter Berücksichtigung der Erzeugungs- und Vertriebskosten zur Erwirtschaftung eines Gesamtgewinnes hätte verkaufen müssen, und daß ein solcher Bedarf konkret bestand.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß bei einer Betätigung Liebhaberei angenommen werden dürfe, wenn die Anhäufung von Verlusten nach langjähriger Tätigkeit fortgesetzt werde. Sie meint jedoch, daß davon im Beschwerdefall keine Rede sein könne. Diese Ansicht ist jedoch im Hinblick darauf nicht nachvollziehbar, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits 1981, somit im 5. Jahr der Betätigung, "das Aus" kam, als die Genehmigung der zuständigen Behörde nicht erteilt wurde bzw. der Beschwerdeführerin schon davor zur Kenntnis gebracht worden war, daß eine generelle Benützungsbewilligung wegen der Verschiedenheit der vorhandenen Sessellift-Sesselformen - somit aus technischen Gründen - nicht erteilt werden könne, sondern - allenfalls - jeweils Einzelgenehmigungen angestrebt werden müßten. Dennoch setzte die Beschwerdeführerin ihre Betätigung jahrelang fort, wiewohl alleine der Umstand, daß der jeweilige Sesselliftbetreiber eine Einzelgenehmigung hätte erwirken müssen, die Nachfrage nach dem Produkt in einer Weise dämpfen mußte, die eine erfolgreiche Verwertung der Erfindung schon aus diesem Grund als nicht mehr realisierbar erscheinen lassen mußte.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, es sei die Meinung der belangten Behörde unzutreffend, daß von einer "Gewinnerzielung bzw. einem Einnahmenüberschuß erst dann die Rede sein könne, wenn alle Anfangsverluste abgedeckt wären", zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht auf. Soweit damit nämlich die Begründungspassage des angefochtenen Bescheides angesprochen werden soll, daß es selbst bei Erzielung von S 130.000,-- pro Jahr aus Lizenzgebühren über 40 Jahre dauern würde, bis die bisher angefallenen Verluste abgedeckt wären, ist auf die Rechtslage hinzuweisen, wonach eine Einkunftsquelle nur dann anzunehmen ist, wenn eine Betätigung in der Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn (oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten) zu erzielen, wobei dieser nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes erzielt werden muß (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 93/13/0171). Bei 40 Jahren kann aber von einem überschaubaren Zeitraum jedenfalls nicht mehr gesprochen werden (vgl das hg Erkenntnis vom , 96/14/0065, hinsichtlich eines Zeitraumes von mehreren Jahrzehnten).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde
gemäß § 35 VwGG ohne weiteres
Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am