VwGH vom 22.02.1991, 88/17/0223
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der ÖSTERREICHISCHEN BUNDESFORSTE gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-8399/1-1988, betreffend Erschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Neustift im Stubaital), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der N-KG die gewerbe- und baurechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Bergrestaurants auf der Gp. nn/1, KG Z, deren grundbücherliche Eigentümerin unbestrittenermaßen die beschwerdeführende Partei war und ist.
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der beschwerdeführenden Partei für das oben genannte, inzwischen begonnene Bauvorhaben auf Grund des § 19 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978 (TBO), und des Gemeinderatsbeschlusses vom einen Erschließungsbeitrag in Höhe von S 305.106,-- vor.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, beim Erschließungsbeitrag nach der genannten Gesetzesstelle handle es sich nicht um eine Abgabe, sondern um einen (pauschalierten) Ersatz der von der Gemeinde üblicherweise im Interesse des Bauwerbers vorgenommenen Erschließungskosten. Die Erschließung des Bergrestaurants "XY" im Bereich des Systems der Stubaier Gletscherbahn erfolge
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a) | zunächst über eine Landesstraße, | |||||||||
b) | dann über eine ca. 7,2 km lange Privatstraße, die von der "Stubaier Gletscherbahn" errichtet und auf eigene Kosten erhalten werde, | |||||||||
c) anschließend durch die Eisenbahnanlage der "Stubaier Gletscherbahn" bzw. die von der "Stubaier Gletscherbahn" errichtete und erhaltene Materialseilbahn bis zur Baustelle "Restaurant XY". |
Gemeindestraßen oder Gemeindewege würden hiezu nicht in Anspruch genommen. Da die mitbeteiligte Gemeinde für das Bergrestaurant "XY" keine Erschließung erbracht habe, stehe ihr auch kein pauschalierter Erschließungsbeitrag zu.
Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. Der Abgabencharakter des Erschließungsbeitrages sei zu bejahen. Die Vorschreibung des Erschließungsbeitrages setze nicht bestimmte Vorausleistungen der Gemeinde für die Verkehrserschließung voraus. Privatrechtliche Vereinbarungen mit der Gemeinde lägen nicht vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, folge man streng dem Wortlaut der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 9 TBO, so handle es sich beim Grundstück Nr. nn/1 KG Z um keinen Bauplatz. Wohl handle es sich um eine Grundfläche, die im Kataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet sei, doch liege sie nicht in einer Sonderfläche im Freiland. Nach dem gültigen Flächenwidmungsplan (Beschluß des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom , wonach aus dem in Rede stehenden Grundstück 7000 m2 von "Freiland" in "Sonderfläche im Freiland" umgewidmet worden seien) liege das Grundstück zum Teil auch im Freiland, das nicht Sonderfläche im Freiland sei. Eine am Gleichheitssatz orientierte Auslegung des Gesetzes führe jedoch dazu, Eigentümer derartiger Grundstücke hinsichtlich der in einer Sonderfläche im Freiland gelegenen Grundfläche ihres Grundstückes als abgabepflichtig zu betrachten und folglich als Bauplatz die betreffende, in einer Sonderfläche im Freiland gelegene Teilfläche des Grundstückes anzusehen. Der Erschließungsbeitrag sei eine ausschließliche Gemeindeabgabe. Auf die Frage der tatsächlichen Erschließungskosten für ein konkretes Grundstück komme es nach der Konstruktion des Erschließungsbeitrages nicht an. Im übrigen schlössen auch die Vorschriften über die Höhe des Erschließungsbeitrages die Annahme aus, Aufgabe des Erschließungsbeitrages sei es, nur die jeweils aus der Herstellung der verkehrsmäßigen Verbindung eines bestimmten Bauplatzes mit den bereits vorhandenen öffentlichen Verkehrsflächen entstehenden Kosten zu decken. Bei Interessentenbeiträgen müsse die Abgabepflicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den dem Einzelnen erwachsenden Vorteilen stehen. Vorteile aus einer entsprechenden verkehrsmäßigen Erschließung des Gemeindegebietes zögen - der gebotenen Durchschnittsbetrachtung folgend - in erster Linie die Liegenschaftseigentümer. Ihnen werde der Verkehr im Gemeindegebiet zugerechnet. Es stehe im übrigen außer Streit, daß die Stubaier Gletscherbahnen im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde gewaltige Verkehrsströme auslösten. Ein Teil des Verkehrs führe auf direktem Wege über die Stubaital Straße B 183, die Ranalter Landesstraße, die Privatstraße und die Seilbahnanlagen in das Gebiet des Stubaier Gletschers. Ein ins Gewicht fallender Teil des Verkehrs strebe diesem Verkehrsweg über Gemeindewege zu bzw. sickere von diesem Verkehrsweg in Gemeindewege ein. Man denke nur an die Einheimischen und in der mitbeteiligten Gemeinde abgestiegenen Gäste bzw. an die Besucher des Stubaier Gletschers, die namentlich bei der Heimfahrt noch gastgewerbliche Betriebe aufsuchten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht verletzt, daß ihr gegenüber ein Aufschließungsbeitrag nicht vorgeschrieben werde. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mitbeteiligte Gemeinde teilte mit, daß sie keine Gegenschrift erstatte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen der TBO in der hier anzuwendenden Fassung vor der am in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 10/1989 und der Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 33/1989, lauten:
"§ 16
Erschließungspflicht
(1) Die verkehrsmäßige Erschließung der im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesenen Fläche ist Aufgabe der Gemeinde ...
(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 erster Satz besteht nicht für die als Aufschließungsgebiete gekennzeichneten Teile des Baulandes sowie für jene Teile des Baulandes, für deren Erschließung privatrechtliche Vereinbarungen mit der Gemeinde bestehen.
...
§ 17
Erschließungslasten
Die Eigentümer von Bauplätzen haben die Verpflichtung, für die von der Gemeinde durchzuführende verkehrsmäßige Erschließung Leistungen zu erbringen (Erschließungslasten). Die Erschließungslasten umfassen die Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen und die Leistung von Erschließungsbeiträgen.
...
§ 19
Beiträge zu den Kosten der Verkehrserschließung
(1) Mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes entsteht für den Eigentümer des Bauplatzes, auf den sich die Baubewilligung bezieht, die Verpflichtung, der Gemeinde einen Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag) zu leisten.
...
(8) Soweit auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Gemeinde (§ 16 Abs. 2) vom Eigentümer des Bauplatzes oder von einem seiner Rechtsvorgänger Aufwendungen für Anlagen zur Verkehrserschließung bereits erbracht worden sind, sind diese Aufwendungen bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen.
..."
Entgegen der von der beschwerdeführenden Partei auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufrecht erhaltenen Rechtsmeinung stellt der in Rede stehende Erschließungsbeitrag eine ausschließliche GEMEINDEABGABE im Sinne des § 6 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 und einen der "Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern" im Sinne der Finanzausgleichsgesetze (im Beschwerdefall § 14 Abs. 1 Z. 14 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 544/1984), die nicht schon durch den Bundesgesetzgeber zu ausschließlichen Gemeindeabgaben erklärt worden sind (§ 14 Abs. 2 FAG 1985), dar. Unter dem Begriff "öffentliche Abgaben" im Sinne der Finanzverfassung sind alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen zu verstehen, die kraft öffentlichen Rechts auf Grund einer generellen Norm zwecks Erzielung von Einnahmen der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) zur Bestreitung des Aufwandes im öffentlichen Interesse allen auferlegt werden (vgl. das auch schon von der belangten Behörde zutreffend zitierte hg. Erkenntnis vom , Zlen. 3129, 3130/78, mwN.).
Wenn die beschwerdeführende Partei weiters vorbringt, die mitbeteiligte Gemeinde habe im konkreten Fall überhaupt keine im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Restaurant "XY" stehende Erschließung vorzunehmen und es seien der Gemeinde auch keinerlei Erschließungskosten entstanden, ist ihr abermals mit der belangten Behörde zu erwidern, daß es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keineswegs Aufgabe des Erschließungsbeitrages ist, nur die jeweils aus der Erstellung der verkehrsmäßigen Verbindung eines bestimmten Bauplatzes mit den bereits vorhandenen öffentlichen Verkehrsflächen entstehenden Kosten zu decken (Erkenntnis vom , Zl. 83/17/0139) und daß es nach der Konstruktion des Erschließungsbeitrages nach § 19 TBO auf die Frage der tatsächlichen Erschließungskosten für ein konkretes Gebäude nicht ankommt (Erkenntnis vom , Zl. 17/3875/80).
In ihrer Verfahrensrüge macht die beschwerdeführende Partei geltend, die oben wiedergegebene Bestimmung des § 19 Abs. 8 TBO sei weder angewendet noch sei geprüft worden, ob sie im gegenständlichen Fall anwendbar sei. Es stehe fest, daß die verkehrsmäßige Erschließung des Bergrestaurants "XY" ohne irgendeinen Beitrag oder Aufwand der mitbeteiligten Gemeinde durchgeführt worden sei.
Hiebei läßt die beschwerdeführende Partei jedoch außer acht, daß § 19 Abs. 8 TBO nur dann zur Anwendung kommt, wenn AUF GRUND PRIVATRECHTLICHER VEREINBARUNGEN MIT DER GEMEINDE im Sinne des § 16 Abs. 2 vom Eigentümer des Bauplatzes ... Aufwendungen für Anlagen zur Verkehrserschließung bereits erbracht worden sind. Im Beschwerdefall wurde jedoch auf Verwaltungsebene niemals behauptet, daß solche privatrechtlichen Vereinbarungen mit der Gemeinde bestehen. Davon abgesehen bezieht sich die genannte Vorschrift, wie die Verweisung auf § 16 Abs. 2 zeigt, lediglich auf Teile des BAULANDES, für deren Erschließung derartige privatrechtliche Vereinbarungen bestehen. Der gegenständliche Bauplatz liegt jedoch nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht im Bauland, sondern zum Teil im Freiland, zum Teil in einer Sonderfläche im Freiland (vgl. die §§ 11, 15 und 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 4/1984).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.